Was sie für Liebe hielt
@*****evaEs gibt nichts was einfach so passiert. Auch häusliche Gewalt hat immer einen Hintergrund.
wenn du fröhlich von der Arbeit nach Hause kommst und dein Mädel schlägt zu - einfach so. Du hast nichts, aber auch gar nichts verbrochen, außer gute Laune zu haben.
Diesmal schilderst du eine Situation, doch auch dabei übersiehst du, dass nur für das Opfer keine Anhaltspunkte für das gewalttätige Verhalten ersichtlich sind. Für den Täter stellt sich die Situation anders dar, er hat, würde man ihn Fragen, einen für ihn einleuchtende und verständliche Anlass.
Möchte man die gewalttätigen Verhaltensweisen abstellen, kommt man nicht umhin sich auch mit dem Täter zu befassen. Aus diesem Grund würde ich die Frage folgendermaßen veranschaulichen und ausformulieren.
Was sie für Liebe hielt
Steffi K. wurde nur 24 Jahre alt. Ihr Mann hat sie geprügelt, vergewaltigt und schließlich umgebracht. Neue Gesetze sollen Frauen stärker vor ihren gewalttätigen Männern schützen, doch warum schlagen Partner zu und wieso können sich Opfer nicht von ihren Peinigern trennen?
Steffi K.* war gerade 22 Jahre alt geworden.
Peter war genau ihr Typ, groß, kräftig, markantes Gesicht. Steffi verliebte sich in Peter, der elf Jahre älter war als sie. Sie vertraute ihm.
Steffi glaubte auch an Peters Unschuld, als dieser plötzlich in Untersuchungshaft kam. Die junge Frau mit den langen blonden Haaren, die sie sich auch schon mal mit knalligem Rot färbte, wollte einfach nicht wahrhaben, dass ihr neuer Freund in Wahrheit ein brutaler Schläger sein sollte. Bald darauf kam Peter L. aus der Untersuchungshaft wieder frei, das Verfahren gegen ihn wurde schließlich eingestellt. Es war Mai 2000. Steffi K. hatte noch 34 Monate zu leben.
Bei Peter L. dagegen sei sich Steffi ganz sicher gewesen, in ihm habe sie wirklich den „Mann fürs Leben“ gesehen. Umso größer der Schock für sie, als auch die neue Beziehung zu zerbrechen drohte, als Peter schließlich begann, seine Freundin zu misshandeln.
Steffi hatte Sehnsucht nach einer eigenen kleinen Familie, „einem sicheren Hafen“, glaubt ihre Freundin Alexa. Die Hoffnung auf einen festen Halt habe sie immer wieder zu Peter zurückgetrieben. Womöglich sei es auch das verzweifelte Gefühl einer vermeintlich ausweglosen Lage gewesen, das Steffi veranlasst habe, sich an Peter zu klammern.
Mit 2197 Fällen häuslicher Gewalt hatte es die Polizei in Hannover im vergangenen Jahr zu tun. 1653 Einsätze fuhr die Polizei, 412 Täter wurden dabei angewiesen, sich von dem Opfer fern zu halten, 353 von ihnen für eine Woche. Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren steil angestiegen.
Ist Gewalt männlich? Nein, sagt die Professorin Barbara Kavemann, die an der Universität Osnabrück im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zehn „Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt“ in ganz Deutschland wissenschaftlich untersucht. Wenn alle Formen und alle Stufen von Gewalt einbezogen werden – körperliche ebenso wie psychische Gewalt –, dann gleicht sich das Bild an. Aber Männer rufen selten die Polizei, wenn sie von einer Partnerin geschlagen wurden. Es passt nicht zu ihrem Selbstbild.
Wer den starken Mann markiert, zeigt damit seine Schwäche. Meist müssen die Männer in dem Gruppentraining in Hannover erst einmal lernen, sich selbst zu fühlen und zu beobachten. Sie müssen sich die Frage stellen, warum sie eigentlich gewalttätig geworden sind. Dazu spielen sie eine Gewaltszene, die sie selbst erlebt haben, in extremer Zeitlupe durch. Eine Minute wird zu einer Stunde. Immer wieder wird angehalten und diskutiert: Was hast du gefühlt, als sie das sagte, als du auf sie zugingst, was hast du gedacht, als du die Hand hobst? Klaus Eggerding, Geschäftsführer des hannoverschen „Männerbüros“, das die Kurse durchführt, sagt: „Kurioserweise fühlen sich Männer in einer Notwehrlage, fühlen sich unterlegen, wenn sie Gewalt anwenden.“
Gewalt wollen die Männerinitiativen, bei allem Verständnis, nicht tolerieren.
Oft hat Steffi die Polizei gerufen. Mindestens zehnmal hat es ihr Bruder mitbekommen. Das Verhalten der Polizei findet er im Nachhinein „hilflos und lächerlich“. Wie der Polizist Peter einfach nur ermahnte, er dürfe nicht schlagen und würgen; wie die Polizistin Steffi inständig bat, sich von ihrem Mann endgültig zu trennen und nicht schon wieder die Anzeige zurückzuziehen.
Steffis Bruder Bernd sagt: „Sie war ihm mit Worten überlegen. Sie konnte ihn in die Ecke drängen und zur Rede stellen. Sie machte ihm oft Vorwürfe.“
Rosenmontag 2003. Plötzlich taucht Steffi bei Alexa auf. Sie beschwert sich über alles Mögliche, zum Beispiel über ihre „lahme“ Tagesmutter. Alexa hat den Eindruck, dass Steffi um den heißen Brei herumredet und nicht über das spricht, was sie eigentlich bedrückt. Anderen Freunden erzählt Steffi, nach Karneval sei endgültig Schluss. Peter müsse dann seine Sachen packen und verschwinden. Am nächsten Morgen, Karnevalsdienstag um 3.20 Uhr, tötet Peter Steffi.
Über den Ablauf des Verbrechens gibt es nur seine Version. Danach haben sie um 2.45Uhr noch miteinander geschlafen. Die Gerichtsmedizin bestätigt das. Kurz darauf, im Auto auf dem Weg zu Steffis Arbeitsstelle, wo sie frühmorgens den Lieferanten das Tor aufschließen muss, sei es zum Streit gekommen. Sie habe ihn mit Vorwürfen überschüttet, habe ihn verantwortlich gemacht für ihre gesamte Lebenssituation, habe gedroht, er bekomme nicht das Sorgerecht für ihr Kind.
Sie hielten den Wagen an, so steht es später in den Gerichtsakten, stiegen aus, er hat sie herum geschubst, ihr den Hals gedrückt, Steffi wehrt sich, er zieht ein 20 Zentimeter langes Dachdeckermesser hervor, rammt es ihr in den Bauch. Das Handgemenge setzt sich fort. Sie sinken zu Boden. Peter würgt Steffi mehrere Minuten. Dann ist sie tot.
…
Hinter jeder häuslichen Gewalt steckt Hilflosigkeit. Der Eine sieht keine andere Alternative, sich durchzusetzen, also schlägt er/sie. Der unterlegene Partner ist genauso in einem Teufelskreis aus Abhängigkeit und Demütigung gefangen.
Was habt ihr für Erfahrungen gemacht. Wart ihr Täter und konntet euch ändern, wart ihr Opfer und konntet euch retten. Wie reagiert ihr wenn ihr von häuslicher Gewalt erfahrt und wo kann man Hilfe bekommen.
LG
Brian
(Quelle: DIE ZEIT 01.04.2004)