Anekdoten und Hinweise zu Reisezielen II
Sie haben es geschafft, das winzige Hotel so zu gestalten, dass ein kleiner Innenhof entstanden ist. Rings herum sind in mehreren geschossen die Zimmer angeordnet. Auf dem Weg in das Zimmer kann man durch Rundbögen hinab blicken. Dort stehen gedeckte Tische: das Frühstücksareal. Es liegt im ersten Geschoß, darunter ist das Restaurant. Auf diese Weise besteht kein Zeitdruck und man braucht nicht die Frühstücksgäste hinaus zu scheuchen, um im Restaurant das Mittagessen vorzubereiten.Auch ich habe dort Platz genommen und mich gerade am Büffet bedient. Die Stimmung ist geradezu festlich, denn die Tische sind mit weißen Decken, die bis zum Boden reichen gedeckt. Ich bin nicht als Einziger hier, die runden Tische sind gut besetzt. Gedämpfte Unterhaltung, keine dröhnenden Fußballfernseher billiger Business Hotels. Die Bedienungen tragen schwarze Spitzenröckchen unter denen schwarzbestrumpfte Beine Männerblicke auf sich ziehen.
Ich spreche eine Bedienung an und erfahre, dass die Frühstückszeit schon lange vorbei ist, aber man stelle das Büffet noch bis zwei Uhr Nachmittag zur Verfügung. Erst danach wird umgebaut für die Kaffeestunde.
Als ich meine Füße ausstrecke, bemerke ich, dass viel Platz ist, hinter den Vorhängen der tief herabhängenden Tischdecke. Nur ein zentrales, massives Tischbein verleiht die nötige Stabilität. Als ich meine Füße entspanne, landen sie auf einer weichen Polsterung am Fuß des Tisches. Nun bemerke ich auch, dass die Sitzfläche der Stühle eigenartig gestaltet ist. Man sitzt weit vorne und in der Mitte ist sogar eine Aussparung, nur seitlich der Aussparung liegen die Oberschenkel zumindest ganz oben ein bisschen auf.
Ich schlürfe meinen Tee und lasse den Bick schweifen. An manchen Tischen sitzt nur eine Person. Zumeist sind es Männer. Keine Seltenheit, bei Hotels in denen man als Geschäftsreisender landet. Eigenartig ist nur, dass der zweite Platz an diesem Tisch auch eingedeckt ist, und dass an diesem Platz gegessen wurde. Die Männer an diesen Plätzen blickten merkwürdig stier und aßen nicht. Vielleicht mal mit zitternden Händen ein Schlückchen Kaffee.
Da bauscht sich neben einem dieser Männer die Tischdecke und eine Frau krabbelte heraus! Sie richtet sich auf und setzt sich neben dem Mann. Sie küssen sich. Lange. Länger als ein Frühstücksbussi. Dann zieht sie ein Spieglein hervor, zupft ihre etwas ramponierte Frisur zurecht und erneuert mit einem Stift das Rot ihrer Lippen.
Auch an einem anderen Tisch bauscht sich die Decke. Hervor krabbelt ein junger Herr. Auch seine Haare sind etwas durcheinander, und bevor er seine Begleiterin küsst wischt er sich mit der Serviette Mund und Nase ab.
Bei einem Tisch gucke ich genauer hin, als sich das Tischtuch bauscht. Richtig! Die Lippen dieser Frau sehen aus, als hätte sie einen Cappuchino genascht, da unter dem Tisch.
In der Mitte des Frühstücksbereiches steht ein größerer Rundtisch. Dort haben drei Paare Platz genommen. Und wieder gibt es gedeckte, unbesetzte Plätze. Dieses Mal sind zwei Plätze unbesetzt. Aus dieser Richtung höre ich auch gedämpftes Kichern ohne die zugehörigen Gesichter zu sehen.
Nun untersuche ich nochmals mit tastenden Füßen den Raum hinter der Tischdecke und ich verstehe, warum da so bequeme Pölster sind, am Fuß des Tischbeins. Mir schwant auch, warum die Sitzflächen der Stühle so eigenartig gestaltet sind: Aussparungen an strategischer Körperstelle, für männliche und weibliche Gäste gleich gut geeignet!
Eine jener langbeinigen Bedienungen lächelt mich an und fragt mich, ob sie mir etwas servieren könne, an meinem Frühstückstisch. Ich lehne ab und bedanke mich. Wieder einmal beginne ich, zu bedauern, dass meine Liebste nicht mitkommen konnte, bei dieser Geschäftsreise, und dass ich allein am Tisch sitzen muss.