Intelligenz entsteht oder wird stärker ...
... durch einen Vorgang in der Pubertät, den man nach Anna Freud: "Das Ich und die Abwehrmechanismen" - Intellektualisierung nennt. Typischerweise wehrt sich die Psyche (ich nenn das jetzt mal so) in der Pubertät gegen den Andrang der Hormone, der Libido. Sie ist wohl meist fremd, unheimlich, stört die Kreise des jungen Menschen. Ich weiß nicht, wie dieser Mechanismus der Intellektualisierung im einzelnen funktioniert, und ich glaube, Anna Freud wußte es auch nicht. Ihr Büchlein ist älter, als die meisten, die hier mitschreiben - vielleicht gibt es da etwas Neues dazu ?
"Intellektualisierung" wird erlebt als ein oftmals schlagartig einsetzendes Zunehmen geistiger Kräfte - der Intelligenz. Ich habe eine solche Intellektualisierung erlebt - ohne diesen Mechanismus wäre ich heute, glaube ich, ziemlich doof. In der 7. Klasse des Gymnasiums, dem zweiten Halbjahr, also um meinen 13. oder 14. Geburtstag herum (ich müsste das wirklich nachrechnen), bin ich von einem blamabelen Halbjahreszeugnis ("Versetzung gefährdet!") zum Primus im Jahreszeugnis avanciert, war in der 9. Klasse Jahrgangsbester, und bin dies auch bis kurz vorm Abitur geblieben.
Das meine Jugend eine nahezu vollkommen sexfreie Angelegenheit war, wird die wenigsten wundern. Doch dafür gab es auch andere Gründe, die hier nicht hergehören.
Die "Intellektualisierung" ist nach der psychoanalytischen Schule, der ich mich verpflichtet fühle, als Sublimation der Libido zu begreifen - "der Trieb" wird auf ein völlig anderes Objekt gelenkt, zu einem erheblichen Teil zumindest. Deswegen ist für mich die häufig zu hörende Behauptung, daß intelligente Menschen weniger Sex haben, garnicht so unglaubwürdig. Gewiss kann es da noch andere Faktoren geben, aber wer eine solche Intellektualisierung erlebt hat, für den hat sich die Lust auf Sex teilweise woanders hin verschoben, nämlich in die Lust am Denken, und Denken kann verdammt viel Spaß machen - regelrecht geil sein. Einen Orgasmus beim Denken oder intellektueller Tätigkeit habe ich zwar noch nicht erlebt, aber für ausgeschlossen halte ich das überhaupt nicht, das soetwas passieren kann. Aber alle anderen Empfindungen von "Geilheit" kann man auch beim Denken oder intellektuellen Arbeiten erleben.
Diese Intellektualisierung hat nichts mit Verklemmtheit zu tun - intellektualisierte Menschen brauchen weniger Sex, als wenn sie keine solche Intellektualisierung durchlebt hätten.
Abschließend muß ich noch etwas richtigstellen: natürlich ist es eine Übertreibung, daß die Intellektualisierung in der Pubertät Intelligenz überhaupt erst entstehen lassen würde - damit ist das Entstehen einer dem Altersdurchschnitt deutlich überragenden Intelligenz gemeint.
Auch der rein intellektuelle Verkehr von hochintellligenten Menschen untereinander hat auch stets eine starke erotische Komponente - es geht hoch leidenschaftlich zu, und eine intellektuelle Übereinstimmung hat mitunter auch sexuellen Kontakt zur Folge, der dann nicht weniger leidenschaftlich ist, als die "akademische Debatte" vorher, währenddessen oder hinterher. Zweimal in meinem Leben habe ich solche leidenschaftlichen intellektuell geprägten "Beziehungen" erleben dürfen - einmal als "Affaire", mit einer verheirateten Partnerin, einmal als "auch-sexuelle Freundschaft", wie wir das nannten. Meine "Affaire" war eine promovierte Psychologin gewesen, meine "auch-sexuelle Freundschaft" eine Frau aus dem Management eines größeren Immobilienunternehmens. Und häufig glaube ich, daß ich diese Leidenschaft, die ich in beiden Beziehungen erlebte, nur unter ebendiesen Bedingungen wiederfinden und vielleicht noch einmal wiedererleben kann.