Yay, was ne Diskussion!
Mir ist da aber auch noch etwas eingefallen: Ich denke, das eine "Funktion" von Kindern weggefallen ist: In dem GMX-Artikel steht ja etwas von einem Abfall der Geburtenrate nicht erst seit z.B. 15 Jahren, sondern eher seit vor 150 Jahren mit einem Knick um die Jahrhundertwende und nochmal in den 60ern.
Früher waren Kinder m.M. nach auch einfach eine Altersvorsorge - wenn die Eltern nicht mehr arbeiten konnten, wurden sie von den Kindern versorgt. Da waren mehr Kinder natürlich "sicherer", vor allem weil auch die Sterblichkeit noch ein wesentlich höheres Risiko darstellte als heute. Kurz vor Ende des 19.Jh wurde dann die Rentenversicherung eingeführt - die "Notwendigkeit" der Leute, (viele) Kinder als Altersvorsorge zu haben wurde geringer. Außerdem gab es um diese Zeit herum dann auch mehr oder weniger zuverlässige Verhütungsmittel für einen größeren Markt, und damit eine freiere Entscheidung, Sex ohne mögliche Schwangerschaft zu haben.
Es war also zum ersten Mal in der Geschichte für die breite Masse kein "Muss" mehr, Kinder zu bekommen, sondern auch eine anderweitige Entscheidung war überhaupt erst möglich.
Was nun die Politik betrifft (und ja, erstmal halb-OT, sorry) - macht euch doch mal frei von dem Gedanken, unsere Regierung sei eine Volksvertretung, die im besten Interesse ihrer Wähler handelt. Sorry, aber das zu denken finde ich sehr blauäugig. Es mag ja sein, das viele junge (und auch ein paar ältere) Menschen voller Idealismus in die Politik gehen, und alles besser machen möchten. Aber der Idealismus wird ihnen doch löffelweise abgeknöpft, bei jedem Schritt auf dem Weg nach oben.
Die Regierung ist eine Institution, die das Wirtschaftssystem Deutschland am Laufen hält, und das möglichst profitabel. Die "Manpower" ist dabei nur eine Variable in der Gleichung - vielleicht eine wichtige, und eine die oft auftaucht, aber mehr nicht(und manchmal auch eine, die im Zaum gehalten werden muss... aber das würde nu völlig abdriften) Und (um mal langsam wieder den Schlenker ins Thema zu kriegen) für den Produktionsfaktor Mensch wird eine gewisse Verantwortung übernommen (die es vor ein paar hundert Jahren so nicht gab) die über den Schutz vor fremden Mächten mit dem Schwert hinausgeht. Aber ein soziales System und ein wirtschaftliches System haben eben nur ein gewisses Maß an Überschneidungen. Irgendwann wird die soziale Richtung unwirtschaftlich, und dann steht eine Entscheidung über den Kompromiss an.
Und hier wird vom Staat natürlich, als Gegenleistung für die Wiederwahl und die monatlichen Abgaben, eine möglichst hohe Absicherung gefordert - um sich Kinder und/oder den Lebensstil leisten zu können.
An dieser Stelle hakt es bei mir ein wenig im Verständnis aus: Wenn ich mir etwas nicht leisten kann, was ich nur durch meine freie Entscheidung bekommen würde - dann lasse ich das doch. Wenn ich weiß, daß ich nicht genug Geld habe, einem Kind das von mir als gut erachtete Maß an Nahrung(squalität), Kleidung und geistiger Entwicklung zu ermöglichen - dann lasse ich das sein. (Was aber auch an meiner Einstellung liegt. Ich habe schon Leistungen, die mir rein rechtlich zugestanden hätten, ausgeschlagen - weil ich von "denen" nichts geschenkt haben will. Ich bin so "unsozial", das nicht alles mitzunehmen)
Und wenn ich partout ein Kind wollte, und mir das aufgrund welcher politischen Details in Deutschland auch immer nicht möglich oder genehm wäre, dann würde ich meine Sachen packen, und das Land wechseln - das wäre mir der Herzenswusch doch wert.
Wer sich also nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegen Kinderkriegen entscheidet, hat sich gegen die soziale Gemeinschaft entschieden und sich als Egoist geoutet.
Aber der, dass "ich kann meinen Lebensstandard nicht mehr halten" ist wohl der niederträchtigste von allen.
Da sind nun Äußerungen, die ich nicht nachvollziehen kann. Ich würde z.B. eher sagen, wer sich die 75.000€ Karosse oder für 45.000€ Schmuck leistet, anstatt das Geld in die soziale Gemeinschaft fließen zu lassen, hat sich als Egoist geoutet. Warum sollte jemand bei der Entscheidung, was er mit seiner Kohle macht, freier sein als mit der (wesentlich persönlicheren) Entscheidung, ob er Nachwuchs haben möchte oder nicht?
Und was ist daran niederträchtig, ein Merkmal seines Lebens als vorrangig zu erachten, und diesem auch entsprechende Priorität einzuräumen, solange es niemanden schädigt?
Als niederträchtig erachte ich es da eher, erst (wie es sich gehört) Kinder in die Welt zu setzen, und sie dann mangels Interesse, nervlicher Stärke, finanzieller Kompensation oder was auch immer, vor Medienschleudern vergammeln zu lassen, oder zur Zielscheibe der eigenen sozialen Inkompetenz zu machen (Super-Nanny und Turnabout-Ranch lassen grüßen).
Daher denke ich, es mag für viele wie Egoismus aussehen(oder sich leicht und aus welchen Gründe auch immer so titulieren lassen), sich gegen die Zeugung von Kindern zu entscheiden. Ich denke, das ist eine Entscheidung, die wie alle anderen lebenszentralen Entscheidungen, völlig frei bei jedem einzelnen liegen soll (und die erst seit relativ kurzer Zeit in der Menscheitsgeschichte auch frei getroffen werden kann, wenn ich nicht gerade asketische Lebensstile o.ä. einbeziehe) und weder die, die sich dafür entscheiden, noch die, die sich dagegen entscheiden, sollten den jeweils anderen dafür etwas anlasten oder neiden, sondern nur die Verantwortung für die in ihrem eigenen Leben daraus entstehenden Konsequenzen tragen. Und da sehe ich auch einen Teil der Antwort auf Cerbis Frage - diese Entscheidung wird inzwischen auch oft für ein Dasein ohne Nachkommen getroffen.
Egoismus fängt m.E. erst da an, wo eine Entscheidung (z.B. für Kinder) getroffen wird, und danach die Bereitschaft fehlt, auch dafür die Verantwortung zu tragen.
Darki