Happy Valentine reloaded
Ganz ohne Zweifel haben wir der Neuen Welt viel zu verdanken. Da ist die Bereicherung unserer bis dahin unsäglich einseitigen Ernährung - zunächst mit Coca Cola, später mit Sandwich Spezialitäten, die uns besonders durch zwei typisch amerikanische Restaurantketten in Form von immer neuen und phantasievollen Variationen von Rindermett in Sesambrötchen schmackhaft gemacht wurden. Unter anderem auch mit eben diesen Restaurants hat das Land der unbegrenzten Möglichkeiten uns einen Teil seines liberalen Wirtschaftslebens näher gebracht: jedem Tellerwäscher steht der Weg zum Millionär offen, aber wer besonders verzweifelt nach Arbeit sucht, kann auch mit besonders wenig Lohn auskommen und wer sich geschickt mittels seiner Ellenbogen gegen seine Mitarbeiter durchsetzt, bekommt bald eine Beförderung und etwas mehr Geld.
Die Amerikaner haben uns aber nicht nur gutes Essen und Geschäftskultur geschenkt, sondern auch praktische Feiertage erfunden und einige davon haben wir - zum Glück! - gern importiert. So wie Halloween oder den Muttertag. Da wird Morgens Mama mit einem Gutschein für Hausarbeit und einem Blumenstrauß beschenkt und am Nachmittag Oma im Rollstuhl zum Seniorenteller beim Griechen gekarrt um danach wieder für zwölf Monate in Seniorenheim zu verstauben. Und fertig.
Der Valentinstag ist ebenso praktisch. Der Floristenverband muss, als er diesen Feiertag importiert hat, an alle armen Männer gedacht haben, die nach einem Leben voller Affären, Beziehungen und Ehen wirklich wichtigere Dinge im Kopf haben, als ausgerechnet das Datum des Hochzeitstages, den Tag an dem sie das aktuelle Verhältnis kennen gelernt haben oder das Datum der ersten Kopulation mit der Angebeteten. Reicht es nicht schon, wenn das Finanzamt in jeder Steuererklärung den Heirats- oder Scheidungstermin wissen will?
Seit wir Happy Valentine haben, können wir die endocephale Festplatte getrost mit Dingen füllen wie dem Gründungsjahr des Hauses Doornkaat 1806, dem unvergesslichen 12-0 Sieg von Borussia Mönchengladbach über Borussia Dortmund am 29.4.1978 oder dem 6.6.1983, als der HSV zum letzten Mal deutscher Meister wurde. Stellvertretend für alle Jubiläen von unseren Freundinnen und Ehefrauen - mögen sie sich nie begegnen - gibt es den Valentinstag. Nie wieder durch Sanktionen verordnetes Kopulationsdefizit wegen vergessener Hochzeitsstage.
Nicht einmal das Datum des Valentinstages müssen wir uns merken, wird der Gedenktag doch einige Tage vorher durch Werbespots und Plakate angekündigt, die auch gleich noch Vorschläge liefern, mit welchen Geschenken außer dem allfälligen Rosenstrauß wir uns das Wohlwollen unserer Partnerinnen sichern müssen. Ein schönes Valentinspräsent mit Blumen garniert garantiert sofortige Amnestie für den vergessenen Geburtstag und den Herrenabend mit den Kumpels am letzten Hochzeitstag. Wer sich in den letzten zwölf Monaten größerer Verfehlungen schuldig gemacht hat, vielleicht weil er die hübsche neue Mieterin von nebenan nicht sofort als Schlampe deklassiert, sondern etwas zulange angesehen hat, toppt das ganze Geschleime noch mit einer schön-kitschigen E-Mail einer Valentine-E-Card-Page und lädt die rechtmäßige Besitzerin seiner Geschlechtsorgane zu einem Candlelight-Dinner beim Nobelitaliener ein. Damit ist zumindest für die nahe Zukunft dem koitalen Notstand vorgebeugt.
Die Amerikaner sind schon praktisch denkende Menschen. Es lohnt sich durchaus, darüber nachzudenken, welche Feiertage noch zu uns passen könnten, haben uns unsere allzu knauserigen Politiker doch bereits des - zugegebenermaßen wenig aufregenden - 17. Juni und des Buß- und Bettages beraubt. Vielleicht könnten wir Thanksgiving von den Amerikanern übernehmen, immerhin gibt es da besonders leckere Truthähne aus Dosen und viel Whiskey und das altmodische Erntedankfest, das wir Stadtmenschen schon längst vergessen hatten, könnte mit entsprechendem Werbeeinsatz dabei gleich zu einem neuen Höhepunkt des Einzelhandels werden.