Schlaglöcher
Da ist Ainer wohl mit seinen Gedanken durch ein paar Schlaglöcher gefahren.
"Dom - dev. - Zusammenhang mit dem biologischen Geschlecht? - Unfug."
Zunächst: wenn wir von der mittelhochdeutschen Bedeutung des Wortes "Geschlecht" absehen, wüsste ich nicht, welche anderen Geschlechter ausser den biologischen es auf dieser Erde gibt.
Dann: dem Zusammenhang von Geschlecht und dominanter oder devoter Neigung nachzudenken, gibt zumindest die JC-Umfrage hier Anlass. Von "Unfug" zu reden zeugt davon, schneller zu urteilen als zu denken.
Keiner hat bisher behauptet, dass ein Mensch, der als Frau geboren ist, qua Geschlecht "devot" sei, oder umgekehrt der Mensch, der mit einem Geschlechtsteil ausgestattet ist, immer "dominant" ist. Dennoch sind die statistischen Unterschiede der Selbstzuordnung von den JClern, die ihre Stimme abgegeben haben, eine Frage wert.
Weiter schreibt Ainer: "Für jeden und jede ist es bequemer, (erotisch) "devot" zu sein. Dominanz würde ja Entscheidungszwang bedeuten." In diesem Argument stecken mehrere Denkfehler. Erstens unterstellt Ainer, dass wir Menschen den Umstand, dass wir uns entscheiden müssen, immer als
Last empfinden, und zweitens unterstellt er, dass das Empfinden einer Last
unerotisch sei. Beide Gedanken sind völlig aus der Luft gegriffen. Zudem sind sie dem, was den Kick an Submissivität oder Dominanz ausmacht, völlig peripher.
Darüber hinaus widerspricht das Argument jeglicher Erfahrung, denn nach ihm müsste die absolute Mehrheit aller Menschen devot sein, weil es allemal bequemer sei, entscheiden zu lassen als selbst zu entscheiden.
Ich kenne einige Menschen, die in einigen Bereichen andere über sich entscheiden lassen, aber sie tun dies nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus
Angst.
Aber Ainer fährt noch härteren Tobak auf: "Wer sich ausschließlich "devot" begriffe, der wäre ein Lustabzocker / eine Lustabzockerin."
Damit fällt er ein
moralisches Werturteil. Abzocker sind solche, die sich an der Arbeit anderer bereichern, ohne selbst etwas dafür arbeiten zu wollen, und die dies tun können, indem sie die Gutmütigkeit oder Unwissenheit der anderen ausnützen.
Ein Mensch, der seinen erotischen Kick also ausschliesslich in der devoten Hingabe an einen anderen erreicht, würde sich seine erotische Lust
auf Kosten eines anderen verschaffen. Dieser Gedanke ist wiederum Unsinn. Denn er blendet vollkommen aus, dass der andere selbst ja durch die Devotion einen Lustgewinn erhält-
Und nun der dominante Gegenpart: "Wer sich ausschließlich "dominant" begriffe, der wäre ein Kontrollfetischist, unfähig, sich hingeben zu können, sich "fallen lassen" zu können."
Wiederum stellt Ainer ein moralisches Werturteil auf (und brät dabei noch allen Fetischisten eins über). Ein Mensch, der seinen erotischen Kick aus dominantem Verhalten erhält, ist
defizitär, denn ihm mangelt es an der Fähigkeit, sich "fallen lassen zu können", was nach Meinung Ainers ihn erst zum ganzen Menschen macht.
Ainer fasst das in seinem Schlusspassus zusammen: Hier sagt er, wie wir Menschen
sein sollten: manchmal devot, manchmal dominant, aber so, dass wir es nicht nötig haben, uns komplett auf eine Seite zu schlagen. Denn wenn wir das tun, sind wir "reichlich unreif" oder haben unsere Persönlichkeit auf eine "halbe" reduziert. An diesem Punkt von Ainers Argumentation wartete ich nur noch auf das Wort "krank".
Ainers Denken vertritt in meinen Augen das Denken Vieler: Menschen, die sich nicht auf das einlassen können, was
ist, sondern immer schon zuvor wissen, wie etwas
sein sollte. Und alles, was ist, aber in dieses Denkschema nicht hineinpasst, wird denunziert.
Lieblosigkeit wäre noch eines der sanftesten Attribute, die ich einem solchen Denken zuschreiben würde.
stephensson
art_of_pain