Auf die Gefahr hin, wieder dazu beizutragen, daß wir uns in Definitionsfragen verlieren: ich halte daran fest, daß Intelligenz die Summe derjenigen geistigen Eigenschaften ist, die bei der Bewältigung der konkreten Lebensaufgaben nützlich sind. Der Knackpunkt dürften die "konkreten Lebensaufgaben" sein. Damit meine ich diejenigen Aufgaben, die sich der jeweilige "konkrete" Mensch selbst stellt - oder aber gestellt bekommt, und ihnen nicht ausweichen kann. Ein Strafgefangener, ein Regierungschef, ein Prostituierter, ein Familienvater - alle haben sie gänzlich unterschiedliche und vor allem: sehr individuelle Lebensaufgaben, und man kann, wenn man die Persönlichkeiten entsprechend gut kennt, erkennen, ob sie mit hoher oder geringerer Intelligenz mit ihnen fertig geworden sind oder fertig werden, wobei der Erfolg nach dem jeweiligen Lebensplan oder´Lebensziel ein ganz gewichtiger, aber sicher nicht der alleinige Maßstab sein kann. Ich halte nichts davon, den Begriff der Intelligenz entweder so weit zu verengen, wie es die Kognitionswissenschaftler gerne tuen, damit der Begriff quantifizierbar wird - in Zahlen, letztlich: dem IQ - ausdrückbar und "(be-)rechenbar" wird, oder andererseits ihn soweit auszudehnen, daß er zu einem bloßen Fühlen oder Ahnen wird, das sich in einem luftigen Nebel auflöst, zu einer rein subjektiven Wertung wird. Dann nämlich macht es keinen Sinn mehr, über Intelligenz zu reden. Vielleicht wäre es wirklich besser, nicht mehr so viel über Intelligenz zu reden, "einfach mal die Schnauze zu halten, wenn man keine Ahnung hat", und sich statt dessen mehr um intelligentes Verhalten zu bemühen. Aber offensichtlich gibt es ein Bedürfnis danach, über Intelligenz zu reden, wie dieser thread und die rege Beteiligung an ihm zeigt.
Doch letztlich will ich es dahingestellt lassen, wie man Intelligenz nun näher definieren soll, mich nicht darum streiten, sondern einmal ein Beispiel anbringen, daß mir neulich über die Füsse gelaufen ist:
Dieser Tage bin ich mit dem Zug abends nachhause gefahren. Ich kam wohlbefriedigt vom Baggersee zurück, und es war mir vergönnt gewesen, sodann wohlwollend, durchaus mit Appetit, aber nicht mehr mit Hunger, eine junge Frau zu betrachten, die unterwegs zugestiegen ist, und ganz hinten im Triebwagen, mir genau gegenüber jenseits des Ganges Platz genommen hatte. Sie war so 25 Jahre rum, mittelgroß und schlank - und ganz appart im Cyber-Punk-Stil ausgeputzt, was man heutezutage nur noch selten sieht. Als ob sie aus dem "Blade Runner" herausgehüpft gekommen wäre. Dabei hat sie sich sehr einfacher Mittel bedient, sah "eigentlich" ungestylt aus - und das ist wohl eine ganz hohe Kunst, sich top zu stylen, aber so, daß es nicht so ausschaut, sondern "ganz natürlich". Sie lies auch nicht viel Haut sehen, obschon sie durchaus nicht prüde war. Ungeniert rangierte sie ihre Oberbekleidung im Zug, und traf die letzten Vorbereitungen, um "ins Gefecht" zu ziehen, kontrollierte und perfektionierte ihre Visage - den sie war geschminkt, aber auch wiederum so gut, daß man dreimal, viermal, und dann auch noch so genau hinsehen mußte, daß es schon wieder indezent war, um überhaupt zu bemerken, daß sie geschminkt war. Es war ein schöner Anblick gewesen für mich, dieser Gepardin zuzuschauen, wie sie sich zum Angriff auf die (höchstwahrscheinlich) männliche Gazelle fertig gemacht hat. Ich habe mir regelrecht den Hals verrenkt, um ihr nachzuschauen, als sie ausgestiegen war - mich hätte der Typ interessiert, die sie abholt - aber sie verschwand irgendwo hinter dem Bahnhofsgebäude, bevor ich etwas sehen konnte. Und der Zufall wollte es so, daß wir am nächsten Tag wieder zusammen im Zug saßen, wieder ganz hinten im Triebwagen, wie am Abend zuvor - nur in der umgekehrten Richtung. Ihrer Wirkung auf mich durchaus gewahr, und mich ebenso insofern völlig richtig einschätzend neigte sie sich vertrauensvoll zu mir, und fragte: "Is'n Kontrolletti drin?", was ich guten Gewissens verneinen und ihr die Zugfahrkarte ersparen konnte. (Der gewiegte Jurist erkennt sofort: Beihilfe zur Beförderungserschleichung !)Und wieder durfte ich Ihr zuschauen, wie sie Ihre Bekleidung - ungeniert - von "top-gestylt" auf "Wohlfühl-Schlabber" umorganisierte, und übrigens bei "Wohlfühl-Schlabber" wesentlich mehr Haut zeigte (und einige Gefechtsspuren), als bei "topgestylt".
Ich habe keine Ahnung, was diese junge Frau für eine Schul- oder Berufsausbildung hat, welchem Beruf sie - wenn überhaupt - nachgeht, kenne sie in keinster Weise - aber daß sie ihren konkreten Lebensaufgaben mit hoher Intelligenz zumindest an diesen heissen Junitagen im Jahre 2013 nachgegangen ist, dürfte ausser Frage stehen - zumindest für mich.