Meiner Beobachtung nach ist das regional unterschiedlich. Hier in München wo ich aktuell wohne, sind sehr viele Leute extrem sparsam was die Kommunikation mit anderen Menschen betrifft, und dazu gehört auch das Anlächeln.
Einerseits verständlich, reiner Selbstschutz, denn in einer Millionenstadt kannst du nicht mit jedem der dir entgegenkommt eine Verbindung herstellen, das macht dich nach spätestens 50 Metern fertig.
Andererseits sehr schade, denn das bleibt den Leuten und sie verhalten sich dann grundsätzlich auch innerhalb der bekannten und nicht gar so bevölkerten Zonen abweisend und in sich gekehrt.
Jetzt komme ich aus Augsburg, wo die Menschen ähnlich drauf sind, also eigentlich nichts Neues. Aber gegen die Münchner sind sogar die Augsburger, denen man ja nachsagt, sich in der Wirtschaft grundsätzlich jeder an einen eigenen Tisch zu hocken, gesellig und kommunikativ. Wobei ich damals schon jedem, mit dem ich mühelos ins Gespräch kam völlig korrekt auf den Kopf zusagen konnte: Du bisch ned von do, gell?
So richtig aufgefallen ist mir das immer auf Reisen. Egal ob Stadt oder Land, die Menschen sind anderswo auffallend freundlich, zugewandt und herzlich. Man hält hier ein Schwätzle oder da, und geht danach wieder seiner Wege. Einfach so.
Das ist das eine. Dann das andere, das Anlächeln fremder Menschen.
Da bin ich grad in der Ausprobierphase. An sich bin ich nämlich ein eher zurückhaltender Mensch und nach all den Jahren in Augsburg und München wahrscheinlich auch schon ein professioneller Grantscherben geworden. Und ja, ich hab das in den letzten Jahren auch zunehmend vermißt, das freundliche Lächeln der anderen. Und grimmig vor mich hingeschaut, wie die meisten anderen Leute auch.
Bis ich draufkommen bin, daß halt einer anfangen muß damit, und das könnte ja auch mal ich sein. Seither versuche ich, dranzudenken. Das ist bei Veränderungen anfangs immer das Schwierigste: Dandenken, es anders machen zu wollen.
Das immer wieder zitierte Beispiel mit der Kassiererin im Supermarkt kann ein guter Anfang sein. Sie (oder er) freut sich und selber hat man auch was von dem praktizierten Lächel-Austausch. Vor allem weil ich grundsätzlich gleich in der Früh einkaufe, weil mich die Menschenmassen sonst erschlagen, und man sich da noch wirklich 'begegnen' kann.
Natürlich bringt es nichts, jetzt jeden angestrengt anzugrinsen, die merken das ja auch und schütteln innerlich den Kopf, aber ab und an, einfach mal probieren.
Besonders ältere Menschen freuen sich total. Wie die aufblühen wenn man sie einfach nur freundlich grüßt. Eine Zeitlang stand so eine arme alte Frau immer am Eingang der U-Bahn und hielt ihren Wachtturm vor sich. Es war jedes Mal wie ein Wunder, beobachten zu dürfen, wie die müden Gesichtszüge durch das Aufstrahlen sofort verändert wurden. Das ist einfach nur wunderschön für beide Beteiligten.
Natürlich gibt es auch Rückschläge. So wird es dem Mann ergangen sein der
@****na von seinen frustranen Lächelexperimenten berichtet hat. Da gibt sich einer schon einmal Mühe und wird nur schief angesehen. Womöglich hat er eine Etage zu tief gelächelt und die Damenwelt war darob erbost? Man weiß es nicht.
Passiert mir natürlich auch. Neulich am Bücherschrank beispielsweise. Steht auf einmal einer hinter mir, ich sag freundlich Hallo und lächle, er tut so als wäre ich nicht vorhanden. Hm ok. Nicht persönlich nehmen, das nächste Mal wird es sicherlich besser. Und mit der Zeit werden die Lächler, die wir auf Reisen schicken, durch die gesamte Stadt gehen und immer öfter auch wieder zu uns zurückkehren.
Ein schönes Bild, finde ich. Laßt es uns angehen. Das Lächel-Experiment.