Gips mir …
… pummt mich voll.
Eine Geschichte aus den Niederungen internationaler Filmproduktionen, ein Blick auf das neckische Treiben der Pornoindustrie.
»Komm, lass uns doch mal einen Porno angucken!« Meine Freundin erstaunt mich ein ums andere Mal und so auch diesmal. »Bist du sicher, dass du wirklich einen Porno sehen willst und nicht viel lieber einen erotischen Film?« Da ich wusste, was uns erwarten würde, wollte ich VOR dem Experiment ganz sicher gehen. Nein, sie habe sich einen Porno vorgestellt und wollte ausdrücklich diese Neugier befriedigt wissen.
Also ging ich in die örtliche Videothek und suchte mir (wie ich glaubte) möglichst erregende und wenig abschreckende Beispiele sexueller Darstellungen aus – Filme kann man diese Machwerke kaum nennen. Das Angebot war, wie soll ich sagen, überwältigend. Abertausende von Geschlechtsteilen in jeglicher Farbe und Größe prangten von den Regalen und ein Titel war schöner als der nächste gespickt natürlich mit wirrer Interpunktion und abenteuerlicher Rechtschreibung:
113 die Spermapolizei
Tut sie es oder tut sie es nicht?
Pummt mich voll! (Kein Witz!)
Und natürlich der Klassiker: Ich war jung und brauchte das Geld!
Von Letzterem gab es sogar eine ganze Reihe, mindestens dreißig Mädchen huldigten diesem Slogan und hielten ihre vermeintlich erotischsten Teile vor die Linse. Wer die Wahl hat, hat die Qual – in diesem Fall blieb uns leider nur die Qual, aber ich will nicht vorgreifen.
Da ich nicht so sehr auf Hochglanzbildchen à la Playboy und Konsorten stehe, sondern mir im Bedarfsfall lieber die (nackte) Frau von nebenan betrachte, dachte ich mir, dies sei auch eine gute Strategie, um sich Pornofilme auszusuchen – das war der zweite grauenvolle Fehler, den ich machte. Denn die so genannten Amateure waren nicht etwa natürlicher als die Profis, sondern nur dilettantischer.
Alle Menschen, die vor der Kamera Sex haben, scheinen nach einem bestimmten, festgelegten Muster zu agieren. Sie haben alle ein ähnliches (abgedroschenes) Vokabular, sie haben die gleichen (zum Teil unglaubwürdigen) Wünsche und Begierden, und: sie können alle nicht schauspielern.
Deswegen ist es auch vermessen, von „Filmen“ zu sprechen, wenn man Pornostreifen begutachtet. In einem Film erwarte ich zumindest ein Mindestmaß an schauspielerischen Fähigkeiten, an filmischer Erzählweise und an Standards bezüglich Aufnahme- und Schnitttechnik und erst recht an die Bildgestaltung, aber was dies betrifft – Fehlanzeige. In jenen Produktionen geht es nur um eines: Um möglichst viel Profit.
Das Dilemma der Produzenten, die ja auch mehr Geld in die Hand nehmen könnten, ist dies, dass der Markt zwar riesig ist aber die Konkurrenz eben auch. Sieht man sich jetzt den durchschnittlichen Pornokonsumenten an, versteht man vielleicht, dass es sich nicht unbedingt lohnt, Geld in eine solche Produktion zu stecken. Dumpf vor der heimischen Glotze brütend, sitzt er da und holt sich einsam einen runter. Ihn interessieren filmische Gesichtspunkte einen Dreck.
Investiert man jetzt deutlich mehr Geld in den Film, ist es aber höchst unsicher, ob sich der gewöhnlich Mensch diesen Film ansieht, denn erstens: Woher sollte er von der Existenz eines solchen Films erfahren? Und Zweitens ist es fraglich, ob viele Menschen die von Billigproduktionen einmal enttäuscht wurden, sich jemals wieder dem Experiment „Wir gucken einen Porno“ unterziehen werden.
So ist es allemal sicherer, die Kostenseite niedrig zu halten, damit wenigstens sicher ein respektabler Profit eingespielt werden kann. Dass dies die Regel ist, kann man an Abermillionen von produzierten Filmen sehen. Schade eigentlich nur, dass so eine ganze Sparte in Verruf geraten ist und sich aus diesem weder wird befreien können noch wollen. Derjenige, der sich anregen lassen will und über mehr als zwei Gehirnzellen verfügt, guckt (nicht) in die Röhre.
Was er da zu sehen bekommt, spottet jeder Beschreibung. Titten, Schwänze, Mösen, Ärsche und Fantasielosigkeit. Die meisten Pornos beginnen erst einmal mit fünf Minuten völlig abstruser Handlung oder, wenn es nicht gespielt sondern authentisch sein soll, mit einer nicht minder absonderlichen Einleitung (hast du schon mal Modeaufnahmen gemacht? *kotz*).
Am Ende dieser „Handlung“ steht nicht etwa das Entkleiden, sondern ein Blowjob. So sicher wie das Amen in der Kirche. Meist steht oder sitzt der Mann und ist auch fast vollständig bekleidet. Gut, der Schwanz muss rausschauen, aber mehr oft nicht. Die Partnerin sitzt oder kniet vor ihm und ist sich sichtlich angetan und hörbar begeistert. Und dies vor allem völlig natürlich! Kein bisschen gekünstelt oder so, glaubhaft und authentisch.
Um sie so weit zu bringen, musste er vorher entweder gar nichts tun, oder ihr wahlweise zehn Sekunden an den Nippeln lutschen, den Finger kurz in die Scheide stecken oder dreißig Sekunden den Kitzler zwirbeln, mehr brauchte sie nicht, um in Stimmung zu kommen. Deswegen raten einem ernstzunehmende Sexualratgeber auch immer dazu, das, was man in Pornos sieht, nicht für bare Münze zu nehmen oder gar eins zu eins in die Realität umzusetzen.
Danach widmet sich der Mann kurz oder sehr kurz der weiblichen Lust um sie dann zu penetrieren. Unter Garantie dauert es dann nicht lange, bis sie zum ersten Mal kommt, das natürlich auch, wenn sie zum Sex gezwungen wurde! Alle fünf Minuten etwa gibt es einen Stellungswechsel (selbstverständlich alles Stellungen, bei denen der Zuschauer möglichst viel sieht, also nicht unbedingt die natürlichsten) um ihr dann nach einer guten Viertelstunde den Penis in den Anus zu stecken. Dazu muss er seine Partnerin weder besonders vorbereiten, noch etwa ein Gleitmittel benutzen – ihr seht: es bleibt nahe an der Realität.
Je derber sie in ihren Hintern gevögelt wird, desto wahrscheinlicher ist ein letzter heftiger Orgasmus von ihr, denn die meisten Männer haben gehört, dass Frauen auch so etwas haben können und sind dann beruhigt, denn sie hatte ja schließlich ihren Spaß. Kurz vor Ende (das bedeutet dem Orgasmus des Mannes) wird’s dann hektisch, denn eines muss man wissen: Das Ejakulat des Darstellers ist nicht mit Gold aufzuwiegen und darf dementsprechend nicht verschwendet werden.
Warum es selten ist, leuchtet jedem sofort ein, denn nicht nur die Anzahl männlicher Ejakulationen an einem (Dreh)Tag ist äußerst beschränkt, sondern nimmt doch auch noch die Menge der austretenden Flüssigkeit von Mal zu Mal ab. Auf der anderen Seite sitzt wieder dieser ominöse Zuschauer, der ja bei der Frau nie wirklich weiß, ob sie spielt oder wirklich gekommen ist (wie im richtigen Leben). Ganz im Gegensatz zum Mann, dort gibt es ja einen sichtbaren Beweis und das, so die Denkweise der Produzenten, ist UNBEDINGTER Bestandteil eines „authentischen“ Pornos.
Also muss er, wo immer er auch gerade steckt, sein Ding rausziehen und damit er auf Nummer sicher geht, macht er das eine ganze Weile bevor er wirklich ejakuliert, masturbiert dann noch ein bisschen und bekleckert das, was ihm gerade vor die Flinte kommt. Anscheinend wünscht sich der dumpf vor sich hinbrütende Pornokonsument erniedrigte Frauen (oder was er dafür hält) und labt sich am Anblick von Frauen, die es geradezu genießen, wenn der Darsteller ihnen das Gesicht mit seinem Sperma bekleckert, was sie mit wohligen Geräuschen und verzückend blickenden Gesichtern quittieren.
Dieses wiederholt sich dann mit minimalen Änderungen drei oder vier Mal, bis dann endlich der Abspann kommt. Dazu gibt es eine Musik, bei dem einem die Ohren bluten und Dialoge, die an Wortwitz, Eloquenz und Natürlichkeit, ich sage mal, verbesserungswürdig sind. Das Schärfste war der Mann, der der Frau, bei der er gerade oral zugange war sagte: „Oh, das schmeckt so geil nach Muschi!“ Oh Himmelherrgott, wonach denn sonst, du Idiot? Nach Nutella? Senf? Fisch? Wonach soll sie wohl in ihrem Schoß schmecken, wenn nicht nach, wie sagte er doch gleich noch mal so wortgewaltig „Muschi“?
Dieser Dialog ist kein Einzelfall, sondern ist eigentlich schon ein langer Satz, immerhin mit Subjekt, Prädikat, Objekt. Oft erschöpfen sich die Äußerungen in: „Oh, ist das geil!“ und ähnlich geistreichen Sachen, doch meist wird nur unnatürlich (gerne auch synchronisiert) gestöhnt.
Schade, denn so bleibt es einem liberalen und denkenden Menschen verwehrt, sich auf diese Art anregen zu lassen, aber anscheinend ist der Markt zu klein und so wird eben weiter für den dumpfen Brüter produziert.
© 2007 Tilmann