Sex im Sprengstoffbunker
aus spiegel.online:
Ich frage mich allerdings, unter welchem Pseudonym ist Sophie Andresky hier im JC unterwegs????
LG, Odette
Sophie Andreskys "Vögelfrei":
Sex als hochkomische Angelegenheit
Swingerclubs, flotte Vierer und viel Situationskomik beim Sex: Sophie Andresky ist Deutschlands erfolgreichste Porno-Autorin. So schamlos ihre Texte sind, so diskret ist die Autorin - Fotos sind verboten, ihr Name ist ein Pseudonym. Stefan Kuzmany hat sie trotzdem hemmungslos ausgefragt.
Wie zufällig berühren sich unsere Fußspitzen unter dem Tisch. Es ist ein Gefühl wie ein elektrischer Schlag, ein erotischer Blitzschlag, und dazu dieser Blick!
Wie das so ist: Journalist (Mann) trifft Porno-Autorin (Frau) in einem Café in Berlin (Kreuzberg), da kann die Phantasie schon mit einem durchgehen. Erkennungszeichen: Andreskys jüngstes Buch "Fuck Your Friends" auf dem Tisch. Wenn das mal nicht auf zu vielen Tischen liegt! Liegt dann aber doch nur auf einem.
Das ist sie also: Sophie Andresky, die zurzeit wohl erfolgreichste deutsche Autorin erotischer Bücher. Es gibt keine Bilder von ihr, der Name ist falsch.
"Wer mich gerne groß und blond hätte, okay. Wer mich gerne klein und rothaarig hätte, auch okay", sagt Sophie Andresky, und ohne zu viel verraten zu wollen: Sie ist weder groß und blond noch klein und rothaarig. Vielleicht sieht sie ein wenig so aus wie die gezeichnete Frau auf der Startseite ihrer Website. Vielleicht auch ganz anders. Sie zu kennen, sie genau zu beschreiben, das würde den Spaß an der Lektüre ihrer Bücher verderben, meint die Autorin: "Man kann Pornografie schlecht nutzen, wenn man die Person kennt, die sie gemacht hat."
Nie etwas mit Pornografie zu tun gehabt? Aber sicher!
Damit sind Sie, liebe Leserin und lieber Leser, garantiert die Zielgruppe. Denn selbstverständlich kennen Sie Sophie Andresky nicht nur nicht von Angesicht zu Angesicht. Sie würden wahrscheinlich auch Stein und Bein schwören, niemals auch nur ihren Namen gehört zu haben. Und selbstredend haben Sie kein einziges ihrer Bücher gelesen, weil Sie sowieso noch nie etwas mit Pornografie zu tun hatten. Schon klar: Sie waren auch noch nie in einem Fast-Food-Restaurant, in Ihrem Radio ist der Senderknopf beim Deutschlandfunk festgerostet, und Ihr TV-Gerät empfängt ausschließlich Arte, vielleicht noch ein wenig 3sat. Sie haben keine Ahnung, wer Sophie Andresky ist. Mag sein. Oder Sie wollen es nicht zugeben. Irgendjemand muss sie ja schließlich gekauft haben, die nach Verlagsangaben 150.000 Exemplare von "Vögelfrei" und die bisher 25.000 Exemplare von "Fuck Your Friends". Und ihre acht weiteren Bücher vorher. Sie nicht, klar.
Sie sind nur neugierig. Also schön. Richten Sie den Neigungswinkel Ihres Computermonitors so ein, dass der Kollege nicht sehen kann, was Sie da gerade lesen. Jetzt sind wir unter uns. Und all Ihr möglicherweise ja doch vorhandener Porno-Autorinnen-Wissensdurst kann hemmungslos befriedigt werden.
Pornos wie das wahre Leben
Sophie Andresky, Jahrgang 1973, hat eines Tages, da nannte sie sich noch nicht Andresky, ganz privat festgestellt, dass es viel zu wenig erotische Literatur gibt. Jedenfalls kaum welche, die ihr gefällt. Henry Miller, Anaïs Nin, "danach war das Ende der Fahnenstange schnell erreicht". Jede Menge Pornos, die Männer für Männer geschrieben haben, "voll von großbusigen, dauergeilen Blondinen", das machte sie nicht an. Und die feministische Literatur zum Thema erst recht nicht: "Muttergöttin hier und Menstruation da, ganz klemmig." Und was sie am Schlimmsten fand: "Alles war völlig humorfrei."
Sophie Andresky jedoch hält Sex für eine hochkomische Angelegenheit, ständig passieren Pannen, Menschen keuchen wie Tiere, Glieder werden verdreht und Speckröllchen aufgerollt. Andresky wollte Pornos, die wie das Leben sind. Also begann sie, selbst welche zu schreiben.
Testweise schickte sie einige ihrer Kurzgeschichten an den Verlag Bastei-Lübbe - "die haben mir dann direkt einen Vertrag geschickt". Später folgte eine Kolumne in der deutschen Ausgabe des Männermagazins "Penthouse". Und jetzt liegt bereits das zweite Taschenbuch in der Reihe "Heyne Hardcore" vor.
Buchkauf erst nach der Fickprobe
Die Handlung - spielt die überhaupt eine Rolle bei einer Autorin, die sagt, man müsse bei erotischen Büchern "die Fickprobe machen"? Die, von Andresky beim Pornobuchkauf nach eigenen Angaben selbst angewandt, geht so: "An fünf verschiedenen Stellen aufschlagen, und wenn da kein Sex vorkommt, taugt das Buch nichts." Schnell die Probe gemacht: "Fuck Your Friends" taugt was, im andreskyschen Sinne jedenfalls. Und wer auch den Rest liest, wird feststellen, dass sich die Autorin angesichts ihres eigenen Kaufverhaltens erstaunlich viel Mühe gegeben hat, eine einigermaßen tragfähige Handlung zu konstruieren.
Erste Szene: Paar im Taxi. Sie hat ihm die Einwilligung zu einem Besuch im Swingerclub geschenkt, schon auf der Fahrt dorthin geraten beide in Wallung, der Taxifahrer äugt neugierig in den Rückspiegel. Im Swingerclub dann: mehr Sex. Das Paar lernt ein anderes Paar kennen, im Laufe des Buchs entwickelt sich eine Viererkonstellation, er mit ihr, er mit ihm, sie mit ihr und über Kreuz.
Einer der Hauptkopulanten im Roman ist von Beruf Pyrotechniker, und Andresky hat sich beim Schreiben von einem realen Vertreter dieser Zunft beraten lassen, denn: "Mir ist wichtig, dass alles stimmt." Im Buch gibt es eine erotische Begegnung in einem Bunker, in dem Feuerwerksutensilien gelagert werden. Im Manuskript hatte Andresky zunächst geschrieben, dass eine Figur beim Beischlaf mit dem Ellenbogen gegen Schwarzpulver und mit dem Fuß gegen einen Alkoholkanister stößt - doch das konnte so nicht bleiben: Alkohol und Schwarzpulver in einem Bunker? Auf keinen Fall, sagte der Pyrotechniker.
Der Fluch der Treulosigkeit
Beschreibt Andresky Städte, dann stets nach eigener Recherche vor Ort. Das erotische Quartett besucht auf einer Barcelona-Reise ein arabisches Bad - das gibt es in Wirklichkeit auch, sagt Andresky. Was vielleicht wesentlich wichtiger ist: Ihr Realismus beschränkt sich nicht auf Schauplätze. Die Viererkonstellation bleibt nicht so unproblematisch, wie man es bei einer Aneinanderreihung fröhlicher Sexszenen erwarten würde. Der Titel "Fuck Your Friends" ist bewusst doppeldeutig gemeint, nicht nur eine Aufforderung zur allgemeinen Beiwohnung, auch ein Fluch über Treulosigkeit steckt darin.
Genug von der Handlung, wollen wir mal nicht so tun, als würde die tatsächlich jemanden interessieren. Zurück zur geheimnisvollen Sophie Andresky. Den Nachnamen ihres Pseudonyms hat sie sich aus dem Film "Sissi - Die junge Kaiserin" geborgt, da gibt es den schmucken Grafen Andrássy, den fand die junge Porno-Autorin schon immer süß, wusste aber nicht genau, wie man ihn schreibt. Studiert hat sie Kunstgeschichte, auch promoviert, aber zu welchem Thema, das will sie nicht sagen, "zu speziell", schnell wäre sie enttarnt. Sie kommt aus einem kleinen Ort in der Nähe einer etwas größeren Stadt und lebt jetzt sehr gerne in Berlin, denn da ist es aufregend. Kinder will sie niemals haben. Mit diesen Aussagen bleibt ihr Inkognito zweifellos gewahrt.
"Mein Kopf, meine Regeln"
Nein, Sophie Andresky hat keine Lust darauf, in der U-Bahn von wildfremden Menschen auf ihre Vorlieben angesprochen zu werden oder Dildogrößen zu diskutieren. In Talkshows mag sie nicht auftreten ("So spannend bin ich nicht"), und vielleicht tut sie auch besser daran, sich mit ihrer Meinung zur Sexualität in einer zunehmend prüderen Gesellschaft nicht der direkten Konfrontation auszusetzen. "Bei mir erklärt keiner seine Wünsche oder entschuldigt sich dafür", sagt Andresky, "Gedanken sollte man nicht reglementieren." Nachfrage: Auch keine Gedanken, in welchen Tiere eine Rolle spielen? Oder Kinder? "Mein Kopf, meine Regeln", antwortet Andresky, "jedenfalls, solange die Gedanken nicht das Gehirn verlassen. Dafür gibt es ja den völlig gesetzlosen Raum der Phantasie." Und sie stellt klar: "Selbstverständlich sollten reale Handlungen reglementiert werden."
Für Sophie Andresky gibt es keine "gute" und keine "dreckige" Sexualität, es gibt nur Individuen mit ganz unterschiedlichen Vorlieben. Dass sie wegen der Viererhandlung ihres Romans zunehmend als Beziehungsexpertin befragt wird, befremdet sie daher: "Ich habe für mich privat einen Weg gefunden, aber ich maße mir nicht an, da allgemeingültige Regeln zu formulieren. Als Paartherapeutin bin ich weder kompetent noch fühle ich mich dazu berufen."
"Leute, tütet euch ein!"
Ihr privater Weg ist, so viel verrät sie immerhin, eine mehr oder weniger exklusive Zweierbeziehung mit einem Mann, der, das wird nicht so ganz klar, entweder ihr Freund oder ihr Gatte ist und mit dem sie schon beim Frühstück darüber diskutiert, ob beziehungsweise warum er sich nicht mal Gegenstände einführen möchte. Kleiner Scherz, inspiriert von der Lektüre des Kinsey-Reports. Reine Recherche. So wie ihre Besuche in Swingerclubs, die sie zwar wegen ihrer Arbeit besichtigt hat, aber den gleich um die Ecke unseres Treffpunkts würde sie privat eher ungern besuchen: "Ich stelle mir da immer so schmuddelige, leicht müffelige Matratzen vor. Ich finde das nicht wirklich attraktiv."
Zwar bekommt Sophie Andresky viel eindeutige Leserpost (hauptsächlich von Männern, obwohl ihre Zielgruppe eigentlich Frauen sind) und wird auch von Paaren eingeladen, aber diese Offerten lehnt sie allesamt "formvollendet" ab. Es ist nicht so, dass sie irgendetwas verwerflich fände, was ihr da an SM- oder Swinger-Phantasien geschrieben wird - sie hat nur keine Lust darauf, das alles selbst wirklich zu erleben. Wenn andere das tun, hat sie nichts dagegen. Erwachsene dürfen mit Erwachsenen alles tun, worauf beide Lust haben.
Wenn sie - neben der Erzeugung besserer Pornografie für die Welt - eine Mission haben sollte, dann nur diese: "Leute, tütet euch ein!" In ihren Romanen werden konsequent Kondome verwendet. "Das ist mein Kreuzzug. Ich sehe keinen Mehrwert darin, beim Vögeln sein Leben zu riskieren." Abgesehen davon sei es für die Frauen nach dem Sex viel angenehmer.
Als sie darüber spricht, kommt gerade der Kellner an den Tisch und fragt, ob er noch etwas bringen dürfe. Sophie Andresky muss ein wenig kichern. Und wie sie da so lacht, gar nicht verrucht, sondern einfach nur, weil die Situation lustig ist, da verfestigt sich der Eindruck, der sich schon kurz nach dem Beginn der Begegnung eingestellt hatte: Diese Sophie Andresky ist eine normale junge Frau - nur eben eine, die zufällig Pornos schreibt.
Und das mit den Füßen war wohl eher Zufall. Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht allzu enttäuscht.