@all - Fragen, die ich noch habe ...
... in diesem tollen Thread. Schon das Lesen all der bisherigen Beiträge und Verweise zeigt die Qualität der Diskussion. Und nicht zuletzt auch mit welcher Leichtigkeit jetzt Definitionsfragen abgehandelt werden
Warum interessiert mich das Themas ? Nach all dem Schmökern würde ich das auf zwei für mich persönlich besonders relevante Fragen konzentrieren. Aus einer „Betroffenheit“ im Speziellen und im Allgemeinen, emotional persönlich und menschlich grundsätzlich sozusagen.
Ich fange mal mit dem Allgemeinen an (zum „Reinschreiben“
. Im „Vorgänger/Parallel“-Thread bei den BDSM-lern wurde die These/Frage aufgeworfen, dass eine Diskussion von Polyamorie sich letztendlich mit der Liebe an sich auseinandersetzen muss. Mit der Liebe in ihrer Vielfalt, ihrer Unterschiedlichkeit (Kernbeziehung). Mit den praktischen Schwierigkeiten, mehrere zu lieben und über Liebe zu reden – insbesondere immer wieder die Anfrage zum Umgang mit der physisch begrenzten Ressource Zeit (mehrere zu lieben) bis hin zu den fehlenden Worten, die Vielfalt „Liebe“ zu differenzieren (wobei die Threads so wohltuend das Gegenteil zeigen :-). Für mich auf einen wesentlichen Punkt gebracht fand ich dies mit dem Frage von @ heinrichhb
„Ist dies einfach nur eine Lebenseinstellung oder eine Anlage, oder eine Gabe?“
und der Antwort von @*********frau dazu. Hier schließt meine grundsätzliche Frage an. Wie egal ist die Liebessituation für jemanden, der den vielfach wiederholten Grundsatz in sich trägt, dass den Partner zu lieben heißt, dies nicht mit den eigenen Bedürfnisse an jemand anderen zu verwechseln ? Mit „egal“ frage ich mich, ob es nicht letzlich wurscht/Zufall ist, ob jemand mit solcher „Liebeskompetenz“ in einer monoamourösen Beziehung landet oder einer polyamourösen ? Solche Liebe gestaltet/lebt doch die monoamouröse Beziehung genauso wie die polamouröse, oder ? Wobei die Wahrscheinlichkeit einfach viel, viel kleiner ist, dass sich mindestens drei finden ? Nach allem was ich hier gelesen habe, war es fast immer der Zufall oder eine Lebensintervention, die die Polyamorie brachte.
Meine Frage an die „Erfahrungsträger“ ist: Wer hat die Polyamorie eher rational entdeckt und dann gesucht (und ist nicht von ihr gefunden worden) ? Wie wichtig ist Euch das Konzept/ der Anspruch, das sich mit dem Wort (Poly)amorie verbindet ? Hilft es Euch, mit den Herausforderungen der mehrfachen Beziehungen klar zu kommen ?
Zu mir. Wie Ihr in meinem Profil sehen könnt, lebe ich in einer wundervollen offenen – auch immer wieder schwierigen, weil so nicht selbstverständlichen - Beziehung. Wir sind seit ca. 20 Jahren verheiratet. Dass wir unser Verhältnis heute polyamourös nennen könnten, weiß ich allerdings erst seit ein paar Tagen (besser nach mehrere Stunden JC lesen ;-). Gerade die Spreizung zwischen dem Ideal der offenen Liebe (dass nun auch mal ein kulturelles, soziales Konstrukt ist) und unseren eigenen persönlichen Beschränkungen, hat uns immer wieder vor die obige Frage gestellt, mit all den Wegen die damit verbunden sind. Von der verliebt geschlossenen zur neugierig offenen über die gelassenen sehr offene wieder zu schmerzvermeidenden geschlossenen Beziehung hin zu jetzigen „reifen“ welterschließenden „begleitenden“ Beziehung war ein ziemlich langer Weg.
Und immer noch steht die Frage, wo der stabile Zustand sein könnte. Bis heute gibt es keine Selbstverständlichkeit im gegenseitigen „Einander-Haben“. Ich bewundere alle JC-ler, die durch und mit der Polyamorie solche eine feste Basis miteinander gefunden haben.
So kommen mir alle Schwierigkeiten, Ängste und Erfüllung, die schon auf den ersten Seiten des Thread beschrieben wurden, nur zu bekannt vor.
Nun meine eher konkret persönlich Frage. Dazu statt des Nach- ein kleines Vorwort
Wie gesagt, haben wir eine lange Entwicklung, miteinander. Wir lieben uns, reden ohne Tabus. Im Streiten habe wir gelernt, Verletzungen zu vermeiden und wieder zu heilen. Wir können viele Sachen zusammen genießen wie mit keinem Anderem. Wir haben beide sehr stabile „Liebes-Co-Beziehungen“ nicht nur sexueller Natur, die auch jeweils von den anderen wissen. Auch für’s individuelle Swingen reicht die Zeit (allerdings selten, nicht zuletzt weil gar kein unbefriedigtes sexuelles Bedürfnis). Wir wüssten so vieles in dieser bunten Welt, für dass wir keine Zeit finden, es zu leben. Und haben mit all dem eine schon fast selbstverständliche Souveränität erreicht (die es in dieser Idealisierung nicht gibt, ich weiß ;-), dass dies für uns jetzt die gefühlte Normalität ist. Um Missverständnissen vorzubeugen. Diese Normalität schließt den Umgang mit der o.g. Unsicherheit bzgl. Eines „stabilen“ Zustandes ein.
Doch jetzt - mit unseren 20 Jahren positiver Erfahrung - merke ich, dass genau diese Normalität für mich ein Problem ist. Und dies macht mich vollkommen wuschig. Wenn ich uns mit anderen Paaren, unseren Freunden vergleiche, weiß ich rational, dass es mir so gut geht, wie es nur gehen kann. Auch wenn ich den Thread hier lese, weiß ich das. Und doch bin irgendwie „müde“ der Beziehungs“arbeit“ (die im praktischen aber wirklich immer meist noch ein Vergnügen ist). Es fehlt mir die selbstverständliche Energie, die das Sein mit seinen Schleifen und Überraschungen, zu einem Leben macht. Meine Frage ist: kennt jemand von Euch diese Situation ? Wie seid Ihr damit klargekommen ? Einfach warten, lachen und schlafen (zenbuddihstisch sozusagen) ? Oder etwas tun, aber was ? Wir haben miteinander schon viel darüber gesprochen, nachgedacht. So ausreichend bedauert worden von meinen Lieben bin ich auch, dass der selbstdarstellerische Anteil daran schon seinen Weg ins Darüber-Lachen gefunden hat. Nur eine Lösung gefunden habe wir nicht ...
Ich würde mich freuen (natürlich nicht über die Sache selber), wenn jemand mit ähnlichen Erfahrungen etwas dazu sagen könnte.
Falk
PS: Sorry für den langen, langen Beitrag – aber irgendwie muss man sich ja erst mal zum bereits erreichten tollen Niveau wenigstens heranarbeiten