Schützenswerte Ehe? (Achtung, lang)
Wir haben keine gemeinsamen Kinder, jeder ein eigenes Auskommen, keine gegenseitigen Kontenvollmachten.
Solange wir auf diese Art und Weise zusammenlebten, liebe love4eva, erfüllten wir das von Jürgen beschriebene Ideal ganz prima ohne Trauschein.
Nach meiner Meinung ist es viel besser, wenn beide Partner auf gleicher Augenhöhe und vergleichbar stark sind. Dafür ist eine Ehe nicht erforderlich. Im Gegenteil: wenn dadurch ein Ungleichgewicht in die Ehe kommt, ist die Gefahr gegeben, dass sich die Kräfteverhältnisse zu Ungunsten eines Partners verschieben. Und dann verlieren beide.
Spannend wurde es, als eine/r von uns seinen Arbeitsplatz zu verlieren drohte bzw. später tatsächlich verloren hat. Es stellte sich heraus, was derridesse schrieb:
in der regel bedeutet das aber, dass partnerschaften ohne ehe-status pflichten implizieren, jedoch keine rechte.
Ganz konkret bedeutet dies z. B.
Wenn eine 35jährige berufstätige Frau mit ihrem 18-jährigen Sohn (Schüler) zusammenlebt und dessen jüngere Geschwister ebenfalls versorgt, gilt sie nicht als alleinerziehend im Sinne des Gesetzes - denn ihrem Haushalt gehört ja eine zweite volljährige Person an. Steuer- oder Splittingvorteile? Fehlanzeige!
Wenn ein 30-jähriger berufstätiger Mann mit seiner 20jährigen kinderlosen Ehefrau zusammenlebt, genießt dieses Konstrukt den vollen Schutz des Grundgesetztes für Ehe und Familie und dementsprechende Steuervorteile, die je nach Bruttogehalt ein paar hundert Euro im Monat ausmachen.
Wenn ein 50-jähriger, lediger Neffe die Verantwortung für seine pflegebedürftige, alte Tante mit Minirente übernimmt und mit ihr zusammenzieht, damit sie nicht ins Heim muss, ist das steuerrechtlich sein 'Privatvergnügen'.
Eine 50-jährigem berufstätige Ehefrau eines pflegebedürftigen greisen Ehemannes genießt die Splitting-Vorteile.
In diesem Sinne finde ich die klassischen Gesetze
'zum Schutze der Ehe und Familie' extrem familienfeindlich.
Ich finde, wenn jemand - ganz gleich wie die Beziehungsverhältnisse sich im Detail gestalten - ein
commitment (im Sinne von: verbindliche Zusage, Bindung, Hingabe, persönliche Haftung, Engagement, Einsatz (Mitarbeit) oder bindende Verpflichtung) gegenüber abhängigen, hilfebedürftigen Personen eingeht, sollte dies vom Staat unterstützt werden. Verlangt wird es ja sowieso.
Um den Kreis hilfsbedürftiger Personen nicht ohne Not auszuweiten, stimme ich love4eva uneingeschränkt zu, wenn sie schreibt:
Ferner sollte schnellstens dafür gesorgt werden, dass die Mutter wieder ins Erwerbsleben (um für sich autark zu sein) zurück finden kann.
Was Selina dazu schreibt, empfinde ich als persönlichen Angriff auf meinen vorherigen Beitrag.
außerdem die aussage wegen kindererziehung und hausarbeit sind sie zu hause geblieben und haben keine arbeit bekommen...das ist für mich vorgeschoben...ist nur ne frage für was man bereit ist zu arbeiten...in unsere familie sind immer die frauen arbeiten gegangen...drei kinder nebenbei großgezogen...putzen gehen...altenpflege etc...das ging
Stimmt, Selina,
solche Jobs bekommt frau immer - wie eine vierköpfige Familie von dem, was eine Reinigungskraft oder ungelernte Altenpflegekraft verdient, tatsächlich leben und die Kinder nicht nur
nebenbei großziehen kann, ist mir persönlich ein Rätsel.
In solchen Jobs (ebenso in der Gastronomie, als Friseurin ode in anderen
typischen Frauenberufen) arbeitet man entweder sehr viele Stunden zu extrem ungünstigen Arbeitszeiten, um damit auch nur das Existenzminimum zu verdienen oder man verdient so wenig, dass sogar Hungerkünstlerinnen davon keine Familie ernähren können. Oder man lebt von anderen Einnahmen (Familienunterhalt während der Ehe durch einen besser verdienenden Partner, nachehelicher Unterhalt, Stütze o.ä.) und verdient als Frau nur etwas
dazu.
Gegen das
Dazuverdienen spricht gar nichts, solange es nicht als Totschlagargument gegen die Wünsche von Frauen eingesetzt wird, die wirkliche Autarkie anstreben - nicht nur nach einer Ehe, sondern auch schon während einer solchen, einfach um die von Jürgen angesprochenen Ungleichgewichte zu vermeiden.
Als alleinerziehende Mutter wurde mir wenigstens zähnknirschend das Recht auf eine existenzsichernde Bezahlung und den entsprechend qualifizierten Arbeitsplatz zugestanden - als Ehefrau und Mutter eines Kleinkindes nehmen mich die Personalverantwortlichen gar nicht mehr als ernstzunehmende Bewerberin wahr - außer ich bewerbe mich auf die typischen "Taschengeld für Mutti"-Jobs, die Selina anführte.
Ich will mich doch nicht scheiden lassen, nur um wieder einen interessanten Job zu bekommen! Wo leben wir denn?
In dieser Hinsicht ist West-Deutschland wirklich ein Entwicklungsland.
Auf amazon.de schreibt ein Dr. Kübler in einer Rezension des neuesten Machwerks von Eva Herman
Alle paar Wochen drängt ein neues Frauenbuch zur Familienproblematik auf den Markt. Wie nett! Dabei ist das überhaupt kein Frauenproblem, Untersuchungen haben nämlich ergeben, daß sich vor allem die Männer heute keine Kinder mehr wünschen.
Und wie sieht denn deren Wirklichkeit aus? Ein Mann könnte kinderlos bleiben, häufig mal seine Sexualpartnerin tauschen, sich ungezwungen um die interessantesten Jobs bemühen oder es etwas leichter nehmen und nur für ein ausreichendes Einkommen für sich und niemanden sonst sorgen, so wie es die modernen Frauen ja auch wollen. Auch kann er dann oft in Urlaub fliegen und viel für seine Altersversorgung tun. Ein solcher moderner Mann bliebe auch mit einer Partnerin kinderlos, die selbstverständlich ihr eigenes Einkommen hätte.
Damit wir auf 2 Kinder pro Frau kommen, müßte es also daneben eine weitere Familie mit 4 Kindern geben. Die Frau würde dann als Hausfrau und Mutter zu Hause bleiben (wie es Eva Herman als richtig ansieht) und er wäre der Alleinverdiener. Die Familie hätte also nur ein Einkommen, dafür umso mehr Ausgaben. Eva Herman lehnt aus guten Gründen ein Erziehungsgehalt ab und fordert stattdessen Steuererleichterungen für Familien. Welche Steuern denn, bei einem Gehalt und 4 Kindern?
Aber es kommt noch dicker: Seine Ehefrau könnte ihn verlassen, zum Beispiel weil er öfter Überstunden macht und sich seltener zu Hause blicken läßt. Sie hat einen anderen Kerl gefunden, sich in ihn verliebt und bald ist sie auch schon ausgezogen, mit allen Kindern natürlich, denn er hat ja für die Kinder keine Zeit, er muß arbeiten. Zerrüttung nennt man das, eine weitere Erfindung der Frauen. Also bezahlt er für den Rest seines Lebens Unterhalt für seine vier Kinder und wohl auch noch für seine Frau, obwohl von seinen Kindern in erster Linie die Kinderlosen was haben (wenn seine Frau in eine andere Stadt zieht, sieht er seine Kinder kaum noch), denn die kassieren später die Rente. Das muß nicht so eintreffen, aber es könnte so, und das ist entscheidend.
Die Frauen können auch noch die nächsten 5.000 Jahre über dieses Problem diskutieren: Emanzipation hü, Emanzipation hott, Familie ist für heutige moderne Männer dermaßen unattraktiv, daß sie sich massenhaft davon verabschieden. Das hat nichts mit einem Werteverlust zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand, der wenigstens auf Seiten der Männer gelegentlich noch vorzufinden ist. Wer möchte schon mit seinem Leben Harakiri spielen, man hat ja nur dieses eine.
Typisch ist allein schon die Konstruktion des Familienministeriums. Da ist von Familien, Frauen, Jugend und Senioren die Rede. Moment mal, gibt es da nicht noch eine nennenswerte weitere Bevölkerungsgruppe, deren Interessen vielleicht zu schützen wären???
Deshalb liebe Frau Herman: Es ist nett, daß Sie sich Gedanken um Familie und so machen, wir Männer wollen das aber nicht so. Wir wollen unter den heutigen Bedingungen weder das Hausmütterchen, was uns arm macht und jederzeit auf ruinöse Weise verlassen kann, noch die Emanze, die meint, wir sollten nach einem stressreichen Job auch noch die Windeln wechseln. Wir wollen das nicht! Deshalb geht euer ganzes Geschreibe ins Leere, denn ihr diskutiert die ganze Zeit Probleme, die ihr zwar geschaffen habt, die aber nicht eure sind. Und deshalb stellen immer mehr Männer ihre Ohren auf Durchzug, wenn Frauen etwas über Familie sagen oder schreiben. Mein Rat: Kümmert euch stattdessen um eure eigenen Probleme.
Dr. Kübler beschreibt hier sehr treffend, was ich in meiner Umgebung sehr oft beobachte:
Frauen (Vollzeit- gegen Teilzeitmütter, aktuelle Gefährtin gegen Ex-(Ehe-)Frau, Schwiegermütter gegen Schwiegertöchter etc.) kriegen sich in die Haare, weil das
Commitment von anderen Frauen entweder als selbstverständlich angesehen oder als unzureichend bemängelt wird.
Männer fühlen sich übervorteilt, mauern, weichen aus oder schalten die Ohren auf Durchzug, wenn die Blümchen (=die Frau) ihnen nicht nur süßen Nektar (=Sex) geben, sondern auch Pollen (=Nachwuchs und die damit einhergehenden nicht nur finanziellen, sondern auch emotionalen und zeitlichen Verpflichtungen) anhängen wollen.
Die Leidtragenden sind die Kinder (so sie denn gezeugt und geboren werden), wenn ihre Eltern die Herausforderungen einer trotz allem gelingenden Partnerschaft nicht meistern, die Alten (besonders die, die sich aus finanziellen Gründen nicht aussuchen können, wo sie leben möchten), Mütter mit kleinen Kindern, wenn sie glauben, dass die 24/7-Rundum-Betreuung eines Kindes durch eine Person weder der Mutter noch dem Kind guttun und natürlich alle Menschen, die von Geburt an oder durch Krankheit oder Unfall plötzlich behindert und auf die Unterstützung ihrer Artgenossen angewiesen sind.
Wenn das viele Geld, das gut dotierte Alleinverdiener dafür bekommen, dass sie sich zu ihrer persönlichen Bequemlichkeit eine nicht erwerbstätige Ehefrau gönnen, tatsächlich direkt denen zu Gute käme, die sich um bedürftige Menschen liebevoll kümmern, solange diese das brauchen, wäre schon viel gewonnen.
Wenn ich sehe, dass das Glas Mineralwasser für 8 Euro in der Nobeldisko mit 7% und das Paar Kinderschuhe für 20 Euro beim Schuhdiscounter mit 19% besteuert wird oder die o.g. Beispiele von Lebensgemeinschaften zwischen Menschen unterschiedlichen Lebensalters und unterschiedlicher finanzieller Leistungsfähigkeit betrachte, stimme ich nurich zu, der schrieb
Ich finde in diesem dekadenten Staat gehen Dinge vor da muss man sich permanent an den Kopf fassen.
Trotz allem bin ich gerne mit meinem Herzliebsten zusammen - egal wie sehr die äußeren Umstände dies erschweren. Angenehmer war für uns das Zusammenleben ohne Trauschein, solange wir beide autark waren - bezahlbar ist die Verantwortung für einen (warum auch immer) nicht berufstätigen Partner heutzutage hierzulande nur mit Trauschein.
Ratlos grüßt alle Mitschreibenden Bianca