wirkung von rotwein/auszug aus faz.net....
dieser beitrag steht so im internet unter faz.net, also ehe sich die doktoren hier wegen mir wieder die schlacht geben...grins
Genießen, entspannen und das Herz verwöhnen
30. Januar 2003 ELTVILLE. "Wein ist unter allen Getränken das nützlichste, unter den Arzneien das schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste" - so lautet ein dem Philosophen und Dichter Plutarch zugeschriebener Satz, der bis heute an Aktualität kaum etwas eingebüßt hat. Schon in der Antike war die heilende Wirkung des vergorenen Rebensaftes bekannt. Hippokrates verordnete Wein seinen Patienten als Schlaf- und Beruhigungsmittel, die römischen Befehlshaber führten auf ihren Feldzügen Wein als Desinfektionsmittel und als Antiseptikum zur Wundbehandlung mit.
Als therapeutisches wie schmackhaftes Heilmittel ist Wein inzwischen aus der Mode gekommen, aber seine vorbeugenden Wirkungen gegen Herzinfarkt, Thrombosen und Knochenschwund sind durch zahlreiche Studien wissenschaftlich belegt. Für den Volksmund ist das freilich wenig überraschend: "Es gibt viele alte Säufer, aber nur wenige alte Ärzte", das ist auch in den beiden hessischen Weinanbauregionen Rheingau und Bergstraße ein häufig zitiertes Sprichwort, wenn es um die wohltuenden Wirkungen des Weins geht.
In der Neuzeit gingen die Forschungen der Mediziner vom Phänomen des "French paradox" aus - und damit von der statistisch belegbaren Auffälligkeit, daß in den meisten südeuropäischen Ländern (Spanien, Portugal, Italien, Griechenland), vor allem aber in Frankreich, deutlich weniger Menschen an koronaren Herzkrankheiten sterben als etwa im Biertrinkerland Deutschland. Mit der ungewöhnlich niedrigen Herzinfarktrate der Franzosen setzten sich seit 1991 zahlreiche Wissenschaftler auseinander.
Sie erklärten diese statistisch signifikanten Unterschiede vor allem mit der Ernährung: Die Südeuropäer nehmen deutlich mehr Obst, mehr Gemüse und vor allem mehr Wein zu sich. All diesen Lebensmitteln wird ein hoher Anteil an Antioxydantien zugeschrieben, die die sogenannten freien Radikale unschädlich machen und damit einen der Hauptverursacher der Arteriosklerose.
In einer schwedischen Studie wurden 13 000 Menschen aus Kopenhagen im Alter zwischen 30 und 79 Jahren über einen Zeitraum von zwölf Jahren regelmäßig zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Ergebnis: Jene, die täglich zwischen 0,3 und 0,5 Liter Wein konsumierten, hatten ein um die Hälfte niedrigeres Risiko, vorzeitig an Herz-Kreislauf-Schwäche zu sterben als die abstinenten Probanden.
Ein amerikanischer Mediziner zog daraus den Schluß: "Wenn jeder erwachsene Amerikaner täglich zwei Gläser Wein tränke, würden die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die fast die Hälfte der Todesfälle in unserer Bevölkerung ausmachen, um 40 Prozent abnehmen, und es könnten jährlich 40 Milliarden Dollar Kosten eingespart werden."
Daß das "French paradox" zu belegen schien, daß die Franzosen vorwiegend ihrem trockenen Rotwein einen Schutz vor dem Herzinfarkt zu verdanken hatten, ließ die deutschen Winzer und Wissenschaftler nicht ruhen. An der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität entstand 1997 die erste umfassende klinische Studie zu den Auswirkungen von deutschem Rot- und Weißwein auf das Risikoprofil der koronaren Herzkrankheit. Jeweils 30 männlichen Versuchsteilnehmern im Alter zwischen 45 und 60 Jahren wurden über acht Wochen zum Abendessen 0,4 Liter trockener Riesling Kabinett, trockener Spätburgunder-Rotwein oder Wasser serviert.
Das Untersuchungsziel war primär der Vergleich der Wirkungen von Weiß- und Rotwein auf verschiedene Parameter der Blutgerinnung und des Fettstoffwechsels, denen bei der Entstehung von Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) und Thrombosen in den Herzkranzgefäßen hohe Bedeutung zukommt. Zudem sollte geklärt werden, welche antioxidative Wirkung der Wein hat.
Am Ende konnten die deutschen Winzer zufrieden sein: Sowohl beim Aufbau von Schutzfaktoren als auch beim Abbau von kardialen Risikofaktoren zeigten beide Weinarten im Vergleich zur nur Wasser trinkenden Kontrollgruppe positive Wirkungen. Weißwein ist demnach in seiner dem Herzinfarkt vorbeugenden Wirkung "dem Rotwein zumindest ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen". Sowohl Weiß- als auch Rotwein führten zu einer erhöhten Produktion des sogenannten HDL-Cholesterins. Zwar schienen die Effekte des Weißweins etwas später einzutreten, doch sei die Wirkung beider Weine im Endergebnis vergleichbar.
Wasser in den deutschen Wein schütteten dagegen Kölner Forscher an der Klinik für Innere Medizin der Kölner Universität. Sie fanden bei ihrer Studie heraus, daß nur im kleinen Holzfaß, im sogenannten Barrique ausgebaute Rotweine einen gefäßerweiternden Effekt haben und damit Herzinfarkte verhindern können. Anderen Rotweinen und vor allem Weißweinen könne diese Wirkung nicht zugeschrieben werden, meinen die Forscher, die für ihre Studie einen Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin erhielten. Ein Spätburgunder von der Ahr und ein Riesling von der Mosel zeigten keine gefäßerweiternde Wirkung. Zurückgeführt wurde der Vorzug der Rotweine vor allem auf den hohen Gehalt an Phenolen und Taninen beim Ausbau im Barrique.
Unumstritten blieb freilich auch diese Untersuchung nicht: Auf dem Europäischen Gesundheitsforum in Hofgastein wurde vor zwei Jahren ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien die vorbeugenden Wirkungen des deutschen Weißweins belege, auch wenn die Wirkungsweise nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt ist.
Dies freilich kann den Weinfreunden gleichgültig sein, solange jeder Schluck auch ein Beitrag zur eigenen Gesundheit ist. Und es ist nicht nur der drohende Herzinfarkt, der mit jedem Glas Riesling ein wenig unwahrscheinlicher wird. Amerikanische Forscher haben an 500 Frauen zwischen 65 und 77 Jahren herausgefunden, daß die Weintrinkerinnen unter ihnen signifikant höhere Knochendichten aufwiesen. Offenbar fördert der Alkohol im Wein einen Anstieg des knochenschützenden Östrogens, was das Deutsche Weininstitut, das Marketinginstrument des Deutschen Weinbauverbandes, prompt zu der Empfehlung "Das tägliche Glas Wein gegen Osteoporose" verleitet hat.
Wein gilt zudem als ein Mittel gegen die Bildung von Nierensteinen, Wein stimuliert den Organismus, fördert die Verdauung und die Produktion von Magensaft und Magensäure, und er schützt Magen und Darm vor Infektionen. Wein steigert das Wohlbefinden, stärkt das zentrale Nervensystem, fördert den Streßabbau, regt die Libido an und kann auch ein schlafförderndes Mittel sein. Französische Wissenschaftler schließen zudem nicht aus, daß die im Wein reichlich vorhandenen Polyphenole die Vermehrung von Krebszellen im menschlichen Körper hemmen.
Ob am Ende der Forschungsarbeit Wein wie schon vor 100 Jahren auf Rezept erhältlich ist, scheint indes kaum wahrscheinlich. Wein als Medizin muß sich jeder selbst gönnen. Bleibt die Frage nach der richtigen Dosis, denn sie allein macht bei Wein wie bei jedem Medikament den Unterschied zwischen Heilmittel und Gift. Viel hilft nicht viel, sonst kann sich die gesundheitsfördernde Wirkung umkehren und das Risiko schwerer Organerkrankungen erhöhen. Allgemein gilt, daß eine gesunde Frau täglich nicht mehr als bis zu 25 Gramm reinen Alkohol zu sich nehmen sollte, beim Mann gelten 30 Gramm als Grenze.
Weil Weine auf dem deutschen Markt sind, deren Alkoholgehalt von 5,5 Prozent (edelsüße Weißweine) bis 14,5 Prozent Alkohol (trockene Rot- und Weißweine aus südlichen Anbaugebieten) reicht, ist eine generelle Empfehlung schwierig. Ein Wein mit 12,5 Prozent Alkohol enthält 100 Gramm reinen Alkohol je Liter. Wer also einen in der Regel leichteren deutschen Kabinett bevorzugt, darf sich davon mehr schmecken lassen, als wenn er einen alkoholreichen Chardonnay aus Neuseeland bevorzugt. Allgemein sollte es nicht mehr als ein halber Liter am Abend sein, und wenn sich ein Pärchen in trauter Runde eine Flasche Wein (0,7 Liter) gönnt, dann profitieren Wohlbefinden und Gesundheit davon gleichermaßen.
OLIVER BOCK