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Erzählungen vom Buchhalter der Präsident werden wollte

********a_di Paar
508 Beiträge
Themenersteller 
Erzählungen vom Buchhalter der Präsident werden wollte
Kapitel 1

Nach fast 45 Jahren bleibt mir heute die Erinnerung an das frühere Berufsleben, an die vielen Kontakte zu Kunden und Kollegen, Kettenrauchern, Alkoholikern, Cholerikern, an die verschiedenen Büros, mal modern in Hamburg am Alsterufer gelegen, mal neben einer Tabledancebar wo wir uns vom 2. Stock aus die Nasen mit dem Blick auf die nackten, sich im Hinterhof der Bar sonnenden Frauen an der Fensterscheibe platt drückten, ich erinnere mich an die vielen Ereignisse und Begebenheiten.

Ein besonderer Kollege mit speziellen Eigenartigkeiten wird mir immer in Erinnerung bleiben:

Tom McNulty! (*)

Tom McNulty war der Chefbuchhalter aller 12 Filialen eines deutschen Transportunternehmens in den USA, wo ich ein paar Berufsjahre mit einem Auslandsvertrag und USA-Arbeitsvisum verbrachte.

Die ersten Wochen in der neuen, ungewohnten Umgebung fielen mir etwas schwerer als bei den bisherigen Arbeitsstellen, amerikanische Tastatur am Computer, das "Büroenglisch", der Umgang der Kollegen untereinander waren eine Herausforderung, im nachhinein gesehen eine Erfahrung welche ich nicht mehr missen möchte.

Schon am ersten Arbeitstag kam er, Tom McNulty, der Chefbuchhalter, zu mir um sich vorzustellen und zu erfahren wo und was ich bisher gearbeitet habe, was die neue Aufgabe im Büro sei, ob ich nach Amerika eingewandert sei oder "nur" mit einem deutschen Vertrag und entsprechendem Visum arbeiten würde.

Schließlich fragte er frei heraus, ob ich denn schon einen amerikanischen Traum habe.

„H., did you ever dream the american dream?“

Den amerikanischen Traum? Was soll das denn sein?

Tom erläuterte sein Frage und erklärte, dass man als erfolgreicher Mensch einen Traum haben müsse, eben einen amerikanischen Traum.

Wie das?

Wenn ich die Ambition als erfolgreicher Filmschauspieler hätte müsste ich vom Film und der Schauspielerei träumen so erklärte er den amerikanischen Traum, wollte ich Pilot werden müsste ich mit dem Flugzeug bei Träumen entschweben, als berühmter Arzt mich intensiv im Traum mit Medizin beschäftigen und so weiter.

Ich war zunächst verdutzt ob dieser Einstellung, prüfte mich selbst welche Träume ich bisher geträumt habe, fand aber nichts verwertbares in dieser Richtung.

Nicht ganz höflich fragte ich also Tom durch eine Gegenfrage, welches denn sein Traum, sein amerikanischer Traum sei?

Er antwortete wie aus der Pistole geschossen:

"Some day I want to become President of the United States of America!“
Eines Tages möchte ich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden!

Mir blieb die Spucke weg, auf die Idee Präsident zu werden wäre ich nie gekommen, weder in Deutschland, noch in Amerika, politische Ambitionen waren nie Gegenstand meiner Überlegungen, meinen beruflichen Zielen, geschweige denn Träume.

Hat mich Tom nur veralbert, oder meinte er das im Ernst?

Also fragte ich nach, was ihn denn besonders für den Job als Präsident so qualifiziere?

Zuerst einmal habe ich irische Vorfahren, wie der Name McNulty schon sagt, die Ahnen eingewandert um 1850. Dann bin ich römisch-katholisch, studiert, Mitglied der Demokratischen Partei, und, ganz wichtig, ich habe einen amerikanischen Traum, meinen Lebenstraum, nämlich Präsident der USA zu werden. Er verwies dabei auf die Biografie von John F. Kennedy, seinem großen Vorbild, sowie auf Martin Luther King und seiner berühmten Rede "I have a dream".

Ich konnte ihn nicht für ernst nehmen. Präsident der USA? Und als Ausgangsposition die Leitung einer Buchhaltung eines mittelständischen Transportunternehmens mit 12 Filialen in den USA mit seinem Hauptsitz in Chicago am Flughafen?

Meine Zweifel waren mir wohl anzusehen, Tom lachte mich an und versicherte ernsthaft:

"Du wirst sehen, in 40 Jahren wird der Präsident der USA Tom McNulty heißen! Wir werden 4 Jahre zusammen arbeiten, Du wirst selbst feststellen können was in dieser Zeit alles möglich sein wird!"

Na das ging ja gut los, ein spezieller Kollege mit speziellen Ambitionen, da war ich doch sehr gespannt was da so auf mich zukommen würde.

Was seinen Traum vom Präsidenten der USA anging war Tom unerschütterlich, es verging kaum ein Gespräch zwischen uns beiden wo er darauf hinwies.
Kontaktierte er mich konnte man die Uhr danach stellen: jedem Gespräch ging die Standardfrage voraus: "H., did you dream the american dream last night"? Und jedes mal musste ich ihn enttäuschen, nein, ein amerikanischer Traum wollte sich bei mir trotz aller Bemühungen meine Träume zu lenken partout nicht einstellen.

Tom residierte in seinem kleinen Arbeitszimmer auf der anderen Seite des Gebäudes, es gab Tage an den wir uns nicht begegneten, wenn dies jedoch der Fall war dann ging es meistens um geschäftliche, also buchhalterische Angelegenheiten.

Ich war als Sachbearbeiter eingestellt, neben Dingen wie Marketing, Absprachen zu Angeboten und Transportabwicklungen für Luft- und Seefracht war die Verbindung zu den deutschen Büros zu halten. Dazu gehörte auch Probleme und Unregelmäßigkeiten und andere Dinge gemeinsam zu lösen und zu meinem großen Leidwesen fiel die deutsche Buchhaltung in der Zusammenarbeit mit der amerikanischen Buchhaltung unter dieses Kapitel. Ausgerechnet die Buchhaltung welche mir so fremd war wie einem Maulwurf das Sonnenlicht!

Mit der Zeit wurde es mir leid zwischen den jeweiligen Buchaltungskontoren als Mediator zu wirken, wobei ich den Eindruck hatte, dass sowohl Tom, als auch Herr Werner (*) von der Zentralbuchhaltung der deutschen Büros in Hamburg vorsätzlich an einander vorbei kommunizierten und dabei einen Kleinkrieg gegeneinander führten. 

Es zählte nicht zu meinen eigentlichen Aufgaben Fehlern in der Buchhaltung nachzuspüren und Falschbuchungen im SOLL oder HABEN zu finden, Zahlendreher ausfindig zu machen oder jeweils falsch zu Grunde liegende Wechselkurse US-Dollar zu D-Mark herauszufinden, welche bei der monatlichen Kontoabstimmung für teilweise erhebliche Differenzen sorgte. So war ich in diesem für mich fremdem Gebiet auch mäßig erfolgreich.

Wäre das nicht das einzige Problem gewesen waren sich Tom und Herr Werner in tiefer gegenseitiger Abneigung mit einander verbunden, die kleinen persönlichen Sticheleien und das vorsätzliche missverstehen ließen mich manchmal an meinem Verstand zweifeln ob man es hüben wie drüben mit wirklich mit Erwachsenen, studierten Männern zu tun habe.

Herr Werner schickte seine Unterlagen per FAX in die USA, jedes Begleitschreiben war schon notorisch mit "to the attention of Mr. McNulty, book-keeping department" gerichtet.

Diese Titulierung brachte Tom auf die Palme, zum einen heißt Buchhaltung "accounting" klärte er mich auf, zum anderen belehrte er mich, dass er "chief-accountant" sei, also Chefbuchhalter. Tom reagierte wiederum mit Nachrichten, welche an den "Buchhaltungsboss" gesendet wurde, eine Ansprache welche ich ihm ins Ohr gesetzt hatte ohne an die Folgen gedacht zu haben.

So ging es zwischen den beiden hin und her, einmal nötigte mich Tom in der deutschen Zentralbuchhaltung Herrn Werner anzurufen um ihm ein für alle mal klar zu machen, dass er der "chief accountant" sei, was Herr Werner wohl nur müde lächelnd zur Kenntnis nahm und sich nicht zurückhalten konnte die nächste Nachricht wieder an den "boss of book-keeping department" zu senden. Es war zum Haare raufen und Mäuse melken, unglaublich!

Eines morgens kam Tom an meinen Schreibtisch, ein dickes Buch unter dem Arm geklemmt, nach seiner üblichen Frage, ob ich in der vorherigen Nacht den amerikanischen Traum geträumt habe, kam er ohne Umschweife zur Sache: "I am the book-keeper" ich bin der "Buch-halter". Damit war klar warum er sich den dicken Schmöker unter den Arm geklemmt hatte.

Als ob dem nicht schon genug sei knallte er mir die letzte Nachricht auf den Schreibtisch der zu entnehmen war, dass Herr Werner geneigt war seine Spielchen durch aktives Handeln weiter betreiben zu wollen, es war, wie zuvor schon, an den "chief of book-keeping department" gerichtet.

Tom wollte, dass ich jetzt und sofort wieder Herrn Werner anrufe um ihm klipp und klar und ein für allemal klar zu machen, dass es so nicht weiterginge. "Please call your squareheaded Germans to tell them"... - bitte ruf deine deutschen Betonköpfe an um ihnen zu sagen...

Nein, ich wollte nicht mehr. Es war nichts anderes als Zeitvergeudung im Kleinkrieg zwischen den beiden Männern zu vermitteln, und das ohne zählbares Ergebnis. Mir schwebte schon seit längerem eine Lösung des Problems vor, von Tom kam schließlich der Vorschlag: "Let us go to the manager..." - "lasst uns zum großen Chef gehen"...

Nichts lieber als das dachte ich bei mir, in diesem Spiel bin ich schließlich der Unschuldigste von allen Beteiligten. Und ein Gespräch mit dem "big boss" sollte der erste Schritt zur Lösung des Problems sein wie ich es mir vorgestellte.

Der Weg zum ganz großen Chef war kurz, er "bewohnte" ein üppiges Büro ein paar Türen weiter, mit direktem Blick auf den geschäftigen Flughafen und den vielen Flugzeugen dort. Vielleicht hatte er auch Träume, nämlich eines Tages Pilot in einem dieser Flugzeuge zu werden. 

Fortsetzung folgt.

(*) Namen geändert

paarausda_di / m
****na Frau
24.660 Beiträge
Gruppen-Mod 
Wunderbar geschrieben, ich bin gespannt, wie es weiter geht. *ggg*
**C Mann
12.732 Beiträge
...ich habe da das eine oder andere Déjà-vu.. . *zwinker*
****_52 Frau
360 Beiträge
….eureGeschichte gefällt mir ….ich wünsche mir , dass meine Vermutung zum weiteren Verlauf der Geschichte , falsch ist ….bin gespannt ….
*********hexer Mann
14.316 Beiträge
@********a_di /m

Bin gerade erst von einem tollen Live-Konzert nach Hause gekommen.
Deine Geschichte habe ich verschlungen.
Du hast deine Erzähl-Kunst ja hier schon öfter unter Beweis gestellt.
Bin deshalb auch auf die Fortsetzung gespannt, wobei es mir nach dem 1. Teil gerade schwer fällt an ein Happy End zu glauben in der verbalen Auseinandersetzung der Hauptdarsteller.
Warten wir's ab.
*****ain Mann
877 Beiträge
@********a_di /m

Genial geschrieben, ich war sofort „drin“ in dieser Geschichte, die bei mir vor dem geistigen Auge wie ein Film ablief!👍
Jetzt bin ich -wie andere LeserInnen auch-sehr gespannt, wie es weitergeht!
👏👏
********a_di Paar
508 Beiträge
Themenersteller 
Erzählungen vom Buchhalter der Präsident werden wollte

Fortsetzung

Kapitel 2 –  der zukünftige Präsident auf Auslandsreise 

Tom und ich traten also nach vorheriger Anmeldung in das Büro des Chefs ein, er wies uns einen Platz am großen Besprechungstisch zu.

Ohne viel Federlesen kam er direkt zum Thema, offenbar hatte er vom deutschen Management schon von den Diskrepanzen in den jeweiligen Büros erfahren und war nun darum bemüht eine Lösung der Probleme zu finden welche ihm im Detail nicht weiter bekannt waren.

Also richtete er seinen Blick zunächst auf mich und fragte, ob ich schon über eine Lösung nachgedacht habe.
Ich ging bei diesem Thema zurück, berichtete was ich seit meinem ersten Arbeitstag vorgefunden hatte, worin die Reibereien bestünden und wie man aktiv eine Lösung und Besänftigung der beiden „Streithähne“ herbeiführen könne.
 
Meine Feststellung dass sich die beiden nicht persönlich kannten, noch nie ein direktes Wort bei einem Telefonat miteinander gesprochen haben sondern nur schriftlich miteinander verkehrten bestätigte der Chef durch nicken.
 
„Wie sieht nun Dein Vorschlag nun aus“ fragte er mich? Auf diese Frage hatte ich gewartet und so empfahl ich, dass sich die beiden Chefbuchalter persönlich treffen würden um alle Querelen und Animositäten direkt zu besprechen, zu regeln, ein für allemal beizulegen und somit Frieden miteinander zu schließen.
 
Dieser Vorschlag wurde vom Chef positiv aufgenommen, ein persönliches Treffen in Deutschland wurde mit dem dortigen Management besprochen und vereinbart, nämlich dass Tom zunächst die Zentralbuchhaltung in Hamburg besuchen solle um im Anschluss an dieses Treffen zusätzlich in ein paar ausgewählte Filialen zu reisen um selbst zu sehen wie auf der anderen Seite des Atlantiks gearbeitet und gedacht wird, welche Mentalität die "betonköpfigen Deutschen" hegten und pflegten.

Nachdem von Air France ein vergünstigtes Ticket organisiert werden konnte war darüber hinaus geplant, dass Tom via Paris zunächst nach Hamburg reisen würde, danach nach Bremen in die größte, wegen der vielen Seefrachten in die USA wichtigste Filiale fahren würde, von dort aus weiter mit der Bahn nach Köln, danach nach Frankfurt, schließlich nach München, um auf dem Rückweg zusätzlich in Paris die dortige Filiale zu besuchen, bevor es dann wieder zurück in die USA gehen sollte
.
Der Chef hatte wohl einen großzügigen Tag erwischt, gab Tom eine Reisezeit von 14 Tagen für dieses Projekt vor verbunden mit der Gelegenheit vor Ort privat und nach eigenem Gutdünken die jeweiligen Länder und Städte zu erkunden. Geschäftsreise mit bezahltem Urlaub und Sightseeing also.

Es war meine Aufgabe Tom in der jeweiligen Filiale "anzumelden" und darauf hinzuweisen, dass neben geschäftlichen Besprechungen vor allem auch die soziale Komponente z.B. durch ein gemeinsames Essen, Besichtigungen oder ein Abend an der Bar nicht zu kurz kommen dürften.

Irgendwann im März machte sich Tom auf die Reise, wir gaben ihm Tipps mit auf den Weg, trotz aller gut gemeinter Ratschläge war er schon vor Reisebeginn in einer miesepetrigen Laune, solche weiten und ausgiebigen Reisen schienen nicht sein Ding zu sein, er hatte sie wohl noch nie gemacht und somit keine Erfahrung damit.

Der Chef brachte ihn zum Flughafen, mangels heute moderner und selbstverständlicher Kommunikationsmittel war Tom nach seinem Abflug wie vom Erdboden verschwunden, wir hatten keinen direkten Kontakt mehr zu ihm und wußten nicht wie es um ihn steht.

Von der Zentralbuchhaltung in Hamburg kam nach ein paar Tagen die Bestätigung dass alles soweit „gut gelaufen sei“, die Differenzen ausgeräumt seien und dass man sich wieder dem eigentlichen Geschäft, der Buchhalterei, zuwenden wolle.

Etwas verwundert wurde uns nach dem Stopp in Bremen und Köln von den Filialen in Frankfurt und München mitgeteilt, dass Tom vom ursprünglichen Reiseplan abgewichen sei und die jeweiligen Aufenthalte um einen Tag verkürzt habe.

Zunächst machten wir uns keine großen Gedanken um das „warum?“, von der Filiale in Paris kam gar keine Nachricht, umso verwunderter waren dann alle, als Tom nach 10 Tagen eines morgens mit grimmigem Gesicht in seinem Büro saß, alle Gesprächsversuche mit einem launischen „leave me alone“ - lass mich in Ruhe abblockte und die Tür zu seinem Büro, ganz entgegen sonstiger Gepflogenheiten hinter sich zuzog.

Welche Laus mag dem zukünftigen Präsidenten wohl über die Leber gelaufen sein? Warum hat er eine geplante 14-tägige Reise auf 10 Tage verkürzt? Was war passiert?

Eigentlich wollte ich das herausfinden, mehr über seine Reise erfahren, seine Eindrücke und Reiseerlebnisse, auch die Ergebnisse der jeweiligen Besprechungen in den Filialen, und schließlich nicht zuletzt hören warum Tom seine Reise verkürzt oder abgebrochen hat, was war der Grund dafür?

Tom war mehrere Tage in sich gekehrt, sprach außer mit seinen Mitarbeitern in der Buchhaltung ansonsten mit niemand, er war unnahbar für alle anderen.
Ein paar Tage später rief er mich per Telefon über die Hausleitung an und fragte ob ich in sein Büro kommen könne. Ich tat wie gerufen, die ansonsten übliche Frage nach meinem amerikanischen Traum vermied er, ein schlechtes Zeichen.

Schnell stellte ich fest, dass er Gesprächsbedarf hatte um die Reise zu verarbeiten, irgendetwas zwischen Nachbesprechung oder nachträglich Reise- und Notfallseelsorge. 

Tom war an diesem Morgen sehr negativ eingestellt, wie ein kleines Kind nur am meckern und maulen, am schlechtreden, hielt sich an den kleinsten Fusseln auf als ob davon die Welt untergehen würde. Vielleicht war er auch mit dem falschen Fuß aus dem Bett aufgestanden.

Zunächst interessierte mich natürlich die Antwort auf die Frage wie es denn nach der Reise mit dem Verhältnis zu Herrn Werner stehe. "Na ja", kam es zögerlich aus ihm heraus, "was bleibt anderes übrig als sich geschäftlich auf Augenhöhe zu begegnen, sich gegenseitig zu respektieren und zu akzeptieren, wir wollen deshalb in Zukunft entsprechend zusammenarbeiten".

Uff, da fielen mir ein paar Steine vom Herzen, ich sah schon die Arbeitserleichterung durch die Vermeidung von kindischen Anrufen in Hamburg auf mich zukommen. Und tatsächlich, Tom nach Deutschland und Frankreich zu schicken war die beste Lösung von allen und ich hatte fortan meine Ruhe.

Hätte man jetzt gedacht dass alles geregelt sei, dann hat man falsch gedacht. Tom lederte wegen dem weiteren Verlauf seiner Reise los, redete sich in Wut und Erregung, wie ein Wasserfall stürzten seine Erzählungen mit negativen Erlebnissen über mich herein:

Offenbar war Herr Werner darum bemüht, den lieben Tom mit einem stilvollen Essen im Fischereihafenrestaurant zu beglücken, eine der Topp-Adressen in Hamburg.Tom nahm wohl nach etwas Zögern die Einladung zu diesem Abendessen an. Socialising im besten Sinne also.

Während sich andere über eine solche Einladung freuen würden war bei Tom das Gegenteil der Fall, das abendliche Dinner entwickelte sich aus seiner Sicht zur Katastrophe. 
Tom entschied sich, wie Herr Werner auch, eine Büsumer Krabbensuppe als Vorspeise einzunehmen, danach im Hauptgang Finkenwerder Speckscholle mit Petersilienkartoffeln und als Nachtisch ein Sorbet, dazu einen Weißwein, wie ich von Herrn Werner erfahren hatte und somit im Gespräch mit Tom bereits wusste was passiert war.

Tom lederte los: "Krabben in einer Suppe das ist ja das letzte was man sich vorstellen kann, gibt es in Deutschland keine fingerdicken Garnelenm dass man was ordentliches zwischen die Zähne bekommt? Dieses Minizeugs ist ja ungenießbar!"

Ich versuchte Tom zu erklären, dass Krabben eine Spezialität der Nordsee seien, dass man sie nicht mit Garnelen vergleichen könne!, "Baah, bullshit" - er machte eine wegwerfende Handbewegung, "entweder Garnelen, oder gar nichts". Ich gab es auf. Was bringt es einem Ignoranten etwas über lokales Essen und die norddeutsche Esskultur beizubringen?

Von Herrn Werner erfuhr ich später, dass der liebe Tom beim Essen auch Probleme beim Verzehr mit der Scholle gehabt und in einem der feinsten Restaurants der Hansestadt tatsächlich nach einem FishMäc verlangt habe. Der Umgang mit Fischbesteck zum Verzehr einer Scholle ist halt nicht jedermanns Sache. Dass in diesem feinen Restaurant kein kalifornischer Wein ausgeschenkt wurde schien wohl noch das kleinste aller Weh-wehchen zu sein.

Nach dem weiteren Verlauf der Reise gefragt gab sich der Möchtegern-Präsident eher verschlossen. Bremen liegt ja gar nicht am Meer monierte er, das Bier in Köln schmecke wie mit Honig gebraut, Äppelwoi in Frankfurt erinnere ihn an Essig, das Stöffche kann man mögen, oder auch nicht. Mein Ding ist es auch nicht.

Und München, überhaupt München, das sei ja nun das allerletzte gewesen was er da gesehen habe. Niemand trage Tracht, keine Menschen in Dirndl oder Lederhosen, kein Oktoberfest mit Bierzelten, Blasmusik und Gemütlichkeit, gar nichts. Tja, der Monat März ist halt nicht Biergarten- oder Bierzeltzeit, das Vergnügen im Freien muss wetterbedingt noch etwas warten. Also falscher Reisetermin.

Und weil es Toms Meinung nach in München oder Bayern nichts zu sehen gab habe er den Aufenthalt um einen Tag verkürzt.

Und zum Schluss Paris, einen Tag im Büro dort, und anschließend ein langes Wochenende als privates Vergnügen für Ausflüge, Stadtrundfahrten und Sightseeing. So der Plan.

Es war zu ahnen was Tom zu erzählen hatte, und jetzt lederte er richtig los: Paris, diese dreckige, versiffte Stadt, nur Regen, nichts zu sehen, die Spitze des Eiffelturms in Wolken, eine Bootsfahrt auf der Seine abgesagt, keine Möglichkeit um irgendetwas zu unternehmen. Diese kleinen französischen Autos könnten den amerikanischen sowieso nie das Wasser reichen, die Champs-Elyssees im Vergleich zur 5th Avenue in New York eine kleine Nebengasse. "Aber weißt Du was das beste auf den Champs-Elysses ist?" Er holte tief Luft, beugte sich vertrauensvoll zu mir herüber und flüsterte leise: "endlich wieder ein ordentliches Restaurant, ein Fastfoodrestaurant, ein (der mit dem großen "M" im Logo), gerade neu eröffnet, endlich wieder vernünftiges Essen, endlich fühlte ich mich wirklich wie zu Hause, und deshalb habe ich die Reise abgebrochen und um zwei Tage verkürzt um schnellstmöglich wieder in mir vertrauter Umgebung zu sein."

Fremde Länder und Kulturen erleben, sich mit ihnen beschäftigen, in sie einzutauchen und genießen, das ist der Reiz einer Reise wie ich es bis dahin gewohnt war und immer noch bin. Tom scheint in dieser Hinsicht ganz anders strukturiert gewesen zu sein.

Aufgeschlossenheit und Weltoffenheit sind die Grundlagen für die Entdeckung von Neuland, von Reisen in bisher unbekannte Länder, dabei kann man viel erleben und hinterher erzählen. Wenn man dann weiß wo diese Länder liegen und wie man dort hinkommt. Davon wird im Kapitel 3 die Rede sein.
 
Fortsetzung folgt
 
paarausda_di / m
****_52 Frau
360 Beiträge
…..ich hab Spaß 👍🏿….
*****ain Mann
877 Beiträge
Wieder so geschrieben, dass ich mir das bildlich vorstellen kann! Das „Maulig-trotzige“ „ich will das alles nicht gut finden! Nein, das will ich nicht!“ kommt richtig gut rüber.
Jetzt warte (nicht nur) ich auf Folge 3!👍👍👏👏
**C Mann
12.732 Beiträge
---ivh kenne das von Leuten, die im Urlaubsland nicht ihre gewohnte Küche fanden und sich auch noch darüber beschwerten, dass dort überall nur Ausländer seien, die kein Deutsch können.... *zwinker*
********a_di Paar
508 Beiträge
Themenersteller 
Erzählungen vom Buchhalter der Präsident werden wollte

Fortsetzung

Kapitel 3 - die Geographiekenntnisse des zukünftigen Präsidenten

Spedition zu betreiben ist eigentlich ganz einfach, es bedeutet nichts anderes als W-Fragen zu beantworten und in die Praxis umzusetzen, also Adjektive anzuwenden welche mit dem Buchstaben „W“ beginnen und dadurch eine Frage eröffnen, die wiederum eine Antwort auf die gestellte Frage erzwingen um danach entsprechend zu handeln. „Welcher, welches, wann, wo, warum“ und so weiter, ein einfaches anwendbares Hilfsmittel, im Verkaufstraining gelernt.

Im Transportwesen bedeutet das nichts anderes als sich durch Fragen wie „was, wann, wodurch, von wo nach wohin“ ein Gerüst zu schaffen, welches für die weiteren Schritte sehr dienlich ist.

Ein solches Gerüst war notwendig, als eine Transportanfrage herein kam für das zunächst ein Angebot, ein Kostenvoranschlag erstellt werden sollte.

Der Chef schob mir die Anfrage weiter, sein notorisches „mach mal“ war mir manchmal zuwider, es bedeutete in diesem Fall jedoch eine willkommene Abwechslung und Herausforderung im ansonsten trockenen Bürobetrieb eines Transportunternehmens.

Das „was“ konnte den Ausschreibungsunterlagen entnommen werden: ein Trafo, etwa 80 Tonnen schwer, mit Übermassen an die ich mich im Detail nicht mehr erinnern kann.

„Wann“ war ebenfalls schnell beantwortet: nach Versandbereitschaft bis zu einem vorgegebenen Termin auf einer Baustelle angeliefert.

Jetzt wurde es schon kniffliger :

Die Adresse der Fabrik des Herstellers irgendwo in den USA, im Bundesstaat Michigan gelegen, gab Antwort auf das „von wo“.

Das „wohin“ bereitete mir wirklich Kopfschmerzen: Lieferung zur Baustelle eines Kraftwerks in Ungarn, südlich von Budapest gelegen, direkt an der Donau, ohne Adresse, keine Informationen zur Infrastruktur wie Kranmöglichkeiten vor Ort usw.

Um schließlich eine Antwort auf „wodurch“ zu finden war klar, nämlich dass dieses Monstrum überwiegend auf dem Wasserweg transportiert werden musste, Landtransport kam auf Grund des Gewichts und den Abmessungen auf dem amerikanischen und europäischen Kontinent weniger in Frage.

Jetzt aber die Ärmel hochkrempelt und frisch ans Werk. Um mir einen ersten Überblick über die Wasserverbindungen von Amerika nach Ungarn zu verschaffen begab ich mich vor die überdimensionale Weltkarte welche im Büro aufgespannt war, etwa 3 Meter breit und fast hoch bis zur Decke. Assistenz bot mir Peter, ein Praktikant aus einer der schweizerischen Filialen, der im Büro in Chicago seine ersten „speditionellen Gehversuche“ unternehmen sollte und wollte.

Beide stehen wir also vor dieser großen Weltkarte und evaluieren die Lage: klar war, das Trumm den St.Lorenz-Strom hinunter bis nach Montreal zu bringen, von dort nach der Umladung auf ein Hochseeschiff in Richtung Europa, hier bot sich der Hafen von Rotterdam an, um ihn dann auf einem Binnenschiff die Donau und durch den Rhein-Main-Donaukanal, der damals allerdings noch nicht ganz fertiggestellt war, hinunter bis in die Nähe von Budapest zu transportieren.
Alternativ überlegten wir einen Transport nach Constanza am Schwarzen Meer, an der Donaumündung in Rumänien gelegen, um das Ding von dort aus die Donau hinauf schippern zu lassen.

Wie wir beiden vor der Weltkarte stehen, gemeinsam überlegen, planen, verwerfen nur um danach einen neuen Ansatz zur Lösung des Transportproblems zu suchen und zu finden, da kommt just in diesem Moment Tom Mc Nulty, der zukünftige „Vielleicht-Möchtegern-Präsident“ um die Ecke gebogen, sieht uns beide dort stehen und fragt in seiner saloppen Art: „hey, what's up guys?“ - was ist los Jungs, was geht?

Wir erklärten Tom die Situation, Transport eines Trafos mit Übergewicht und Überbreite von Michigan nach Ungarn bis zur Baustelle. Also machte sich auch Tom, der Chefbuchhalter, ans Werk, weltmännisch-souverän kam sein Vorschlag, das Ding auf dem St.Lorenz-Strom mit einem Binnenschiff in Richtung Atlantik , vielleicht bis nach Montreal zu transportieren. Wir nickten zustimmend, soweit waren wir uns alle einig.

„Und danach?“ fragte Peter vorsätzlich unbedarft, „wie geht es dann weiter“.
"Simple as that – ist doch ganz einfach“, verlade das Monstrum auf ein Hochseeschiff und dann, er benutzte seinen Zeigefinger und fuhr damit auf der Weltkarte entlang.....“sssst – auf dem Atlantik die amerikanische Ostküste hinunter, an Brasilien vorbei, bis nach da unten.“

„Und dort soll Ungarn sein?“, fragte Peter mit einer Unschuldsmiene nach, wobei uns beiden sofort klar war dass sich der liebe Tom ziemlich stark in der Geographie verheddert hatte.

„But sure – sicher doch“ insistierte Tom, schaut mal hier, er ließ seinen Finger kreisen, „da liegt Ungarn“.

Es war eindeutig, dass sich Tom mit seinem Halbwissen selbst auf den Leim gezogen hatte, gute Gelegenheit um ein „Stadt-Land-Fluß-Spielchen“ mit ihm zu veranstalten, wir, Peter und ich, wolltenbei aller Bürotristesse auch mal unseren Spaß haben. Hast Du keinen, mach Dir einen, da waren wir uns stillschweigend einig,

„Und wo liegt Uruguay?“ ließ Peter nicht locker. Tom machte einen Schritt auf die Karte zu, wollte sich vergewissern, dass dieses Land auf dem amerikanischen Kontinent „ziemlich weit unten“ Ungarn ist und musste feststellen: es ist Uruguay! Ungarn und Uruguay, phonetisch nah beieinander liegend, geographisch umso weiter auseinander.

Trotzdem blieb jetzt eine Frage von Tom unbeantwortet, nämlich: Wo liegt Ungarn? 

Er trat einen Schritt zurück, suchte auf der Karte nach Ungarn, trat etwas näher, Peter konnte sich nicht zurückhalten, obwohl wir gehalten waren auf Rücksicht auf die amerikanischen Kollegen uns nur in Englisch zu unterhalten äffte er ihn auf schwitzerdütsch im Hundesprech nach: „Fein, such, such, wo liegt Ungarn, musst nur suchen, guck mal in die Richtung!“.

Ich konnte mich vor lachen kaum zurückhalten, Peter hatte seinen Spaß gefunden, und fing an dem armen Tom ein paar Tipps zu geben: „Vielleicht liegt Ungarn auf dem afrikanischen Kontinent, irgendwo in Afrika“.

Tom, unwissend wie er war, trat etwas nach rechts, immerhin, den afrikanischen Kontinent konnte er finden, aber wo in aller Welt liegt Ungarn? Er setzte wieder seinen Zeigefinger ein und begann mit der Suche von ganz oben nach ganz unten....Lybien....Tschad....Kongo, an Angola vorbei....Botswana hinunter bis nach Südafrika, da war dann Ende Gelände! Von Ungarn keine Spur.

Hhhm, Fragen über Fragen, irgendwo muss doch dieses vermaledeite Ungarn sein! Peter half ihm nach und legte dabei schon wieder eine falsche Spur: „geh mal weiter nach rechts, ein Stück hoch, bis etwa in die Mitte des Kontinents, dort findest du Kenia, und dort, am linken Zipfel liegt....“Ungarn“ platzte es freudig aus Tom heraus, er fuhr mit seinem Zeigefinger den afrikanischen Kontinent hoch, fand dann gleich Kenia, Zipfel links.....“Uganda!“
Klingt phonetisch irgendwie auch nach Ungarn, ist aber immer noch nicht Ungarn!
Uganda.....Ungarn irgendwo wird sich auf dieser Welt wohl Ungarn finden lassen!

Peter spielte jetzt das Unschuldslamm...“oh, da muss ich selbst etwas verwechselt haben, was machen wir denn jetzt?“

Ich war schon geneigt den zukünftigen Präsidenten aus seiner mißlichen Lage zu befreien und ihm zeigen wo Ungarn tatsächlich liegt, Tom in seiner Erregung, nachdem er wohl festgestellt hatte dass wir ihn auf den Arm genommen hatten war schneller, er trat zwei Schritte zurück, schaute nochmal auf die Karte und verkündet im Ton der Überzeugung: „this map is a fake – diese Weltkarte ist falsch!“

Wie bitte, was soll an dieser Karte falsch sein? Peter und ich starrten uns gegenseitig an, ohne jetzt jedes Detail zu kennen entsprach diese Weltkarte unserem schulischen Wissen, was konnte daran also falsch sein?

Tom dozierte weiter, ließ nicht locker und war tatsächlich der Meinung, dass dieses eine Land weiter oben auf der rechten Seite, rot eingezeichnet, viel größer als die USA sei, er deutete mit dem Zeigefinger auf die „Union der sozialistischen Sowjetrepubliken“, kurz UdSSR, ein Land welches sich etwa von St. Petersburg (damals Leningrad) mit riesiger Fläche bis an den Pazifik nach Wladiwostok ausdehnte.
Und das konnte nach seinen Vorstellungen nicht stimmen!

„Tom,“ begann ich vertrauensvoll, „diese Karte ist kein fake, sie entspricht geographischen Realitäten, und die UdSSR ist nun mal von der Fläche her gesehen um einiges größer als die USA. Guck dir mal Kanada an, das ist flächenmäßig auch größer als die USA und niemand nimmt groß Notiz davon. Nimm es hin, das ist einfach so.“

"I can't believe it - ich kann es nicht glauben, nämlich dass die Sowjetunion größer als Amerika ist. Das kann nicht richtig sein. Wir sind die doch die Größten!"

Peter und ich gaben auf. Warum sollten wir Tom, dem zukünftigen Präsidenten der USA, die Welt im wahrsten Sinne des Wortes neu erklären?

Bevor wir auseinander gingen fragte Peter nach, wie Tom zukünftig in seiner Funktion als Präsident solchen Unzulänglichkeiten aus dem Weg gehen wolle, wenn er zum Beispiel eine Staatsreise nach Ungarn plane und ahnungslos in Uganda lande. 

"Darüber muss ich mir keine Gedanken machen", so seine patzige Antwort, "dafür werde ich dann meinen Mitarbeiterstab und Bediensteten haben, die werden schon wissen wohin eine Reise gehen soll." 

"Vergiß nicht die richtige Kleidung einzupacken" empfahl Peter, "im leichten Sommeranzug zu den Eskimos zu reisen ist keine gute Idee genauso wenig wie im dicken Wintermantel nach Zentralafrika, und sollte dich der Weg nach Europa führen dann sollte unbedingt die Jahreszeit für die entsprechende Kleidung vorab geprüft werden."

Ich wünschte mir damals, dass Tom eine Reise nach Deutschland und Berlin in sein Programm mit aufnehmen würde, davon dann mehr im nächsten Kapitel.

Fortsetzung folgt

paarausda_di / m

Nachsatz:
Die Ausschreibung zum Transport hat unser Unternehmen nicht gewonnen. An den mangelnden Geographiekenntnissen des Chefbuchhalters hat die Entscheidung gegen uns wohl nicht gelegen. Was bleibt ist ein schmunzeln bis heute wenn ich an die damalige Situation vor der Weltkarte denke!
*****ain Mann
877 Beiträge
Schmunzeln bei Deinem Teil 3 ist sehr vorsichtig ausgedrückt! Ich hab Tränen gelacht bei der Vorstellung, wie Ihr Euren Chef um die Fichte geführt und letztlich blamiert habt. Herrlich! Aber das bestätigt das Vorurteil, dass viele in den USA die Welt tatsächlich nicht oder nur ganz grob kennen…😉
Ich freu mich schon auf Teil 4!👍
****_52 Frau
360 Beiträge
….ich war einmal in einem Länder Themenpark in Orlando ….dort wurde Deutschland als ein riesiger Biergarten mit Schweinshaxe , Knödeln und Kraut dargestellt ….Kleidung war natürlich Dirndl und Lederhose ….ich hatte das Gefühl , die Amerikaner holen sich die Welt , wie sie ihnen gefällt , nach Hause …..damit wird Reisen überflüssig….
***er Mann
7.976 Beiträge
Ich habe mal ein paar Jahre in Kuala Lumpur Malaysia gewohnt. Habe meine ältere Tochter in die internationale amerikanische Schule geschickt. Die Amis verwendeten eine Karte, auf der die USA übergroß dargestellt war, und Rußland dagegen war ein Fliegenschiß. Auch Afrika oder Australien waren kaum zu erkennen.
**C Mann
12.732 Beiträge
Zitat von ****_52:
….ich war einmal in einem Länder Themenpark in Orlando ….dort wurde Deutschland als ein riesiger Biergarten mit Schweinshaxe , Knödeln und Kraut dargestellt ….Kleidung war natürlich Dirndl und Lederhose ….ich hatte das Gefühl , die Amerikaner holen sich die Welt , wie sie ihnen gefällt , nach Hause …..damit wird Reisen überflüssig….


...nicht nur die Amerikaner haben ein vereinfachtes Bild von Deutschland. In der Vorstellung vieler
Ausländer besteht Deutschland nur aus Bayer: Schloss Neuschwanstein, Oktoberfest, Trachten,
Schweinshaxen und Blasmusik. So wird im Ausland Deutschland auch vermarktet. Norddeutschland,
Rheingebiet und andere Teile von Deutschland kommen gar nicht vor...
***er Mann
7.976 Beiträge
Naja, Rothenburg ob der Tauber und Heidelberg gehört auch noch dazu. Aber dann schnell weiter, Europa will ja schließlich in einer Woche besucht sein.
********a_di Paar
508 Beiträge
Themenersteller 
Erzählungen vom Buchhalter der Präsident werden wollte

Fortsetzung

Kapitel 4 - der zukünftige Präsident und die Mauer in Berlin

Im Juni 1987 besuchte der damalige Präsident der USA, Ronald Reagan, Berlin. Viele von uns können sich noch an seine „Mauerrede“ vor dem Brandenburger Tor erinnern:

„Herr Gorbatschow, reißen sie diese Mauer nieder! Herr Gorbatschow, öffnen sie dieses Tor!“

Diese Rede fand viel Beachtung, auch in den USA, sie wirkte aber nicht lange nach, für Amerikaner liegt Berlin viel zu weit weg als dass es echtes Interesse gefunden hätte, "sowieso nicht unser Problem."

Ein paar Tage später, wir waren gerade mit ein paar Kollegen vor der Kaffeemaschine versammelt, fragt mich Tom ganz unvermittelt:

„Hey H., what's about that wall in Berlin?“ - was hat es denn da mit der Mauer in Berlin auf sich?

Fast hätte ich mit am Kaffee verschluckt und rang dabei mit meiner Fassung um eine vernünftige Antwort auf diese unvermittelte Frage zu finden.

„Ja, quer durch Berlin verläuft eine hohe, für Menschen nicht überwindbare Mauer, mehr oder weniger verschlossen, und diesen Umstand wollte Präsident Reagan ansprechen indem er den russischen Präsidenten Gorbatschow in seiner Rede dazu aufforderte diese Mauer einzureißen und das Tor zu öffnen.“

Das geistig zu verarbeiten war zu viel für Tom, in seinem Gehirn muss es ziemlich gerattert haben. Es war mir als ob die Geräusche des Zahnradgetriebes im Oberkopf leise wahrzunehmen wären.

„Was hat der russische Präsident mit einer Mauer zu tun welche mitten durch eine deutsche Stadt verläuft?“

Jetzt wurde es schwierig, nämlich einem naiven und politisch anscheinend wenig gebildeten Menschen, immerhin dem vielleicht zukünftigen Präsidenten der USA, die Lage in Berlin zu erklären, dem Hotspot zweier politischer Systeme.

Also versuchte ich mit wenigen Worten Tom etwas über die Nachkriegszeit, die Umstände von zwei deutschen Staaten, den Hintergrund der Errichtung der Ost-West Grenze und speziell der Mauer in Berlin zu erklären.

Vermutlich liefen meine Worte ins Leere, Toms insistierende Fragen ließen darauf schließen:

„Und wenn man die Mauer einfach abreißt?“

„Das wird nicht einfach sein, diejenigen welche den Bau dieses Unikums arrangiert haben werden voraussichtlich auch dafür sorgen, dass sie stehen bleibt.“

„Und wer hat dies alles arrangiert?“

„Die Regierung der DDR im Ostteil von Berlin, schon 1961, und seither steht das Ding da, streng bewacht, damit niemand von hüben nach drüben kommt, und umgekehrt.“

„Und wenn man die Mauer von der westlichen Seite aus einfach abreißen würde?“

" Wie bitte, wie stellst du dir das vor?“

„Mach es doch nicht so kompliziert" ging er mich an, "einfach unter
1-800-D-E-M-O-L-I-T-I-O-N die kostenfreie Hotline eines Abrissunternehmes anrufen, mit der Abrissbirne dagegen schlagen, ein paar Baufahrzeug für den Abtransport des Schutts dazu, fertig, in 1-2 Tagen sollte das alles erledigt sein“.
„Theoretisch klingt das gut, allerdings könnte es bei der praktischen Ausführung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit große Probleme geben.“

„Probleme? Was für Probleme?

„Na, ganz einfach: wie du gehört hast wurde diese Mauer damals auf Veranlassung der DDR-Regierung erbaut. Seither steht sie da, wird streng von Soldaten bewacht, wenn man jetzt vom Westen her damit anfängt die Mauer abzureißen, dann wird man wohl im Ostteil nicht damit einverstanden sein, das kann einen Konflikt bis hin zu einem Krieg auslösen“?

„Peace of cake – das ist doch ganz einfach: fangt schon mal damit an, und wenn es Probleme gibt dann ruft uns an, wir helfen euch bei einer solchen Situation aus, schließlich haben wir auch den 2. Weltkrieg gewonnen“

Jetzt war klar, dass Tom in seiner Leichtigkeit weder Ahnung von der tatsächlichen Situation vor Ort hatte noch vor der Einordnung der weltpolitischen Lage.

Bevor ich aufgab beendete ich dieses fruchtlose Gespräch mit einer Empfehlung: "Tom, solltest du irgendwann Präsident der USA sein dann reise bitte nach Berlin, verhandle mit der dortigen Regierung, vergiss nicht einen Abstecher nach Moskau zu machen um zu sehen was möglich ist, da die dortige Regierung ihre schützende Hand auf diesen Zustand hält. Und wenn es dir gelingen sollte nach friedlichen Verhandlungen die Mauer zu beseitigen, dann lass mich für diese Empfehlung bitte bei der Vertragsunterzeichnung und Austausch der Urkunden dabei sein, das wäre ein wirklicher Höhepunkt in meinen Leben".

Bekanntlich ist der Fall der Mauer ein paar Jahre später ganz anderes ausgegangen, ganz friedlich, ohne Schießerei und Abrissbirne. Gerne hätte ich Tom an diese Unterhaltung erinnert wenn er zu dieser Zeit noch als Chefbuchhalter eines mittelständischen Transportunternehmens irgendwo in den USA gewirkt hätte.

Wie es mit ihm ausgegangen ist soll im nächsten Kapitel, dem Schlusskapitel, erzählt werden. 

paarausda_di / m 
**C Mann
12.732 Beiträge
..Ahnungslosigkeit scheint in den USA eine Grundvoraussetzung für den Job als Präsident der USA zu sein.
Der letzte war ein gutes Beispiel.... *g*
********a_di Paar
508 Beiträge
Themenersteller 
Erzählungen vom Buchhalter der Präsident werden wollte

Fortsetzung

Kapitel 5 - Nachbetrachtung und Schluss

Es sind die vielen kleinen Geschichten welche mich noch heute an Tom, den Chefbuchhalter mit dem Traum amerikanischer Präsident zu werden, erinnern.

Im Büro waren wir eher zweckmäßig-salopp bekleidet, bei Besuchen aus dem Ausland oder bei Kunden wurde erwartet sich in Anzug und Krawatte zu zeigen. Von Tom, dem selbst ernannten Modespezialisten, gab es immer wieder Hinweise darauf, was in seinen Augen passend oder unpassend sei.

Als Mitglied der Demokratischen Partei klärte er mich darüber auf, dass anhand von Männerbekleidung der Unterschied zwischen einem Republikaner und einem Demokraten sofort feststellbar sei: Während Republikaner eher schwere, derbe Anzüge trügen waren Demokraten eher im leichten, jugendlichen Zwirn angezogen. Die Wahl der Schuhe war ein weiteres Zeichen der politischen Gesinnung, derbe Schuhe gegen leichte Schuhe, ebenso Hemden.

Was das Tragen einer Krawatte anging war eine Parteizugehörigkeit nach seiner Meinung sofort ersichtlich: während Republikaner die Krawattenlänge bis in etwa einer Handbreit unter dem Gürtel binden, schließt die Krawattenspitze bei Demokraten exakt mit der oberen Kante des Gürtels ab. 

Ich wollte es nicht glauben, die Fotos von verschiedenen Präsidenten wecken bis heute  Erinnerungen an Tom, ich musste ihm viele Jahre später Recht geben, es ist wirklich so! Die Krawattenspitze hing bei Trump weiter nach unten, fast bis zum Schniedel, während bei Obama und Biden die Spitze stets nur den Gürtel erreicht. 

Über das Thema "Pizza" haben wir sehr lange diskutiert, vielleicht auch gestritten. Tom war der absoluten Meinung, dass es nur in Amerika ordentliche, genießbare Pizza gibt. Auf meinen dezenten Hinweise wonach diese Spezialität in Italien kreiert wurde um von dort aus den Siegeszug in die Welt anzutreten antwortete er pikiert, dass das gar nicht sein könne, die Italiener hätten zu der Zeit der angeblichen "Erfindung" von Pizza damals gar keine Elektrobacköfen zur Verfügung gehabt und wären deshalb gezwungen gewesen alte, einfach Öfen zu benutzen. Erst mit elektrischen Backöfen war man nach seiner Ansicht in der Lage ordentliche Pizza herzustellen, vor allem Aufbackpizza. 

"Oh heilige Einfalt", so der Stoßseufzer einer meiner Lehrer wenn man mit der Antwort auf seine Frage total daneben lag. Vermutlich ist Tom nie in den Genuss einer echten, in der Küche eines italienischen Restaurants handgefertigten Steinofenpizza gekommen.

Manchmal war ich mir nicht sicher ob Tom schlauer als alle anderen waren, ob er nur auf "dumm" gespielt hat, oder ob er tatsächlich so naiv war das zu glauben was er an Sprechblasen von sich gab.

Im Frühjahr 1988 waren wir für ein paar Tage in Deutschland zum Familienurlaub, nach meiner Rückkehr waren die Kollegen noch heller Aufruhr: Tom hatte am Tag zuvor gekündigt, auf amerikanische Art üblich, nämlich nach der Mittagspause zum Chef rein, Kündigung auf den Tisch gelegt, danach seinen Schreibtisch ausgeräumt und das Büro in Ordnung gebracht, ein kurzes "see you" - tschüss in die Runde, und weg war er. Wohin? Niemand wusste es. Auch in den Monaten danach, in den vielen Jahren danach, auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland und selbst Jahrzehnte später auch mit Hilfe von sog. sozialen Medien usw. - alles Fehlanzeige. Keine Spur von Tom.

Selbst Peter, der damalige Praktikant aus der Schweiz, weiß nichts über ihn. Er hat nach Beendigung seines Praktikums die "greencard" beantragt und erhalten, inzwischen hat er neben einem Schweizer Pass auch den amerikanischen und hat sich zum Filialleiter eines anderen Unternehmens in den USA hochgearbeitet. Wir sind noch immer in unregelmäßigen Abständen in Kontakt miteinander. 

Erst viele, viele Jahre später, Ende 2018, bestand die Hoffnung doch noch etwas über Tom zu erfahren, nämlich durch die Erstausgabe des Buches "Becoming" von Michelle Obama. Es lag als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum, bis Silvester hatte ich es zweimal aufmerksam gelesen, immer auf der Suche nach dem mystischen Namen "Tom McNulty". Michelle Obama ist etwa im selben Alter wie Tom, beide sind in Chicago geboren, wuchsen dort auf, nach dem Studium war Michelle noch eine Weile in Chicago beschäftigt und in der Demokratischen Partei engagiert, bevor sie zusammen mit Barack später nach Washington übersiedelte. Sie hätte also Tom über den Weg laufen müssen. Keine Silbe, kein Wort von Tom McNulty. Nichts zu finden in diesem Buch. Er ist und bleibt verschwunden!

Ich habe es mittlerweile aufgegeben Nachforschungen über Tom und seinen Verbleib anzustellen. Spätestens wenn er sich als Präsidentschaftskandidat für dieses hohe Amt aufstellen lässt wird man erfahren, ob sein "american dream" in Erfüllung gegangen ist. Ein bisschen Zeit hat er ja noch um sich dann im gediegenen Alter wählen zu lassen, Trump und Biden sind weit über 70 Jahre alt, was bleibt ist die Spannung ob der Name Tom NcNulty doch noch irgendwann irgendwo auftauchen wird.


Old soldiers never die, they simply fade away!

(Alte Soldaten sterben nie, sie verschwinden einfach - Zitat General Douglas McArthur bei seiner Abschiedsrede vor dem Kongress 1951)


Nachsatz: ich habe bis heute noch keinen amerikanischen Traum geträumt!


paarausda_di / m
****_52 Frau
360 Beiträge
…..ich danke dir für deine spannende Geschichte und den damit verbundenen kleinen Blick auf die „ amerikanische „ Lebens- und Denkart“ …..ich hoffe , „Tom McNulty“ konnte sich den einen oder anderen Traum erfüllen….
es ist einfach so , in den seltsamsten Situationen fallen einem Menschen ein , die uns ein Stück begleitet haben , und man fragt sich , was wohl aus ihnen geworden ist ….
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