Spannend, dass heut zu Tage noch jemand staunend die unglaubliche Vielfalt, gerade auch in sexueller Hinsicht, in Frage stellt. Schließlich gibt es doch "zum Glück" diese Fernsehreportagen, die uns jedes Extrem (von Unersättlichkeit bis zu totaler Enthaltsamkeit genau wie die außergewöhnlichsten Vorlieben und Fetische) näher bringen.
Klar ist jeder Mensch in gewisser Weise einzigartig, die große Spanne der "individuellen Persönlichkeiten" entspringt aber den Extremen. Dazwischen gibt es eine gewaltige Masse an "Durchschnittstypen" die eben doch nicht so verschieden sind. Wer nicht selbst in irgend einer Weise extrem ist, wird diese existenten Unterschiedlichkeiten nur selten persönlich erleben. Zum Einen, weil einem die Masse der Leute doch viel ähnlicher ist, zum Anderen, weil man geneigt ist sich aufgrund seiner Sozialisation mit "seines Gleichen" zu umgeben. Außerdem ist es bei der Anzahl von Sexualpartnern, die ein einzelner Mensch im Laufe eines Lebens schafft und 7 Milliarden Menschen auf der Welt, bis auf vereinzelte Überraschungen unmöglich tatsächlich ein Bild von der Vielfältigkeit zu erlangen.
Und man darf auch das bestreben um die Individualität des Menschen nicht unterschätzen, denn schon heute ist deutlich zu erkennen, dass bewusst und gezielt individualisiert wird. Man möchte sich bewusst von der Masse abheben!
Ja, aber man darf das Bestreben nach Individualität, gerade im Hinblick auf die Sexualität, auch nicht überschätzen.
Wenn es um Triebhaftigkeit geht, ist diese ohnehin nur sehr bedingt bewusst beeinflussbar. Man kann einen Trieb bis zu einem gewissen Grad unterdrücken, aber nicht wirklich herbeiführen. Er ist da oder eben nicht.
Vor einigen Jahrzehnten war das Sexleben noch Ausdruck sich von der spießbürgerlichen Elterngeneration abzugrenzen, besonders / anders zu sein. Es gab also tatsächlich eine Motivation, für sich selbst, nach sexueller Individualität zu streben. Die Entwicklung von zuverlässigen Verhütungsmitteln, die Vögeln "ohne Reue" ermöglichten, tat ihr übriges den Forscherdrang beim Sex zu unterstützt und eine zuvor nicht gekannte Vielfalt von sexuellen Aktivitäten hervorzubringen. In der 3./4. Generation seit Erfindung der Pille und einer fortgeschrittenen Offenheit innerhalb der Familien, was Sex angeht, kommt dieses intrinsische Motiv nicht mehr in dem Umfang zum tragen.
Wenn man aber jemand ist, der danach strebt individuell / besonders zu sein, macht man das auch, um es nach außen zu zeigen. Das Sexleben ist da, gestern wie heute, sicher nicht das erste Mittel der Wahl.