An alle, die nicht verstehen, warum …
… Frau nach dem ersten mal nicht sofort geht – die Sicht des Opfers.
(Sorry, das Posting geht wohl etwas an der Fragestellung vorbei, geht aber ums Thema und war mir wichtig)
Unglauben. Es ist das erste Mal. Heißt also auch, bis dahin hat man (geglaubt?) zu lieben und geliebt zu werden. Man fragt sich … ein Versehen? Ein einmaliger Ausrutscher? Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Natürlich weiß man/Frau objektiv was geschehen ist, aber Bewusstsein/Unterbewusstsein weigern sich, wirklich innerlich zu verstehen und zu GLAUBEN. Es ist unwirklich. Bis gerade eben war man doch noch das sich liebende Paar. Und ist es doch immer noch, oder?
Natürlich wissen wir alle – objektiv – das es dann eigentlich nicht so ist. Als Außenstehende. Aber in dieser Situation ist es oft schwer zu erfassen. Man hat nicht den objektiven Überblick.
Soweit so gut(schlecht). Es ist einmal geschehen, der Alltag geht weiter. Und dann geschieht es doch wieder.
Es gibt so viele Gefühle, Gedanken und Mechanismen die da ablaufen. Wenig davon ist rational und für Außenstehende stellt sich alles (auch emotional!) natürlich ganz anders da als für die Betroffenen.
Es ist für die Betroffene vielleicht eine unwirkliche Situation. Es kommt bestimmt nicht wieder vor – weil nicht sein kann, was nicht sein darf ….. ich weiß nicht, wie ich das besser erklären soll.
Die objektive Sichtweise wird weiter getrübt. Die Fähigkeit zur Betrachtung, zum Überdenken von Lösungen und vor allem deren Durchführung ist kaum noch vorhanden bzw. die Kraft dazu nicht mehr, weil: (und hier vielleicht die ersten wirklichen Erklärungsversuche um Verständnis für die Opfer zu wecken)
[b]* Es sind oft nicht nur schläge. Auch eine Menge Psychischer Druck, der die Opfer lähmt, Angst macht. Und was psychischer Druck – auch bei ansonsten starken Frauen – auslösen kann, kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat.
*[/b] ständige Kontrolle. Die Möglichkeit, mit anderen zu reden, sich zu informieren, Hilfe zu holen wird dadurch eingeschränkt teilweise bis zur Unmöglichkeit.
[b]* Und was den wenigsten klar ist … Schlafmangel. Menschen in dieser Situation kommen oft nicht zur Ruhe. Tagsüber arbeiten/Alltag, abends der Partner, der nicht „nur“ mit Gewalt einem das Leben zur Hölle macht. Nachts kommen die Sorgen, Ängste, Gedanken, Wut, Trauer, Verzweiflung …. Am nächsten Tag mit kaum Schlaf wieder die Tretmühle des Alltags. Und das teilweise über Wochen hinweg. Woher die Kraft nehmen gegen Kontrolle und psychischen Druck und die eigene Erschöpfung Lösungen zu finden?
*[/b] Und nun eigentlich der mir wichtigste Punkt: Schuldgefühle und Scham der Opfer. Warum? Weil jeder sagt: Einmal und ich würde gehen. Das erste Mal ist aber schon vorbei. Das Unverständnis der Umwelt für die Situation und vor allem Hilflosigkeit des Opfers. Oft genug bekommt man noch Vorwürfe zu hören, das es bis dahin kommen konnte, das man nicht schon früher was gesagt/unternommen hat – viel zu oft. Also schweigt man, Verständnis sind selten, Hilfe noch seltener. Man schämt sich, hat das Gefühl, selber Schuld zu sein … weil man hätte ja ……. Und aus dieser Scham und Schuld heraus auch oft das Gefühl, der Hilfe nicht Wert zu sein, weil man ja selber Schuld ist. Das Opfer wird in die „Täterrolle“ gedrängt, zumindest was die Schuldgefühle angeht und das Unverständnis der Umwelt. Und das ist leider so, auch wenn viele das hier nicht wahrhaben wollen.
Mit Äußerungen wie: Ich habe kein Verständnis für Frauen/Männer die sich schlagen lassen – Ich habe kein Verständnis dafür, dass das wiederholt passiert – Mir würde das nicht passieren – bitte ich Euch verdammt vorsichtig zu sein. Denn damit macht ihr es den wahren Opfern verdammt schwer, Hilfe und Veständnis zu finden. Jedes Opfer hat diese Sätze nicht Betroffener im Kopf – glaubt mir. Und das führt zu etwas, was eigentlich niemals sein dürfte, aber leider Realität ist: Schuldgefühle und Scham beim Opfer.
Und noch einmal deutlicher, hab mir lange überlegt das zu schreiben. Aber vielleicht trägt das ja zum Verständnis dessen, was ich sagen will bei:
Die Situation selber ist über 10 Jahre her. Erst letztes Jahr führte ich ein Gespräch mit einem – wie ich glaubte – wirklich superguten Freund. Irgendwie wurde das, was damals geschehen ist, Thema und ich hab ein wenig davon erzählt. Die Reaktion werde ich nie vergessen und hat mich vielleicht mehr verletzt als alles, was damals war: „Wie, Du hast Dich von Gewalt halten lassen?“ (nein, ich bin ja seit über 10 Jahren von diesem Mann getrennt) – Aber Wortwahl, Stimme, Gestik der ganze Ausdruck dessen, wie dieser eine Satz gesagt wurde …. Ein Vorwurf ………… das Opfer hat Schuld.
Und wenn man noch in der Situation drin steckt, hat man nicht die Kraft, sich auch noch mit den Vorwürfen der Umwelt auseinanderzusetzen.
Und wenn ein Opfer dann geht … verwechselt das bloß nicht mit Kraft oder „Wachwerden“. Es ist die pure Verzweiflung. Wenn einem egal ist, was passiert … wenn man die Situation nur noch beenden will – so oder SO …. Dann hat der wahre Täter die Macht über sein Opfer verloren.