Tolle Beiträge, CoraW! Kann Dir zum allergrößten Teil nur zustimmen.
Nun aber zum kürzlich aufgeworfenen Thema "warum sachliche Diskurse oft ins Persönliche abgleiten". Genau diese Verbreiterung des Themas habe ich mir eigentlich gewünscht. Und für mich ist es ziemlich geschlechtsunspezifisch. Mir ist es schon oft passiert in Diskussionen rein unter Männern - wenn ich (aus subjektiver Sicht) besonders gut und scharfsinnig argumentiert habe, ist es mir schon oft passiert, dass mein Widerpart auf die persönliche Ebene abglitten ist. Weil ihm die Sachargumente ausgegangen sind. Wenn derjenige dann die richtige Seilschaft/Mafia hinter sich hat, führt diese Taktik sogar zum Erfolg. Mir ist es schon oft gegangen, dass mir Leute von der "Gegenseite" nach heftigen Diskursen im Zwiegespräch gestanden haben, dass ich eigentlich Recht hatte. Auf die Frage, warum sie dann gegen mich aufgetreten sind, war am Ende zu hören, "na weil der X auch gegen Dich war".
Persönliche Untergriffe treffen den Gegenpart immer, relativieren seine Meinung und führen daher leider oft zum Erfolg.
Beispiele genug gibt es aus der amerikanischen Gerichtspraxis. Hier geht es oft darum, die Geschworenen (und dort entscheiden mehr oder wenige auch bei Ladendiebstählen Geschworene) zu verunsichern. Also wenn jetzt bspw. eine Kronzeugin in einem Fall auftritt und glasklare Beweise liefert, so lässt der Gegenanwalt in ihrem Leben schnüffeln, und wenn er dann bspw. fragt "stimmt es, dass Sie zu Ihrer Studienzeit drei Monate anschaffen waren?" und sie es wahrheitsgemäß bejahen muss, werden manche "moralische" Geschworene ihre Aussage plötzlich im anderen Licht sehen.
Bevor mich die Cerbi wieder geißelt, dass ich vom Thema abgleite: Genauso wie der Anwalt, der eine Zeugin für die Geschworenen als verlogene Schlampe abgestempelt sehen will, agiert auch ein Gesprächspartner, der eine scharfsinnig und treffend argumentierende Frau als Emanze bezeichnet. Er will das Gewicht ihrer Argumente relativieren und sie persönlich treffen - zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und ihre Position damit vor den anderen Diskussionsteilnehmern geschwächt.
Anderes Beispiel: In einer Diskussion im deutschen TV wetterte eine Linkspartei-Abgeordnete gegen die Auswirkungen der Globalisierung und die wachsende Schere zwischen arm und reich in Deutschland. Obwohl ich sicher kein Sympathisant dieser Partei bin (in Österreich gibt's so etwas Ähnliches ja gar nicht), muss ich sagen, dass sie wirklich gut und punktgenau argumentiert hat. Und was antwortet einer ihrer Diskussionspartner (oder -gegner): "Mit ihren altlinken Ideologie können Sie einpacken" (oder so ähnlich). Wieder dasselbe Muster: Abgleiten von der sachlichen auf die persönliche Ebene, um die Gegnerin zu treffen und ihren Argumenten weniger Gewicht zu verleihen.
Zum Abschluss das von Darkling vorgebrachte Thema der Verwettbewerbung der Gesellschaft. Also ich traue mich schon fast mit Stolz zu behaupten, dass ich mich in vielerlei Hinsicht vom Wettbewerbsdenken abgekoppelt habe. Mein Ziel ist, dass es mir im Leben gut geht. Menschen, die ständig nur danach trachten, den größeren Fernseher, das teurere Auto oder den lauteren Rasenmäher als ihre Nachbarn zu haben, geht es definitiv nicht gut. Sie laufen nur rastlos irgendwelchen Träumen hinterher, die gar nicht die ihren sind. Sie können das Leben nicht genießen. Ich behaupte, dass ich das schon kann und bin stolz darauf.
Aber jetzt höre ich auf, denn ich höre die Cerbi schon toben, dass das nichts mehr mit dem Thema zu tun hat.