Auch ich oute mich als zu der Fraktion gehörig, welcher der Valentinstag im Grunde völlig egal ist und am Hut vorbeigeht. Meiner Erfahrung nach sind einem überwiegend die Feiertage wichtig und liegen einem am Herzen, die man mit positiven Erlebnissen und Traditionen aus der eigenen Herkunfts-Familie von Kindheit an verbindet und entsprechend in sein Weltbild und Bewusstsein integriert hat.
Mit dem Valentinstag geht es mir wie mit Halloween: Beiden Tagen mangelt es an dieser speziellen Qualität, d.h. sie haben in Deutschland eben keine weit in die Vergangenheit zurückreichend Tradition, sondern kamen erst mit dem Ende des zweiten Weltkriegs in die alte Bundesrepublik, als sowohl die englischen als auch die amerikanischen Besatzungssoldaten diese Tage begingen und hier bekannt machten, die in ihren Kulturen sehr viel länger zurückreichende Wurzeln haben. Da, wo ich aufwuchs, waren beide Tage allerdings im Alltag nicht präsent, weder familiär, noch außerfamiliär im säkularen oder im kirchlichen Bereich, persönliche enge Beziehungen zu amerikanischen oder englischen Soldatenfamilien bestanden keine, und deshalb habe ich persönlich auch in meiner Kindheit und Jugend keine emotionale Bindung dazu aufgebaut.
Später dann wohnte ich in den USA, da wurde ich sowohl zu Halloween- als auch zu Valentine-Parties eingeladen und nahm beide Tage samt der damit verbundenen Bräuche zwar interessiert zur Kenntnis, aber eben so, wie man exotische Folklore als außen stehende Beobachter*in zur Kenntnis nimmt, sie blieben mir aber weiterhin persönlich/emotional fremd, auch wenn nach meiner Rückkehr nach Deutschland Ende der 70er Jahre auffallend war, dass die Zahl der spezifischen Dekoartikel für beide Feiertage in den Auslagen der Geschäfte deutlich an Umfang zugelegt hatten.
Und heute? Inzwischen scheinen beide Tage jedoch auch bei uns wirklich "angekommen" zu sein - erstmals im vergangenen Jahr klingelte an Halloween abends eine Gruppe von Kindern an meiner Wohnungstür mit dem "Schlachtruf" "Süßes oder Saures"(trick or treat), und natürlich war ich darauf in keiner Weise vorbereitet, weil es einfach nicht integrierter Teil meines Lebens ist. Letzte Woche kam dann auch die Enkelin einer Freundin aus dem Kindergarten nach Hause und präsentierte stolz, was sie dort "für den Valentinstag" gebastelt hatte, eine selbstgemachte Grußkarte mit vielen roten und rosa Herzchen aus Seidenpapier. Weiterhin einfach pauschal ignorieren wie bisher wäre spätestens angesichts dieser beiden konkreten persönlichen Erfahrungen in meinen Augen jetzt nicht mehr angemessen. Eine Überprüfung meiner persönlichen Position ergab bezüglich des Valentinstages folgendes:
Es gibt unterschiedliche Heilige mit Namen Valentin; auf welchen davon der Tag in seiner heutigen Ausformung zurück verweist, ist ungeklärt. Eine von vielen Legenden beruft sich auf einen Priester namens Valentinus, der zur Zeit der Christenverfolgung in Rom heimlich Liebespaare nach christlichem Ritus traute und als Märtyrer starb. Das Fest des heiligen Valentinus wurde erstmals im 14. Jahrhundert, als die Tradition der höfischen Liebe florierte, in den Kreisen um den Schriftsteller und Dichter Geoffrey Chaucer mit der romantischen Liebe assoziiert. Im England des 18. Jahrhunderts entwickelte es sich zu einer Gelegenheit, bei der Liebende ihre Liebe füreinander zum Ausdruck brachten, indem sie einander Blumen und Süßigkeiten schenkten und Grußkarten („Valentines“) schickten.
In den angelsächsischen Ländern steht der am 14. Februar gefeierte Valentinstag jedenfalls hoch im Kurs, in Großbritannien und in den USA ist er heute wohl am stärksten kulturell verankert als der Tag, an dem sich Liebende ausdrücklich gegenseitig ihrer Liebe versichern und auch diejenigen, die eher schüchtern sind, einer heimlichen "Flamme" ein Zeichen ihrer Verehrung zukommen lassen, traditionell Blumen und Süßigkeiten an eine Frau, Süßigkeiten und eine Karte an einen Mann. Meist gehen glückliche Paare abends chic zum essen aus. Für das Floristengewerbe, speziell auch überregionale und weltweit agierende Blumenversandunternehmen, wie z.B. Fleurop Interflora, ist der Tag inzwischen der umsatzstärkste des Jahres.
Mittlerweile erfuhr ich allerdings auch von ein paar eher kritischen oder sogar kuriosen Valentinstag-Gepflogenheiten, die von Gruppierungen organisiert werden, welche den traditionellen Ritualen dieses Tages nichts abgewinnen können:
In großen Städten in den USA gibt es vermehrt "Anti-Valentinstags-Parties". Da feiern nicht nur Singles, sondern auch Paare, die auf die Konsum-Schlacht des Tages keine Lust haben.
Im Zeichen der Liebe werden in verschiedenen Städten am 14. Februar Marathonläufe organisiert. Sportliche Paare und Singles können sich dabei richtig auspowern, anstatt sich den Bauch mit einem kalorienreichen Dinner vollzuschlagen.
Und: Ein texanischer Zoo bietet verschmähten Liebenden, Geschiedenen oder Getrennten an, eine Kakerlake nach ihren Ex-Partner*innen zu benennen. Am Valentinstag wird die Kakerlake dann während eines Facebook-Live-Videos an ein Erdmännchen verfüttert.
Ich finde, das hat was. Mit diesem - alternativen - Valentins-Brauchtum kann ich gut leben!