Ja, wenn man nicht alles selber macht..
Stimmt, der Film heisst "Everything is allowed". Micha O. ist mir da zuvorgekommen.
Leider hält der Film nicht, was der Trailer verspricht. In dem Zusammenschnitt des Trailers wirken die Aktionen so, als würden die Figuren ihren Trieben entgegen alle Hemmnissen und Tabus freien Lauf lassen: eine fulminante Feier des Triebs an und für sich, und Champagner für meine auch leicht ins Exhibitionistische neigende Phantasien. Je größer das Tabu, je verbotener der Akt, desto mehr Ehre und mehr Selbstbefreiung für den Trieb, und eine nicht eingeweihte Öffentlichkeit ist für jede intime Handlung nun mal einer der größten Tabus.
Mir reicht es völlig aus, wenn ein Film in der Lage ist, die Illusion einer solchen Befreiung in mir glaubhaft zu erwecken. Daher war für mich die Frage, ob das Ficken in Bussen, Kinos, Kneipen, Parks inszeniert ist, oder nicht, in etwa so von Belang, ob eine Autoverfolgungsjagd in einem Action-Film inszeniert ist, oder nicht.
So stört es mich noch nicht mal so sehr, dass etwa der Fick einer Postkutsche so vordergründig inszeniert ist, wie einem Softporno anno 1975, nämlich mittels Gegen-Schnitt-Technik zwischen aufgeregten Passanten-Gesichter und der Aktion in der Kutsche, so dass fickende Akteure und Passanten niemals in einem Bild zusammenzusehen sind - was die Illusionswirkung schon reichlich stört, sondern vielmehr: dass er die Illusion schon im Ansatz nicht aufkommen lässt, und zwar in einer Geisteshaltung, die schon der Titel verrät: Wo "alles erlaubt ist", kann auch keine Befreiung stattfinden.
Zwar gibt es (zunächst!) den Widerstand, also die überraschte Öffentlichkeit, aber was es nicht gibt, ist dessen wirkliche Durchbrechung, sprich: die alle Hemmung durchschlagende Rüclsichtslosigkeit, mit der sich die Akteure gegen ihre eigenen Tabus durchsetzen. Um deren Handlungsweise glaubwürdig zu machen, erfindet der Film eine Rahmenhandlung, die an die verlogenen Legitimationsstrategien der frühen Pornos aus den 70er Jahren erinnert.
Da ist ein junger Pornokonsument, ein armer Tropf, der vergeblich versucht, seine Phantasien in der Realität umzusetzen, und der sich beim weiblichen Geschlecht eine Abfuhr nach der anderen holt. So weit, so leider realistisch.. Aber es kommt noch schlimmer. Statt nun mittels etwa einer eigens erkorenen Verhaltenstherapie seine Schüchternheit zu überwinden (was ja ein toller Ansatz gewesen wäre), erscheint ihm eine gute Porno-Fee aus dem Fernseher, die ihm die Zauberkraft verleiht, sollte er ein Mädel ihre Hand mit seinem bloßen Geschlecht in Berührung bringen können, dass diese ihm sofort verfallen würde.
In der Folge erleben in sterotyper Wiederholung, wie der junge HipHop-Held Mädels anspricht, sich derweil unauffällig die Hose aufnestelt, die holde Hand der Damen schnell zu seinem Schwanz führt, dann macht es Zisch, so wie früher in einer Perwoll-Werbung, die Damen verwandeln sich in geile Hündinnen, die nun alles tun, was die Porno-Phantasie will. Es kommt aber noch schlimmer: Am Ende des Akts, und das ist nun wirklich das pure Gegenteil, was man sich von diesem Film erhofft hatte, ist alles, so, als hätte dieser tabubrechende Akt garnicht stattgefunden. Es macht wieder Zisch, und der einzige, der weiß, was passiert, ist der Held. Was der Film also als Minimum seines Reizes noch blieb, nämlich die Gesichter einer überraschten, entsetzten, erfreuten, erotisch animimierte Öffentlichkeit, wird vom Film als letzten Rest an Subtilität wieder einkassiert: Sozusagen "reine gemacht".
So zementiert der Film, indem er ein Tabu der Gesellschaftt scheinbar durrchbricht, und alles wieder zurücknimmt, was an ihm lustvoll sein könnte, das Tabu noch mehr als eine heute weitgehenst liberalisierte Gesellschaft: was eine unfreiwillige Zustandsbeschreibung der Porno-Industrie in unserer heutigen Gesellschaft ist.
Also liebe Mädels und Jungs: verderbt Euch nicht den leckeren Appetit-Trailer mit der unbekömmlichen Mahlzeit dieses Films.