Und noch mal Kindermund.
Trauerhalle des Friedhofs. Der geschmückte Sarg steht umringt von schön drapierten Kerzen und Kränzen vorne. Der Pfarrer ist mit seinen Zeremonien beschäftigt, was die Trauergemeinde mehr oder weniger interessiert verfolgt. Besonders aufmerksam ist mein kleiner Bruder, der von Tod und Beerdigung noch nie was gehört oder erlebt hat.
Ihm war nur gesagt worden, dass Frau H. gestorben ist und, dass er mitgehen dürfe zur Beerdigung. Da macht sich ein kleiner Junge so seine Gedanken. In die Stille hinein flüstert er sehr vernehmlich:
„Mutti, wo ist denn die Frau H.?“
„Schsch...., da vorne zwischen den Kerzen.“
„Was, in der Kiste?“
„Schsch.... ja, sei leise.“
Päuschen, die Mutter atmete auf.
„Warum ist die denn in der Kiste? Was macht sie denn da?“
In der Trauergemeinde zucken die ersten nach einem Taschentuch, das die unterdrückten Lacher kaschieren soll.
Meine Mutter guckte streng, ruckelte an ihrem Sohn, damit er endlich still sein sollte. Es ging aber weiter.
„Warum sind an der Kiste denn die Henkel dran?“
In ihrer Not versetzte die Mutter ihrem Sohn eine Kopfnuss - mit dem Ergebnis, dass er fürs erste schwieg. Das Ereignis nahm seinen Lauf, der Sarg wurde abgesenkt ..... Alle machten sich auf den Heimweg. Das Kind hatte offensichtlich reichlich Kopfkino und verhielt sich still, bis auf einmal ...
„Eigentlich schade, dass die jetzt in der Erde ist. Die hätte man doch noch gut brauchen können!“
„Wie - brauchen?“
„Ja, die hätte man doch gut noch als Nubbel verbrennen können.“
Ich war ja nicht dabei, kann mir aber gut vorstellen, wie meine Mutter sich in der Straßenbahn gefühlt hat. Das Geplapper des blondlockigen Dreikäsehochs hat wohl für reichlich Freude bei den Umstehenden gesorgt. Das Erlebnis dieser Beerdigung ist wahrscheinlich mit ein Grund dafür, dass mein Bruder immer noch nur mit großem Unbehagen an Beisetzungen teilnimmt.
A/w
PS:
Nubbelverbrennung
Nubbel ist eine um 1950 aufgekommene Bezeichnung für eine traditionelle, angekleidete mannsgroße Strohpuppe als eine Figur des Sündenbocks im rheinischen Karneval. Der Nubbel hängt in der Karnevalszeit über vielen Kneipen und wird in der letzten Karnevalsnacht verbrannt. Wikipedia