Claudias Worte haben in mir eine Erinnerung geweckt:
Ich kenne einige Familien, auch Alleinerziehende, die finanziell am rumkrebsen sind, wie ja fast alle und dennoch eine glückliche Familie sind, eben weil sie ihre Prioritäten anders, als manch andere setzen.
Ich war 1991 für zwei Monate in Argentinien. Dort hatte ich die Gelegenheit mit einem Freund, der ein soziales Projekt betreut hat, etwas hinter die Kulissen zu schauen. Argentinien ist ein Land, in der es relativ arme Menschen gibt. Dort ist das Thema Verhütung nur bedingt in den Köpfen und im Portemonnaie. Die Folge: es gibt dort viele kinderreiche Familien, die häufig bunt zusammen gewürfelt sind. Z.B. vier Kinder von vier Vätern und dennoch allein erziehend. Zum Teil scheinen die Frauen nicht zu wissen, wie sie zu den Kindern gekommen sind...
In einem dieser sozialen Projekte versucht die Stadt und die Kirche diese Alleinerziehenden Mütter mit ihren Kindern von der Straße zu bringen. Es wurde eine kleine Siedlung mit kleinen Häusern, die nur zwei Räume besitzen gebaut, in denen sie leben können. Was mich am Meisten an diesem Projekt in Erstaunen vesetzt hat, war die ungeheure Lebensfreude, die diese Menschen zum Teil ausgestrahlt haben. Da wurde trotz aller Mühen gelacht und gescherzt, die Kinder spielten und es war eine richtig lockere Atmosphäre.
Ich möchte die Situation in unserem Land nicht mit Argentinien vergleichen und schon gar nicht deren Lebensstil verherrlichen. Aber an der Lebensfreude dieser Menschen und wie sie dort mit schwierigen Situationen umgehen, sollte für uns z.T. ein Beispiel sein. Wir sollten nicht nur Misstände anklagen, sondern wir sollten uns immer bewußt sein, dass das Leben noch aus anderen Dingen besteht.
Insofern fällt es mit persönlich schwer, Argumenten wie "ich kann kein Kind in diese Welt setzen" zu folgen. Es war früher noch viel schlimmer und trotzdem sind wir ganz ordentlich groß geworden. In der Kinderfrage muss sich jeder an die eigene Nase fassen, ob er bereit ist, die Mühen und Einschränkungen (die nicht mit Geld aufgewogen werden können) auf sich zu nehmen und die Elternschaft zu akzeptieren und dafür etwas zu bekommen: die Freude, den eigenen Nachwuchs groß zu ziehen (auch nicht mit Geld aufzuwiegen). Kinder zu haben, gehört nach meiner Meinung in die Biografie eines Menschen.
Etwas anderes ist aber die ursprüngliche Frage nach einer maroden Familienpolitik. Ich denke, die Politik verfolgt die falschen Ziele und Werte. Man versucht viel, um zu höheren Geburtenraten zu kommen. Jedoch meine ich, dass man dabei die Familie aus den Augen verliert. Kinderkrippen für Dreijährige zu bauen und Möglichkeiten für die Frauen zu schaffen, berufstätig zu sein, kann ja nicht der Weg sein. Die Folge ist, dass sich die Familien immer weniger sehen ! Von der Großfamilie mit mehreren Generationen zur heutigen Kleinfamilie und die löst sich auch immer mehr auf. Wofür geben wir das auf ?
Die Familie gibt Schutz. Als im 19.Jahrhundert viele Menschen vom Osten in den Westen der USA zogen, sind viele davon in den Bergen eingeschneit und mussten dort überwintern. Die besten Überlebenschanchen hatten nachweisbar die Familien, auch die Alten und Kinder. Leider weiß ich nicht mehr, wo ich das vor Kurzem gelesen habe.
Wir geben heute die Kommunikation mit den älteren Generationen weitgehend auf und verzichten auf deren wertvolle Erfahrungen. Können wir das in Fabriken und Büros zurückgewinnen ?
Ich bin der Meinung, die Politik sollte eine Familienpolitik betreiben, in der die Familie einen höheren Stellenwert bekommt (mehr Familie, statt weniger). Vorschläge dazu habe ich ja schon früher in diesem Fred gemacht. Aber leider zeigen die Zeichen in die entgegengesetzte Richtung ...
Viele Grüße
Jürgen