Streunerin wird wahrscheinlich lachen, wenn ich meinen Standardspruch raushole: Ich brauch keine Schublade.
Aber ich finde eben, jeder zieht sich den Schuh selbst an oder aus. Viele Jungs sind eben noch nicht so weit - werden es vielleicht nie sein - dass sie sich von ihrem Label "hetero" befreien können. Sie denken, eine sexuelle Hauptidentität zu haben wäre besser als nichts. Wenn jemand mal fragt, was ich bin, kann ich das wie aus der Pistole geschossen antworten - ich brauch es mir ja nur von der Stirn ablesen.
Und ja, ja, die lieben Bi-Männer. Das ist schon eine Bande für sich. Ich habe bis jetzt kaum welche kennen gelernt, die Bisexualität als Identität leben (wollen) wie etwa Schwule oder Lesben. Neulich traf ich bifriendbln (Gruß an dich!), der von Beziehungen (!) zu Männern und Frauen berichten konnte. Na das ist doch mal was. Wer ernsthaft meint, seine sexuelle Genesis umschreiben zu müssen, nur weil er sich dabei erwischt hat wie ihm beim Anblick eines steifen Pullers auf DVD etwas murmelig wurde, der sollte sich mal fragen, ob er es denn mit nem Kerl in einer Beziehung überhaupt aufnehmen könnte. Welche Rolle er dort spielen würde. Was er zu geben bereit wäre. Ich neige ja sehr zu Kinseys Grauskala, aber man muss nicht bei 2% über Normalnull schon anfangen, beim Teetrinken den kleinen Finger abzuspreizen. Es gibt Menschen, die haben größere Probleme mit ihrer Identitätsfindung als "Ich steck mir Dinge in den Po, bin aber nicht schwul, wirklich!"
Im übrigen hab ich aufgehört darüber nachzudenken, was wohl auf meiner Schublade steht, als ich mich mit Frau, Kind, homoerotischen Jugenderfahrungen, nem gelegentlichen Fisting-Partner, einem Gayromeo-Profil und "The L Word" als Lieblingsserie eigentlich immer noch ziemlich hetero gefühlt habe. Bis mir aufgefallen ist, dass ich sowieso nicht das Schild meiner Schublade sehe, wenn ich drin sitze.
Was macht es schon für mein Leben aus, wenn mich jemand, der mich wahrscheinlich genauso wenig kennt wie ich ihn, für schwul hält? Das Schild klebt nicht an mir, es ist im Kopf derer, die mich betrachten. Wer zu den wenigen Menschen gehört, denen ich was bedeute, der kann damit umgehen, dass ich schwuterosbisch bin. Ich brauch keine Schublade.