es bleibt hart...
Ist es neu, dass Frauen belästigt werden - verbal, körperlich, sexuell?
Nein.
Passiert seit Jahrzehnten, Jahrhunderten.
Macht es keinen Deut besser, rechtfertigt es heute nicht, macht jeden einzelnen Fall heute zu einem schlimmen Fall.
Ist der Ausspruch dieser Frau Ü60, die die TE zitiert, nachvollziehbar? Leider ja.
In der Zeit, auf die sich die Frau bezieht, war es leider völlig normal, dass 'der Mann' (egal in welcher Position er war, in welcher Beziehung er zu der Frau stand) 'der Frau' überlegen war und daher tun und lassen konnte, was er wollte. Daher tat frau gut daran, sich still zu verhalten. Weil der Mann die Macht hatte.
Weil es, wie gesagt, in dieser Gesellschaft als gegeben angesehen wurde, dass 'Männer' 'immer' wollen und können, und dass 'Frauen' 'immer' sittsam und tugendhaft und züchtig sind. Und generell weniger Lust auf Sex haben.
Als Mann wähntest du dich daher nicht nur auf der sicheren Seite, wenn du übergriffig wurdest, es galt sogar als un-männlich, wenn du nicht übergriffig wurdest. (Stichwort Gruppendruck)
Als Frau hattest du solche Übergriffe daher stillschweigend hinzunehmen, weil sie eben 'normal' waren, 'dazu gehörten' und ja überhaupt auch - in völliger Perversion der Verantwortung - als 'Kompliment' gesehen werden sollten, denn nur Frauen, die 'geil aussahen' wurden überhaupt belästigt.
Frauen, die sich zur Wehr setzten, solche Übergriffe öffentlich machten, galten als Nestbeschmutzerinnen, als kompliziert, als Zicken.
Und zwar leider sowohl bei Männern als auch bei den Frauen, die sich mit der Gesamtsituation arrangiert hatten. Denn so ein Sich-Arrangieren hat ja auch seine Vorteile: Frau wird versorgt, gilt als 'gute Frau', gilt als 'unkompliziert' und somit als potentielle Partnerin.
Sprich, sie muss sich um nix mehr selber kümmern.
Zahlt sie einen Preis dafür? Natürlich.
Nennen wir den Preis Freiheit.
So viel hat sich nicht geändert seitdem:
Damit wird jede Frau, die sich eben nicht arrangieren will, zur Gefahr: denn sie zeigt, wie ein Leben ohne Rundumversorgung, ohne permanentes Gelobt-und-Geliebt-Werden aussehen könnte. Sie zeigt vor allem: das es möglich ist!
Und damit stellt sie eine Bedrohung dar:
für die Männer, die froh sind, 'die Frauen' soweit unter Kontrolle zu haben, dass sie eben nicht kompliziert sind.
Für die Frauen, die sehen, dass eine Frau, die den Mund aufmacht, kompliziert ist, "zickig" nicht gleich tot umfällt oder ein Leben in Sack und Asche führen muss. Ganz im Gegenteil.
Das ist in meinen (!) Augen der Grund, warum Frauen auch (und oft sehr vehement) von Frauen angefeindet werden, wenn sie sexuelle Belästigung ansprechen, öffentlich machen und sich nicht (mehr) gefallen lassen.
Gleichzeitig unterstelle ich vielen dieser 'stell-dich-doch-nicht-so-an'-Frauen, dass sie damit auch signalisieren wollen: Männer, seht her, ICH bin nicht so zickig, kompliziert oder männerfeindlich wie diese blöde Kuh.
Gerade bei Diskussionen hier auf dieser von uns so geliebten Plattform kommt von Frauen auch immer wieder das Argument, dass "wir doch alle" wüssten, wo wir uns hier befinden.
Ja, auf einer Sex-Plattform. Gibt das Menschen das Recht, ungefragt Schwanzbilder zu verschicken oder Frauen als Schlampen zu beschimpfen, die entweder mit Mann A nicht sofort ins Bett steigen wollen nach einer Mail oder die entweder jede Woche mit 4 verschiedenen Männern ins Bett steigen? Nein.
Was hat respektvoller Umgang oder gegenseitige Achtung mit dem Umfeld zu tun, in dem man sich begegnet?
Im Zuge der #metoo-Debatte kam auch gerne das Argument, mann traue "sich ja gar nicht mehr zu flirten, weil gleich eine Anzeige drohe". NEIN: jeder Mensch kennt die Grenze zwischen einem Flirt und einer Übergriffigkeit.
Zumindest sollte sie ein erwachsener Mensch kennen.
Ich persönlich fand und finde dieses Argument in höchstem Maße männerfeindlich, weil es unterstellt, dass Männer a- den Unterschied zwischen Flirt und Übergriffigkeit nicht kennen (also doof sind) und b- reine triebgesteuerte Wesen sein, die gar nichts für ihre Taten könnten (also auch noch unfähig sind).
Gerade in Sachen Respekt und gegenseitige Achtung sind wir halt weiterhin auf einem langen, steilen und steinigen Weg.
Weshalb ich wieder dahin komme: In einer Welt, in der Frauenrechte selbstverständlich sind, werden letztlich auch Menschenrecht mehr geachtet.
Feminismus ist also alles andere als männerfeindlich. Ganz im Gegenteil!