Resümee
Der Thread neigt sich dem Ende zu, und ehe die letzten beiden Seiten sich füllen, möchte ich versuchen, zu resümieren, was ich für meine Arbeit daraus mitgenommen habe.
Zunächst einmal möchte ich mich bei euch allen bedanken für´s Einblicke gewähren, Mitdiskutieren, Gegenfragen stellen.
Dann noch zwei Details:
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Es gab einen etwas ausufernden „Hahnenkampf“ zwischen zwei Männern, der mir auf seine Weise vermittelt hat, wie jemand mit dem höheren Verlangen seinen Partner (hier seine Partnerin) in die Unlust treiben kann.
(Ich selbst kenne zwei Bücher von Schnarch ausgesprochen gut, habe sie mehrmals gelesen und so kritisch durchleuchtet, wie es mein eigener Horinzont erlaubt, und halte sie für gut. Sie sind m.E. logisch und schlüssig argumentiert, und das durchaus auf wissenschaftlichen und empirischen Grundlagen, wie der Anhang mit zahlreichen Fußnoten und verweisen auf Anthropologie, Hirnforschung, klinische Studien usw. in beiden Büchern zeigt.)
Es ist vielmehr Art und Weise, mit der hier „mit Schnarch“ argumentiert wurde, die mich - wäre ich Partnerin - recht schnell unlustig werden liesse, wenn ich diesen Argumentationsstil auch in der Beziehung erleben müsste.
Über die Frage, warum mir als Mann bei dieser Aussage:
Deinen Weg und Dein Engagement finde ich beachtlich und sehr untypisch für einen Mann.
die Lust verginge, habe ich noch einmal nachgedacht:
wäre ich z.B. in Kontakt mit (m)einer Frau, und würde dieses vermeintliche Kompliment hören:
Nun, ich würde mich in meiner Individualität nicht mehr gesehen fühlen. Meine vermelintlichen Qualitäten würden nicht mehr für sich stehen, oder besser: nicht mehr für mich, sondern stünden in einem Referenzrahmen, wo ich selbst mit meiner eigenen Person eigentlich keine Bedeutung mehr habe.
Es ist einfach etwas anderes, wenn ich höre: Ich finde Dich toll, als wenn ich höre:
Gegen all die anderen Männer finde ich Dich toll.
Dann nämlich fühle ich mich nur noch als Funktionsträger, nämlich der Frau das zu geben, was sie sonst immer vermisst.
Bei mir persönlich gibt es dazu noch einen biographischen Triggerpunkt:
Nachdem sich meine Mutter oft ellenlang über meinen Vater ausgekotzt hat, war das „Sahnehäubchen“ stets, mit den Worten „Du bist der einzige, mit dem ich über all das reden kann“ in den Arm genommen zu werden.
Mir ist erst viel später klar geworden, daß ich in diesem Moment nicht geliebt, sondern benutzt worden bin. der Nachgeschmack ist äußerst fade und wirkt - siehe oben - bis heute nach.
Obwohl ich die Unlust in diesem Fall, wie oben ausgeführt, auch ohne Trigger begründet finde.
Um auf meinen sicherlich unvollkommenen Definitionsversuch zurückzukommen, sehe ich auch hier das Gefühl der Unlust als Reaktion auf ein Angebot, mit dem ich mehr negative Gefühle (nicht gesehen werden, benutzt werden) verbinde, als positive (Zuwendung/Komplimente erhalten). Die intuitive Entscheidung: „Unlust“ basiert hier auf meinem Erfahrungsschatz, der in direkt erkennbarer Verbindung mit dem Angebot stehen kann, aber nicht muß. Manche Angebote werden mit Erfahrungen in sehr indirekter Linie in Verbindung gebracht.
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Jetzt aber mein Resümee in noch ungeordneter Reihenfolge:
Der gesamte Verlauf hat mir geholfen, tiefer zu begreifen, wie Unlust entstehen kann.
Dabei ist für mich vor allem der Beziehungsdynamische Aspekt, aber auch der - ich nenn ihn mal - intrapsychische Aspekt, also die Dinge, die nur mit einem selbst zu tun haben, von besonderem Interesse gewesen.
Ich bin mir natürlich bewußt, daß es darüber hinaus eine ganze Reihe anderer Faktoren gibt, die für sich genommen, aber auch in Wechselwirkung mit den oben genannten Ursache für Unlust bilden können, und die nicht ausgeklammert werden dürfen.
Beruflicher Stress zum Beispiel wird von Männern am häufigsten als Grund für sexuelle Unlust genannt,
und ich habe den Eindruck, daß dieser Faktor nicht selten den Blick auf persönlichere Faktoren verdeckt. Das dürfte auch für andere Faktoren, auch körperlicher Art gelten.
Daß z.B. Erektionsstörungen oder vorzeitigem Samenerguss häufig sexuelle Unlust zugrunde liegen, darauf verweisen heutzutage auch schulmedizinische Veröffentlichungen.
Dieser Thread hat mir den Eindruck vermittelt, daß es beim Thema sexueller Unlust wirklich wenig Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt.
Nicht nur auf der unlustigen Seite, sondern auch auf der seite des verlangensstäkeren Partners.
Threads von Männern, die der Unlust ihrer Partnerin relativ hilflos gegenüberstehen, gibt es ja zu Hauf.
Frauen starten solche Threads seltener.
In diesem Thread dazu eingeladen, haben viele Frauen ihre Erfahrungsberichte gepostet. Diese Berichte finde ich immer noch sehr berührend. Habt Dank dafür.
Eines fiel mir dabei auf: Die Berichte von Frauen, die Probleme mit der Unlust ihres Partners haben, ähnelnd denen der Männer in großem Maße.
Es ist dieselbe Hilflosigkeit dabei, aber auch dieselbe Neigung, Schuld zuzuweisen, Verantwortung für das eigene Wohlergehen auf den Partner zu übertragen, eigene Anteile von sich zu weisen und dergleichen mehr, wie man es von Männern auch liest und wie ich es selbst von mir als verlangensstärkeren Mann selbst auch kannte.
Bei vielen ging es mir ähnlich wie beim Lessen männlicher Erfahrensberichte:
Ich konnte die Unlust des Partners/ der Partnerin bei allem Verständnis für die verlangensstärkeren Partner (schließlich war ich selbst einer) irgendwie verstehen.
Für mich selbst habe ich im Nachhinein begriffen, wie ich insbesondere durch meine damalige Neigung, meiner Liebsten Verantwortung für mein Wohlergehen zu übertragen, entscheidend dazu beigetragen hatte, meine Liebste in die Unlust zu treiben.
Denn auch sie fühlte sich irgendwann nicht mehr als eigenständigen Menschen gesehen, sondern lediglich als Funktionsträgerin, als für die Erfüllung meiner Bedürfnisse in die Verantwortung Getriebene.
Zwar gab es bei ihr (und bei mir (!) ) auch biographische Faktoren, die angetriggert wurden, und die gibt es auch heute manchmal noch. Im Vergleich mit den begründeten Paardynamischen Faktoren treten die allerdings auf gravierende Weise in den Hintergrund.
Das wird mir heutzutage deutlich, wo wir uns aus emotionaler Verstrickung und gegenseitiger Verantwortungsübertragung für das eigene Wohlergehen befreit haben.
Biographische Prägungen sind immer noch da. Aber sie werden wesentlich seltener angetriggert und treten in der Paardynamik deutlich in den Hintergrund.
Für mich stellt sich als Fazit dar:
Hochwahrscheinlich ist Unlust bei Männern nicht signifikant seltener als bei Frauen und dürfte somit ein geschlechtsunabhängig relevantes Phänomen sein.
Unlust scheint ein überaus weit verbreitetes Problem in Paarbeziehungen zu sein.
Etwa zwei Drittel der Paare finden innerhalb der Partnerschaft keine oder nur eine bedingt zufriedenstellene Lösung für Probleme ungleichen Verlangens.
Die wenigsten Paare glauben, daß ihnen Unterstützung von aussen helfen könnte, Probleme mit Unlust zu überwinden.
Inwieweit auf beiden Seiten die Möglichkeit abgewehrt wird, um eine Auseinandersetzung mit eigenen als unangenehm empfunden Themen zu vermeiden, wäre eine eigene Untersuchung wert.
In jedem Fall scheint es eine weitverbreitete Unlust zu geben, sich mit Paarproblemen Dritten gegenüber zu öffnen, wenn als Folge daraus unangenehme Gefühle erwartet werden.
Für Männer ist die eigene Unlust ein Tabuthema.
sie scheint nicht zum Männerbild zu passen.
Unlust ist eine natürliche Reaktion.
Als solche kann Unlust entweder eine durchaus gesunde , oder aber , als Muster manifestiert, eine unangemessene Reaktion auf bestimmte Situationen sein.
In jedem Fall aber hat anhaltende Unlust Gründe.
Unlust verschärft sich, wenn sie als illegitim oder pathologisch betrachtet wird.
Das ist alles noch etwas durcheinander, und ich muss noch einiges auswerten.
In jedem Fall habt ihr alle meinen Dank für Eure Teilnahme an diesem Thread und für die Beantwortung des Fragebogens!!!
Lieben Gruß
erwil