Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Ü50 Österreich
1476 Mitglieder
zum Thema
... eine kleine Kugel, die es in sich hat!72
Stelle Euch vor, was ich aus der Reise in meine Heimat mitgebracht…
zum Thema
Wer hat Erfahrungen mit der Viball Kugel von Theros?20
Ich habe mir die Viball Kugel von Theros bestellt und bin vorab…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Lieber ne Kugel .....

****imu Mann
1.296 Beiträge
Themenersteller 
Lieber ne Kugel .....
Es gibt einige Menschen, die bei noch voller physischer und psychischer Gesundheit sagen "Wenn ich dement oder pflegebedürftig werde, gebe ich mir lieber ne Kugel".

Kürzlich hat ein recht bekannter Mann, Deutschlands oberster Survivler Rüdiger Nehberg (79) dies in einem Interview mit dem Stern öffentlich geäußert. Von seiner Psyche her kann ich das nachvollziehen, schließlich war das Motto seiner Aktionen immer, alles ganz allein ohne fremde Hilfe zu schaffen. Offenbar kann er es nicht ertragen, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.

So sehr ich seine Aktionen und sein soziales Engagement schätze, hat es mich doch etwas schockiert, aus prominentem Mund so etwas zu hören.

Da für uns in dieser Gruppe solche Dinge nicht in unendlich ferner Zukunft liegen sondern unerbittlich näherrücken, möchte ich folgende zwei Fragen stellen:

1. Ist eine solche Haltung ethisch vertretbar oder eher bedenklich?

2. Falls vertretbar, ist es richtig, dies öffentlich zu äußern, zumal als Prominenter?

Es geht mir wohlgemerkt nicht darum, dass einzelne Fälle eintreten können, wo ein solcher Schritt in Erwägung gezogen wird, sondern um diese eindeutige Haltung schon im voraus.

Infos zu diesem Interview findet ihr hier:

http://www.stern.de/panorama … etzt-auf-gleich-2106607.html
*****har Paar
41.020 Beiträge
Ich muss gestehen, dass ich so etwas auch schon mal geäußert hab. Lange Zeit war für mich ein Selbstmord nichts anderes als eine Art Notausgang.

Heute sehe ich das anders, vor allem aus spirituellen Gründen. Aber es steht meiner Meinung nach jedem frei, dazu seine ganz eigene Sichtweise zu haben und auch zu vertreten.

Wenn jemand also nun mal so denkt und das auch ehrlich äußert, halte ich das für respektabel. Es ist ohnehin deprimierend und diskussionswürdig, dass Jahr für Jahr über 10.000 Menschen sich per Suizid aus diesem Leben verabschieden - weit mehr als z. B. durch Verkehrsunfälle.

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen schon im Voraus so denken und für den Notfall einen Selbstmord zumindest mal in Erwägung ziehen. Warum auch nicht? Mir wäre es, hätte ich diese Haltung heute noch, völlig egal, ob das ethisch vertretbar ist oder nicht. Und ich würde auch offen dazu stehen.

Was spricht denn aus Deiner Sicht möglicherweise dagegen?

(Der Antaghar)
****imu Mann
1.296 Beiträge
Themenersteller 
@Antaghar
Zu deiner Frage

Was spricht denn aus Deiner Sicht möglicherweise dagegen?

hast du ja schon selbst eine Richtung gegeben:

Es ist ohnehin deprimierend und diskussionswürdig, dass Jahr für Jahr über 10.000 Menschen sich per Suizid aus diesem Leben verabschieden

Offenbar sind wir uns darüber einig, dass diese hohe Zahl von Selbstmorden nicht begrüssenswert ist. Auch wenn man der Meinung ist, dass Selbstmord in der Freiheit jedes Einzelnen liegt, ist es doch in Frage zu stellen, ob es richtig ist, durch eine öffenliche Äußerung wie die von Herrn Nehberg dafür noch indirekt Werbung zu machen.
Wenn dieses Beispiel Schule macht, könne sich eine öffentliche Meinung herausbilden, dass jeder Demente und Pflegebedürftige ein schlechtes Gewissen haben muss, seinen Angehörigen und der Gemeinschaft zur Last zu fallen.
Dass so ein Statement in einer so reichen Gesellschaft und von einem Menschen kommt, der wohl nicht an der Armutsgrenze lebt, finde ich beschämend.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Ich verstehe. Du meinst, das sei eine Art Werbung für Suizid.

Wenn Du das so siehst, muss ich Dir bis zu einem gewissen Grad zustimmen. Das wäre dann nicht in Ordnung. Ich sehe es jedoch eher als ein aufrichtiges, ehrliches und offenes Statement.

Ich denke, es ist eher sehr unwahrscheinlich, dass jemand, der ohnehin nicht an Selbstmord denkt, durch solch eine Aussage wie die von Rüdiger Nehberg auf die Idee kommt, sich umzubringen. Es mag vorkommen, dürfte aber extrem selten sein.

Und die Verbindung zu all den Menschen, die ihren Mitmenschen "zur Last fallen", kann ich auf Anhieb nicht erkennen. Das mag aber auch daran liegen, dass ich ebenso denke: Bevor ich jemandem wirklich zur Last falle, also ein totaler Pflegefall werde, würde ich zumindest auch mal darüber nachdenken, ob ich mir nicht das Leben nehmen sollte.

Ob ich es dann im Ernstfall wirklich tue? Wer weiß?

Dass Du dieses Statement von Herrn Nehberg beschämend findest, ist Dein gutes Recht. Und man kann es auch aus einem bestimmten Blickwinkel mit Fug und Recht so bewerten. Ich sehe es anders und halte es, wie gesagt, eher für eine ehrliche Meinung, über die man trefflich diskutieren kann.

Deshalb gebührt Dir auch mein Dank für den Anstoß dieser Diskussion, denn das Nachdenken über diese Thematik ist wichtig, gerade wohl auch in unserem Alter ...

(Der Antaghar)
****imu Mann
1.296 Beiträge
Themenersteller 
Danke für deine Offenheit. Ich möchte betonen, dass ich hier keine moralischen Regeln aufstellen will, sondern nur meine ganz persönlichen Gedanken
und Gefühle äußere und natürlich jedem die seinen lasse.

Ich sehe immer deutlicher zwei Aspekte bei dieser Sache, einen offenen und einen verdeckten.
Der offene ist, dass so ein Pflegefall für die Angehörigen und/oder die Allgemeinheit eine Belastung ist, sowohl finanziell als auch psychisch. Das kann im Einzelfall durchaus heftig werden, aber es gehört doch zum Leben und in unserer Überflusgesellschaft müsste das doch immer zu stemmen sein - sowohl individuell als auch gesamtgesellschaftlich.

Den anderen Aspekt habe ich in meinem EP schon erwähnt, vermutlich deshalb, weil er bei mir auf Resonanz stößt - und offensichtlich auch bei dir. Ich vermute, dass wir mit Herrn Nehberg etwas gemeinsam haben - wir sind relativ selbständige, unabhängige Persönlichkeiten, die ihr Leben selbst auf die Reihe kriegen und nicht für alles Mögliche um Hilfe bitten - eine Eigenschaft, die tendeziell (zwar in abnehmenden Maße) den Männern zugesprochen werden kann.
Die Vorstellung, völlig hilflos und für alle Kleinigkeiten auf fremde Hilfe angewiesen zu sein hat da etwas Beängstigendes. So ganz aus dem hohlen Bauch heraus, ohne statistische Daten im Hintergrund würde ich vermuten, dass es hauptsächlich Männer sind, die solche Gedanken haben.
Ich habe das in einem Tantra-Encounter probeweise mal durchexerzieren können und es war schon eindrucksvoll, was das mit einem macht.
Profilbild
******ies Mann
5.496 Beiträge
Und wenn kein ...
"Werkzeug" dazu da ist, sich eine Kugel
in den Kopf zu schießen - gibt's andere
Möglichkeiten "Schluss zu machen" ...!

Meine Frau arbeitet halbtags in einem
Altenheim, in dem alle Bewohner dement
sind (mehr oder weniger ausgeprägt).
Was sie da jeden Tag erzählt - ist so
grauslich, dass ich mich ernsthaft frage:
Welchen Sinn hat ein solches Leben noch?
Da ist es meiner Meinung nach absolut
in Ordnung, wenn jemand sich dafür
entscheidet, dieses Leben zu beenden -
so lange es noch möglich ist ...

Es ist nicht nur die Hilflosigkeit der alten
Menschen - viel schlimmer ist die Tatsache,
dass der Personalschlüssel dermaßen eng
gehalten wird (um Kosten zu sparen und
mehr Gewinn herauszuholen) dass die
Altenpflegerinnen keine Chance haben,
den Menschen menschlich zu begegnen.
Einzige Prämisse: Satt und Sauber ...
wobei das "sauber" sehr relativ ist. Manche
Bewohnerin sitzt 2 Stunden mit vollen
Windeln da, weil sie sich selbst nicht mehr
säubern kann und niemand Zeit dafür hat,
sie zu versorgen ...

Und weil die meisten dementen Bewohner
"ohne Geist" sind - gibt es Situationen,
die extrem unappetitlich sind ... z.B. welche
"Kreationen" sie mit ihren Exkrementen
gestalten (wenn sie sich körperlich noch
bewegen können).

Sich NICHT "um die Ecke bringen" aus einer
spirituellen Haltung heraus ... das kann ich
akzeptieren - verstehen allerdings nicht.
"Spiritus" ist auch "Geist" - wenn der aber
nicht mehr da ist ... welchen Sinn hat ein
solchen Leben noch?

Ich glaube sicher, dass ich ein "Kandidat"
für einen Suizid bin - wenn ich die ersten
Anzeichen von Demenz an mir feststellen
sollte. Da mache ich kein Hehl daraus.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Meine Partnerin arbeitet seit vielen Jahren in einer Einrichtung, in welcher geistig, körperlich und psychisch behinderte bzw. gehandicapte Menschen betreut werden.

Dort gibt es auch viele, die eigentlich völlig gesund waren, aber durch Fehler bei einer OP oder auch durch Unfälle und andere Ursachen (Schlaganfall, vom Blitz getroffen etc.) auf einmal völlig hilflos sind, nicht einmal mehr kommunizieren oder selbst essen können, die ihre Ausscheidungen nicht kontrollieren und nicht mal Bücher lesen oder fernsehen können.

Manche nutzen das vielleicht für sich in meditativer Hinsicht (wie z. B. der von mir bewunderte Clemens Kuby, der auf diese Weise sogar eine Querschnittslähung soweit besiegen konnte, dass er heute wieder völlig unabhängig leben und gehen kann), andere vegetieren offensichtlich nur vor sich hin. Und ich, der ich dort immer wieder mal ehrenamtlich aushelfe, schaue sie manchmal an und frag mich, was das wohl für ein Leben ist und wie ich fühlen und denken würde, wäre ich in ihrer Situation ...

Ja, ich bin auch einer dieser Menschen, der sehr gerne allein klarkommen möchte. Aber das ist für mich gar nicht der eigentliche Grund, wenn ich da auch an Selbstmord denke. Ich aus meiner persönlichen Sicht würde solch ein Leben wohl als "unwürdig" empfinden.

Es gibt ein wunderschönes und überaus berührendes Bilderbuch zu diesem Thema, das ich immer wieder mal zur Hand nehme und mir aus dem Herzen spricht: "Der rote Wolf" vom leider verstorbenen F. K. Waechter über die Erlebnisse eines kleinen Hundes. Und dieser bittet sein Frauchen darum, ihn dann, wenn er kein würdiges Leben mehr führen kann, doch bitte rechtzeitig in die Schlucht der Wölfe zu werfen. Ich bewundere diesen kleinen Hund - und ebenso das Mädchen, zu welchem er gehört, denn es verspricht es ihm. Und als es so weit ist, hält das Mädchen sein Versprechen.

Diese Geschichte entspricht ziemlich genau dem, was ich zu diesem Thema denke und fühle.

(Der Antaghar)
****imu Mann
1.296 Beiträge
Themenersteller 
Stufen
Nach diesen sehr klaren Beiträgen möchte ich das Problem noch ein bisschen mehr ausdifferenzieren und für die Selbstmordfrage drei Stufen feststellen.

1. Ist Selbstmord grundsätzlich ethisch oder religiös vertretbar? Damit meine ich nicht einen lange im Voraus geplanten Schritt, sonden den Selbstmord als Ausweg aus einer verzweifelten Situation.

2. Ist es ethisch vertretbar, Selbstmord schon lange im Voraus für bestimmte Situationen fest einzuplanen und dafür auch die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen (Pistole, Giftkapsel)?

3. Ist es ethisch vertretbar, den in 2. gefassten Plan publikumswirksam zu veröffentlichen?

Ich vermute, dass schon bei Punkt 1 die Meinungen gespalten sind. Wenn ich es aus christlicher Sicht betrachte, dann sehe ich schon da ein klares und deutliches NEIN und die beiden anderen Punkte erledigen sich damit von selbst. Das heisst nicht, dass ich für mich so etwas ganz ausschließe.

Auch von meinem spirituellen Hintergrund her neige ich in allen Fällen eher zum Nein.
So eine Situation hat für mich etwas mit Karma zu tun und Karma ist nichts Unveränderliches, dem man sich nur fügen muss, sondern eine Herausforderung, aus dem Gegebenen das Beste zu machen, auch wenn es noch so aussichtslos erscheint. Antaghar hat da ja ein schönes Beispiel genannt.
Ein weiterer Aspekt ist folgender: Man kann Demenz (Alzheimer) auch als extreme Form von dem auffassen, was spirituell suchende Menschen unter großen Mühen zu erreichen suchen- ganz im Hier und Jetzt zu sein. So wie man von Behinderten etwas lernen kann, können wir vielleicht auch von Dementen etwas lernen.

Das letzte Beispiel von Antaghar geht in Richtung Sterbehilfe. Vielleicht ist es besser, diesen Aspekt mal nicht mit einzubeziehen. Das macht die Sache nur noch komplizierter.

Ich habe das Gefühl, solche Gedanken wie die von Herrn Nehberg sind Ausdruck unserer materialistisch geprägten Leistungsgesellschaft, wo Jugend, Kraft, Gesundheit, Fitness und Schönheit ganz im Vordergrund stehen und alle Schattenseiten gerne verdrängt werden.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Ich habe das Gefühl, solche Gedanken wie die von Herrn Nehberg sind Ausdruck unserer materialistisch geprägten Leistungsgesellschaft, wo Jugend, Kraft, Gesundheit, Fitness und Schönheit ganz im Vordergrund stehen und alle Schattenseiten gerne verdrängt werden.

Wie bereits erwähnt, lieber mwalimu, kann man diese Äußerungen von Herrn Nehberg natürlich so auffassen. Wenn sie so gemeint sind, lehne auch ich sie ganz klar ab.

Doch das würde nicht zu ihm passen, denn er ist ja nun wirklich keiner, dem der Materialismus über alles geht. Meine einzige, kurze Begegnung mit ihm nach einem seiner Vorträge hat mir ein ganz anderes Bild von ihm gezeigt, nämlich eines, das so gar nicht zu unserer ansonsten nur auf Jugend, Schönheit und Konsum getrimmten Welt passt.

(Der Antaghar)
********sign Frau
6.854 Beiträge
Ich bin sowohl für Sterbehilfe als auch die Möglichkeit, mir alleine durch Suizid den Gnadenschuss zu geben. Mir geht es wie Herrn Nehberg, ich möchte niemals in diese Tretmühle der Pflegeheime geraten. Oder im Krankenhaus von Apparaten am Leben gehalten werden (es sei denn, sie Brauchen nach meinem Tod noch ein Organ von mir). Ich habe auch aufmerksam die Enthüllung über Pflegeheime des Teams von Günter Wallraff angeschaut und wurde nur in meiner Entscheidung bestärkt.

Da ich der Meinung bin, meine Seele ist mein eigenes Ich, das vom Tod eh nicht betroffen ist, kann ich meiner körperlichen Hülle ohne Bedenken Adieu sagen, wenn die Schmerzen überhand nehmen.

Momentan fehlt mir noch die Möglichkeit, an Gifte oder Munition zu kommen, aber ich weiß, dass ich dann die nötige Hilfe bekomme, wenn ich sie brauche.
"Ethisch vertretbar", was bedeutet das?
Wie sich Individuen letztlich in dieser Sache entscheiden, das bleibt ganz alleine ihre Sache.
Da wir es mit einer endgültig letzten Handlung zu tun haben, hat die Gesellschaft kaum die Macht, Menschen daran zu hindern, ihr Leben zu beenden, wenn sie dies wirklich selbst wollen.

Man könnte also schlimmstenfalls die traditionell sehr gebräuchliche Drohung mit einem Straf- und Rachegott im Jenseits aufwärmen. Einem Gott, dem, sollte er denn existieren, sehr drängende Fragen bezüglich seiner in Teilen überaus zweifelhaften Schöpfung zu stellen wären.

Dass Menschen lediglich deshalb bis zum bitteren Ende weiterleben sollen, um nicht in der Folge "liebe" Mitmenschen (z.B. Erben) in Versuchung zu führen, an Menschen eine baldige "Selbstentleibung" vorzunehmen, sie also moralisch "bei der Stange zu halten" ist für mich, ein höchst sonderliches Argument. Von jemand zu erwarten, er solle lediglich weiterleben, um kein schlechtes Vorbild für andere Menschen zu sein, erscheint mir angesichts dieser existenziell persönlichen Entscheidung kaum Audruck liebevoller Sorge, sondern mehr ein Zeichen von Rechthaberei zu sein.
Und ein Appell, der spürbar mehr aus Rechthaberei denn aus liebevoller Zuwendung erfolgt, dürfte erfahrungsgemäß wenig Erfolg versprechen.

Der sprachliche Ausdruck "ethisch vertretbar" ist in meinen Augen mehr Ausdruck von Herrschaftsanspruch und ansonsten inhaltlich eine Leerformel. Wirklich angebracht ist in dieser Situation einzig eine liebevollen mitmenschlicher Zuwendung, die nicht reglementiert, sonden höchstenfalls im Sinne eines "wir brauchen dich" zaghaft bittet und jegliche mögliche Lebens-Hilfe anbietet.
Darüber hinaus aber bleibt nur der Respekt vor einer freien, wenn auch aus der Not geborenen ( denn wer stirbt schon gerne) letzte Entscheidung.

Gruß vom Brunnenbauer
Hallo mwalimu!
Ich empfinde den von dir angesprochenen Themenbereich als höchst reizvoll im Sinne von herausfordernd, insbesondere weil du deine Fragen in einem Forum stellst, das nach konventionellen Maßstäben als ethisch oder religiös recht fragwürdig angesehen werden darf.
(Und nebenbei bedanke ich mich bei den übrigen Gruppenmitgliedern, die es, ohne gleich über uns herzufallen oder uns zu schelten, schweigend erdulden, dass wir es uns erlauben, in einem vordringlich den leiblichen Genüssen gewidmeten Forum, solch brisante Fragen zu erörtern!)

Meine kritische Einstellung zu gepredigten ethischen Normen habe ich ja schon dargestellt. Wie schon gesagt: Ich sehe Verweise auf ethische Normen eher kritisch, weil sie nach meiner Beobachtung allzu oft weniger als Orientierungshilfe denn als Hebel zur Ausübung von Macht und Herrschaft eingesetzt werden.

Dieser Verdacht nach Machtausübung richtet sich natürlich nicht gegen dich, denn du hast ja lediglich eine Frage gestellt und im Übrigen ist dein Profil ja viel zu sehr freiheitsorientiert, um einen Verdacht auf eine Neigung zu unzulässiger Fremdbestimmung über andere Menschen aufkommen zu lassen. Ich nehme einen starken Gegensatz wahr, zwischen deinem höchst freiheitsbetonten, lebendigen und feinfühligen Selbstdarstellung im Profil einerseits und diesen so formalen und formelhaften Fragestellungen nach “ethischer Vertretbarkeit” andererseits. Und deshalb würde es mich interessieren, weshalb du uns die Frage stellst, ob wir Herrn Nehbergs öffentliche Äußerungen zu sehr persönlichen Entscheidungen, für ethisch vertretbar halten.
Zudem: Führst du uns damit nicht in Versuchung, genau das zu tun, was der Mensch, den wir in deinem Profil vorgestellt bekommen haben, wohl niemals tun würde, nämlich über ganz persönliche Entscheidungen eines anderen Menschen zu rechten, anstatt diesen anderen Menschen selbst zu befragen?

Was Herr Nehberg zur Infragestellung seiner öffentlichen Äußerungen über sein weiteres ganz persönliches Lebenskonzept antworten würde, weiß ich natürlich nicht und ich werde mich hüten, über Herrn Nehbergs ganz persönliche Aussagen zu urteilen, ohne ihn selbst befragt zu haben.
Höchstens eine Gegenfrage gestatte ich mir anstelle einer Antwort: Hätte Herr Nehberg schweigen oder gar lügen sollen, wenn ihm ein Reporter so existenzielle Fragen stellt?
Hier geht es mir so, wie angesichts des öffentlichen Sterbens des polnischen Papstes Johannes-Paul II, das vielerlei Deutungen zulässt: War das damals eine höchst zweifelhafte und geschmacklose “Am-Krankenhaus-Fenster-Sterbe-Schau?” - Oder war es die vorbildhafte Haltung eines Menschen, der orientiert an Christus, sein Sterben genau so hinnahm, wie es ihm von Gott zugeteilt wurde? - Oder war es vielleicht sogar beides zugleich?
Wir können lediglich von außen gesehen zuverlässig sachlich feststellen: Höchst publikumswirksam war es!

Gruß vom Brunnenbauer
****imu Mann
1.296 Beiträge
Themenersteller 
Ethische Normen
Danke für diese differenzierten Äußerungen, die mir viel zu denken geben. Ich bin ein Mensch, der gerne mal eine einseitige Position ergreift, um einen Gegenpol zu einer anderen als einseitig empfundenen Position zu schaffen.

Zuerst war es dieses Bild im Stern-Artikel mit der demonstrativen Kugel-in-den-Kopf-Pose. Das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen. Wenn Herr Nehberg etwa gesagt hätte "Im Falle von Pflegebedürftigkeit oder Demenz erwäge ich so einen Schritt" hätte ich das besser akzeptieren können als diese kompromisslose Entschlossenheit, die in einem anderen Artikel (Berliner Kurier) so beschrieben wurde "Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg spricht von seinem Selbstmord wie andere von der geplanten Weihnachtsfeier. "

Und dann kamen die recht eindeutigen Aussagen anderer Teilnehmer, die eine eindeutige Position ergriffen und als Begründung unter anderem die Situationen in den Pflegeheimen anführten. Da könnte man ja schlussfolgern, dass massenhafte Selbsttötung die ideale Lösung zur Behebung des Pflegenotstands wäre.

Der Begriff "ethisch vertretbar" war wohl nicht besonders gut gewählt, ich hätte klarer herausstellen sollen (das habe ich in einem früheren Beitrag allerdings getan), dass es hier keinesfalls um ethische Grundsätze mit Allgemeingültigkeitsanspruch geht (wie etwa bei Kant, der hier eine eindeutige Position propagiert), sondern für mich sind solche Fragen immer eine ganz persönliche Angelegenheit. Dass ehtische Normen ein Machtinstrument sein können, sowohl in Händen des Staates als auch der Kirche, finde ich auch extrem bedenklich.

Deshalb möchte ich die Fragestellung nach der ethischen Einschätzung zurücknehmen, mit Ausnahme vielleicht der Frage, ob es ein guter Weg ist, in einer so heiklen Frage etwa mit diesem Bild so provokativ und in gewissem Grad auch selbstdarstellerisch an die Öffentlichkeit zu gehen.

Mich beschäftigt auch die Frage nach den Motiven einer solchen Einstellunge und ich habe dazu schon die Vermutung geäußert, dass es neben dem (lobenswerten) Motiv, anderen nicht zur Last fallen zu wollen vielleicht auch noch andere Motive geben kann.

Vielleicht könnte es für einen Menschen, der immer allein klar kommen will, dem es schwer fällt, Hilfe für sich anzunehmen oder gar um Hilfe zu bitten auch einen Sinn haben, die Welt einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen.

Ich denke die Frage, ob Selbsttötung grundsätzlich "legitim" oder "ethisch vertretbar" kann man nicht beantworten, vielleicht darf man sie gar nicht stellen, man kann höchstens im Einzelfall seine ganz persönliche Meinung dazu haben.
Profilbild
******ies Mann
5.496 Beiträge
Ich erlaube mir ...
... kurz anzumerken, dass wir alle nicht dabei
waren, als Herr Nehberg seine Äußerungen
zu seiner suizidalen Planung tätigte.

Ich habe leider schon an mir selbst erlebt,
welche "Story" mancher Journalist aus einem
relativ normalen Satz machen kann.
Das geht (wenn's richtig dumm läuft) bis zur
Geschäftsschädigung.

Die Headline bringt schließlich das Geld -
auch und gerade beim STERN ... der mit den
Hitler-Tagebüchern nicht gerade journalistische
Korrektheit abgeliefert hat. Und dass sich dann
andere Blätter dranhängen ist auch normal.

Was Herr Nehberg wirklich konkret gesagt hat
bzw. in welchem Kontext seine Äußerungen
wirklich zu sehen sind ... da möchte ich lieber
nicht spekulieren ...
Ich wäre nicht verwundert - würde ich erfahren,
dass Herr Nehberg das alles in einem lockeren
"Plauderton" geäußert hat - und der Journalist
das entsprechend "aufbereitet" hat ...

Zum Glück stört niemand mit der Bemerkung,
was dieses Thema hier soll ... Die User, die das
mehrfach getan haben, sind nicht mehr Mitglied
in dieser Gruppe ... *raeusper*

Also: Weiterhin viele gute Gedanken bei dieser
qualitativen Geistesarbeit. Ich bin begeistert ...!!
****imu Mann
1.296 Beiträge
Themenersteller 
Das stimmt allerdings, was Journalisten aus einer Sache machen können ist oft ganz schön dreist.
In diesem Falle ist aber das Foto doch recht eindeutig provokativ und sicher nicht "zufällig" entstanden und auch nicht ohne Zustimmung veröffentlicht.

Ich habe übrigens den Artikel nicht ganz gelesen (nur überflogen beim Warten auf die Pizza), aber das Foto ist hängen geblieben und hat nachgewirkt. Ich habe dann im Internet gesucht und war erstaunt, dass es kaum Medienecho gab. Das ist wohl typisch für das Thema Demenz und Pflegebedüftigkeit. Obwohl wir in einer alternden Gesellschaft leben und so etwas wie ein Damoklesschwert über vielen hängt, wird das Thema lieber verdrängt. Auch die Politik, die die Älteren gerade sehr großzügig beschenkt (ist ja auch die stärkste Wählergruppe) tut in Sachen Pflegenotstand nicht viel.
Und schließlich ist auch die Resonanz in dieser Gruppe recht bescheiden. Klar, auch ich will mir die Lebensfreude nicht mit trüben Gedanken verderben lassen. Aber ich sehe es lieber so, dass bei der Beschäftigung mit diesem Thema mir die noch vorhandene Gesundheit und Vitalität umso kostbarer erscheint und ich jeden Augenblick genießen möchte.
Etwas mehr Aufmerksamkeit und Engagement würde das Los der Betroffenen (zu denen wir vermutlich auch einmal gehören werden) deutlich verbessern.
Profilbild
******ies Mann
5.496 Beiträge
Die Qualität ...
in Alten- und Pflegeheimen steht und fällt ...
(wie fast in jedem Betrieb) mit der Qualität
der Leitung d.h. mit der Führungsfähigkeit
der Leitung.

Die Überprüfung und "Klassifizierung" bzw.
die "Benotung" durch die Krankenkassen
war bisher reiner Quatsch ... und das wird
auch so bleiben (obwohl es jetzt ein paar
neue Regelungen gibt). Solange die Prüfer
sich zur Prüfung anmelden oder es über die
"graue Kanäle" rechtzeitig bekannt wird -
ist das Ganze eine "Show-Veranstaltung".

Erst dann, wenn es eine echte Konkurrenz-
Situation zwischen den Heimen gibt ... kann
sich letztlich etwas ändern. Denn das Heim
kostet den Investor Geld - und erst wenn
es voll belegt ist, kann das extreme Sparen
(falls gewollt) gedrosselt werden. Dann ist es
möglich, mehr Mitarbeiter zu bezahlen, was
den "menschlichen Faktor" sehr verbessert.

Solange niemand auf die Idee kommt, Heime
privat zu inspizieren - so dass die kritischen
Beobachtungen im großen Stil per Internet in
die Öffentlichkeit kommen ... passiert nichts!
(Außer ein paar Politiker-Versprechungen) ...

Erst dann, wenn kritische Stimmen gehäuft
bekannt werden (vor allem in Bezug auf das
eine oder andere Heim) brechen Umsätze ein.
Erst dann setzt ein Umdenken ein!
Solange die Krankenkassen das Sagen haben
und fast jedem Heim ein "GUT" oder sogar
"SEHR GUT" geben (und niemand wirklich mal
hinter die Kulissen schaut) so lange ist die
Vorstellung (da mal rein zu müssen) ein Graus!

Über die eigene (altersbedingte) Hinfälligkeit
bzw. Schwäche will niemand nachdenken.
Für sehr viele Menschen ist das ein Tabu -
ebenso wie das Thema "Tod" ...
Um die Eingangsfrage zu beantworten
Ja und Ja

Immer vorausgesetzt, dass man dann noch zu einer solchen Handlung fähig ist.
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.