Verrucht
Liebe Sechz'ger Plus,Die Zeiten des Fortpflanzungsauftrags liegen hinter uns. Die Empfindungen und Gefühle, als evolutionsgegebene zuverlässige Werkzeuge, sind aber immer noch da. Es dämmert die Zeit der Wahrnehmung. Nichtmehr sündiges Nachhetzten der Spur, die uns das Leben zu seinem Fortbestand gelegt hat. Jetzt können wir die Pfade bewusst und aufmerksam begehen, und dabei jedes Blümchen am Wegesrand würdigen, über welches wir in früheren Jahren gierig und hastig hinweggestürmt sind.
In einer Nachbargruppe wird das Hinsinken in Entspannung reflektiert: welch schöne Gedanken dort zu lesen sind! Tantra: Entspannungs- versus Anspannungsorgasmus
Mir aber kommt ein ziemlich dunkles Blümchen in den Sinn, über welches ich dort nicht reden könnte:
Die Verruchtheit!
Worin besteht der Reiz des Verruchten? Warum liegt der Begriff so nahe an der Sprachwurzel "riechen – Geruch"? Ist es vielleicht so, dass es lustvolle Tiefen gibt, in die nur der Geruchsinn vordringen kann? Warum das Verwerfende "Ver-" als Vorsilbe?
Wer spürt der Verruchtheit nach? Gestehen wir Oldies uns das zu? Oder ist es vielmehr so, dass wir uns brav und konsumgetreu in einer sauberen Welt aufhalten, in der wieder und immer wieder einheitlich alles als "geil" klassifiziert wird, was uns auf spannende Nebenwege führen will?