Ich beobachte dieses Thema ja nun schon seit längerem, mal mehr, mal weniger erfreut, aber die Sex-Frage bringt mich gerade wirklich zum Nachdenken...
Ich habe es in einem anderen Thread, glaube ich, schon einmal geschrieben. Es gab eine Zeit in meiner Beziehung, da wollte ich als Frau nicht mehr reden. Er hatte mich zutiefst verletzt, ich habe ihm erklärt warum, es änderte sich nichts. Ich habe es noch und noch und nochmal erklärt, dann habe ich geweint, dann habe ich gebrüllt und dann geflüstert, zum Schluss blieb nur noch Schweigen.
Er kam rein, wir sagten "Hallo." Er versuchte ein Gespräch, ich blockte ab, schwieg, machte meinen Kram zu Ende, ging duschen, machte mich fertig und ging ins Bett.
Meistens folgte er mir, bei jedem meiner Schritte, an anderen Tagen beschäftigte er sich mit sich selber, anfangs versuchte er noch zu reden, nachher schwieg auch er. Doch hielt er mich jede Nacht in seinen Armen, umschlang mich, als wollte er mich in sich hinein ziehen... Einerseits genoss ich dieses Gefühl, andererseits hasste ich ihn dafür mich nicht einfach los zu lassen. Und so versuchte ich mir einzureden, es sei egal, ändere nichts.
Ich war in der Zeit gefühlsmässig richtig abgestumpft. Die Liebe war immer noch da, stark wie nie zuvor, denn unser Streit hatte ja nichts mit dem Mangel dieser zu tun. Aber ich hatte Angst, Angst ihn zu verlieren, Angst nie wieder reden zu können, Angst, dass ich meine Enttäuschung nicht verwinden könnte. Und diese Angst machte mich vollkommen starr und bewegungslos.
Bis eines Nachts... Wie immer lag ich in seinen Armen und ich weiss nicht, wie oder wer es angefangen hatte, eine Geste gab die nächste und wir hatten Sex, hemmungslos, als müssten wir unsere ganze Wut auf diese Weise hinaus schreien. Es war guter Sex, sehr guter, mit der Beste. Und danach konnte ich auf einmal wieder reden, noch bevor jeder wieder auf seiner Seite lag weinte ich, das erste Mal und konnte gar nicht mehr aufhören und auf einmal schoss alles aus mir raus.
Ohne jegliche Taktik, ohne auch nur einen Gedanken kamen mit der Vielzahl von Tränen eine Vielzahl von Worten, unbeschönigt, ungeschliffen, die einfach nur das wiederspiegelten, was ich fühlte. Und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl sie kommen bei ihm an. Er versteht mich. Das hatte mir die ganze Zeit vorher doch so gefehlt. Und noch viel wichtiger, zum ersten Mal verstand ich ihn. Ich begriff, dass er gar nicht anders handeln konnte, dass er mich nicht verletzen wollte, es aber in der Natur der Dinge lag. Und zum ersten Mal riss bei mir die Mauer ein, die ich mir meinem Schweigen zusammen um mich herum aufgebaut hatte, die mich schützen sollte ihm zu Nahe zu kommen, durch die keine Verletzung mehr möglich sein sollte und die mich doch so einsam machte.
Es tat immer noch weh und die Enttäuschungen der letzten Zeit waren nicht plötzlich weg, aber ich spürte die Wärme wieder, seine, unsere. Es war wieder ein Miteinander möglich, ich spürte wieder die Harmonie, das Geben und Nehmen, dieses Zusammenpassen...
Und das nicht nur während des Aktes selber...
Es war auch danach noch eine schwere Zeit, denn der Sex hat an dem Problem selber nichts geändert, aber er hat uns den Zugang zueinander wieder ermöglicht. Er hat dazu geführt, dass ich mich wieder geöffnet habe, körperlich, wie seelisch und auch geistig, dass ich ihn und seine Argumente wieder an und in mich gelassen habe.
Ich bin mir sicher Sex mit diesem Vorsatz hätte dies nicht bewirkt, aber dieser aus der Situation heraus gebohrene war genau das, was wir brauchten. Er hat uns gezeigt, dass der andere noch da ist, dass er "noch Interesse" hat. Und das nachdrücklicher als Worthülsen.
Sex kann und darf mit Sicherheit nicht Mittel zum Zweck sein, und er sollte auch nicht als "Beziehungsproblemlöser" verstanden oder bewusst eingesetzt werden, aber ich kann nur für mich sprechen, dass dieser Sex uns den Weg "geebnet" hat und uns wieder zurück in die Realität geholt hat, gerade mich als schweigenden Part...