Hi Nebeltanz.....
...das kann frau nun ja gar nicht so pauschal sagen...... Ich denke ohne diesen Film (oder die Filme) lebt es sich auch ganz gut.
Allerdings war es für mich auf verschiedenen Ebenen dann doch überraschend oder auch spannend.
Zum Einen, seit einigen Jahren bewegt sich das Thema Sex weg aus der Schmuddelecke, sonst wären wir - oder viele von uns - wohl auch nicht hier im JC.
Diese gesellschaftliche Akzeptanzveränderung kann man langatmig wissenschaftlich erklären, man kann aber auch ganz einfach den veränderten medialen Umgang mit dem Thema bemerken. Dazu gehörten ganz sicher die Staffeln der Fernsehserie SATC.
Zum Anderen, und das ist meine ganz persönliche Erfahrung, war SATC bei meiner Tochter so eine Fortführung des pubertären Bravolesens und trug damit auch ein wenig zu ihrer sexuellen Selbstfindung bei. Lange her ist das ja schon.
Nun aber, in Wiederholungen der TV-Folgen oder beim gemeinsamen Kinobesuch, stellt sich ganz locker so eine gemeinsame Ebene ein im Gespräch. Generationsübergreifend gemeinsam über verunglückte Blowjobs und Schamhaarfrisuren zu lachen hat ja auch was.....
Ich fand im Spiegel eine sehr gelungene Kritik von SATC2. Hier ist sie:
Ein ganz großer Fummel ist das, keine Frage: Auch der zweite "Sex and the City"-Film kombiniert alles mit allem - Politik mit Pop, Kulturkritik mit Kitsch, Feminismus mit Haute Couture. Nur die dämliche Islam-Schelte steht dem Film leider gar nicht.
Wir brauchen keine Entwicklungsromane mehr. Wir haben ja Fernsehserien. Sie liefern uns gültige Modelle für Erwerbsbiografien und romantische Werdegänge, Karrierewege und erotische Lebensmuster. Haben wir von den "Sopranos" nicht mehr gelernt über die Paradoxien des bürgerlichen Lebens als von jedem Updike-Roman? Hat uns nicht "Ally McBeal" die Logik einer postfeministischen Existenz viel näher gebracht als hundert Siri-Hustvedt-Texte?
Und dann war da "Sex and the City" ("SATC"), sozusagen das telematische Begleitbuch für die Vita der Frau von 30 bis 40. In die große Stadt gehen, Erfolg haben und gleichzeitig den Mann fürs Leben suchen: Die Serie übersetzte das Stilprinzip der neueren Frauenzeitschriften fürs Fernsehen, ergänzt um eine Dramaturgie, die man aus den epischen Großversuchen der Moderne kennt. "Vogue" und "Elle" trafen auf "Manhattan Transfer", Lippenstift-Tipps auf multiperspektivisches Erzählen. Als hätten John Dos Passos und die Marketingabteilung von Gucci eine Geschichte weiblicher Selbstbilder entworfen.
Diese Großstadtfrauenlegende endete nach sechs Staffeln mit einem Fragezeichen: Würde Carrie Mr. Big heiraten? Das Problem hatte kulturkritische Brisanz, denn es ging ja um die Vermittlung hedonistischer und konservativer Modelle. Die lustbetonte Romantikerin und der dandyhafte Manager: Würden sie die Dialektik des Entwicklungsromans, verstanden als Reifeprozess aus Durchsetzungs- und Anpassungsbewegungen, vollenden?
Ja, tun sie. Nach dem ersten "Sex and the City"-Film, der vier Jahre nach dem Serien-Aus ein Kassenschlager wurde, sind wir jetzt endlich im Finale dieser phantastischen Geschichte angekommen. Carrie (Sarah Jessica Parker) ist verheiratet, Charlotte (Kristin Davis) ist verheiratet, Miranda (Cynthia Nixon) ist verheiratet. Nur die notorische Männerverschlingerin Samantha (Kim Cattrall) hat die Libido nicht eingehegt. Man wird sehen, dass ausgerechnet dieses Bekenntnis zu einem freien femininen Begehren die Schwachstelle des Films ist.
Aber erst einmal: Eheleben. In Frauenzeitschriften gerechnet heißt das: Es ist Zeit, sich von "Maxi" und "Myself" zu verabschieden und zur "Brigitte Woman" zu wechseln. Man bleibt zu Hause und widmet sich dem Interieur (Carrie). Man versorgt den Nachwuchs und sorgt sich um das Kindermädchen (Charlotte). Man ist nach wie vor eine Karrierefrau, die nicht nur mit anstrengenden Kids, sondern auch mit einem nervigen Boss klarkommen muss (Miranda).
Konsequent blättert der Film einen Servicekatalog auf, randvoll mit Mode und guten Tipps: Sei dankbar für deine neue Nanny, auch wenn ihre Brüste deinen Ehemann um den Verstand bringen. Lass dich nicht von dämlichen Vorgesetzen kujonieren. Und vor allem: Veröde nicht vor dem Flatscreen mit Instant-Essen auf dem Schoß und dem schnarchenden Ehemann nebendran.
Das ist vor allem Carries Problem, deshalb muss sie vor ihrem überraschend häuslich gewordenen Mr. Big (Chris Noth) ins Ausland fliehen. Samantha hat passenderweise einen Trip nach Abu Dhabi organisiert. Dort residiert das Quartett in einem Sechs-Sterne-Hotel. 1001 Nacht, wie die "Für Sie" das bebildern würde, ein Wellness-Traum der touristischen Spitzenklasse.
Bis hierhin ist alles gut, im Sinne von: der perfekte Mix aus Bonmots und Product Placement, Slapstick und Marketing. Das war ja schon an der Serie bestechend gewesen: Der emotionale Kitsch, der mit Ironie zum Camp veredelt wurde. Man konnte schmunzeln und schluchzen mit den Girls, wie sie durch ihre Lebensdramen stöckelten, die vor allem Liebesoperetten waren, bunt ausstaffiert von führenden Designern und oft erstaunlich nuanciert, was Plots und Figuren anging.
Nun aber, im arabischen Emirat, soll die Couture auf Kritik, der Pop auf Politik zugeschnitten werden. Dafür muss sich Samantha noch enthemmter geben, im Restaurant die Erektion ihres Begleiters betatschen und in einem Suk mit Kondomen um sich werfen. Das soll dann libertäres Bewusstsein sein, wie es via New York die Metropolen des Mittleren Ostens aufmischt.
Wer hätte gedacht, dass sich ein Augenzwinkern so schnell in einen erhobenen Zeigefinger verwandeln kann: Samanthas Revolte gegen Verhüllungszwang und Sexverbot ist stumpfester Kulturchauvinismus. Die selbstironische Distanz, mit der die "SATC"-Frauen ihre kapitalistische Zurichtung zu Konsumpuppen betrieben, ihre coolen Gesten des gespaltenen Bewusstseins, das zwischen Feminismus und Zynismus vermitteln konnte, sie sind plumper Agitation gewichen. Die entrüsteten Muslime, die schwitzende Riesendekolletees bei Tisch als Affront empfinden, werden als Knallchargen der Reaktion gezeigt - dabei sind sie nur sittsam und kultiviert.
Der Film versucht selbst, sich aus dieser dramaturgischen Falle herauszuwinden: Er manövriert die Amerikanerinnen in ein Hinterzimmer, wo streng verhüllte Muslima einen Buchclub abhalten. Begeistert vom Schick des ausländischen Besuchs lüften die Orientalinnen ihr Geheimnis: Unter den Burkas stecken die neuesten Kollektionen von Chanel, Yves Saint Laurent und Dior.
Solidarität ist eine Frage des gemeinsamen Outfits, sagt diese Szene, und wenn die Internationale der Frauen überhaupt eine Linie braucht, dann hat sie nicht Judith Butler, sondern Karl Lagerfeld entworfen. Konsum ist die letzte große, Grenzen überschreitende Vision, und kein noch so strenges ideologisches Korsett wird das verhindern.
Womit man wieder in New York wäre, dem Trend- und Modemekka, in dem ein schwuler Heiratsplaner Sätze sagen kann wie: "Was schlimmer als Erblinden ist? Eine Stoned-Washed-Jeans mit passender Jacke!" Von diesen Bonmots lebte "Sex and The City", von einem Esprit, der in seinen besten Momenten an die Galanterie Oscar Wildes erinnerte und der den Orient nur als Kulisse braucht, nicht als Einsatzort für eine pseudokritische Agenda.
Hätten sie nicht einfach in Manhattan bleiben können, die vier? Ihr Roman war ja schon ans Ende gekommen, das bürgerliche Programm erfüllt. "Sich selbst im andern zu finden", wie die Essayistin Susan Sontag das Verfahren der exotischen Sinnsuche im Fremden nannte, das wäre auch beim Durchblättern eines Modemagazins ("So anziehend ist Arabien") gegangen.