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mal was anderes - gegen den Strom

******ana Frau
1.996 Beiträge
Themenersteller 
mal was anderes - gegen den Strom
Liebes Weibsvolk,
Liebste Gunboys,

ich mach hier mal einen Thread auf, der als kleines Sammelsurium dienen soll. Hier kann alles rein, was Euch im Alltag an bemerkenswerten Personen auffällt, die -anders- sind. Menschen, die gegen den Mainstream leben, in welcher Art auch immer.

Kommentare sind natürlich erwünscht und erbeten.

LG Su
******ana Frau
1.996 Beiträge
Themenersteller 
Der Hebammer
Beitrag abgelehnt.

Bitte das Urheberrecht beachten!

BK - JOY-Team

Der Sekretär – allein unter Frauen!
Sehr nachhaltig beeindruckt hat mich vor vielen Jahren mal ein Kollege, der der einzige Mann in einem Team von 6 Assistentinnen war. Ein absoluter Exot und ein Fels in der manchmal heftigen „Brandung der Östrogene“. Er hat oft –bewusst oder unbewusst – ausgleichend und mäßigend gewirkt, wenn es mal wieder zwischen den Damen hoch her ging.

Leider war es in diesem „Team“ so, wie es oft Frauen nachgesagt wird, die miteinander arbeiten müssen: von einem „Team“ konnte keine Rede sein, es wurde gehetzt und gelästert und geneidet (für mich schlussendlich auch ein Grund mich nach einer anderen Arbeitsstelle umzusehen). Ich habe oft gedacht, dass er doch bei diesem Hühnerstall eigentlich zum Frauenhasser werden müsste, aber er war immer gleichbleibend freundlich, hilfbereit und hat Tempotaschentücher und Bonbons verteilt und getröstet und beruhigt und blieb dabei trotzdem immer professionell und effizient.

Ich bin ein durchaus emotionaler Mensch und oft ungeduldig. Am Arbeitsplatz hört für mich der Spaß auf, wenn durch dieses Rummgezicke von dummen Menschen die Effektivität und der Spaß an der Arbeit leidet. Ich habe kein Verständnis dafür, denn schließlich ist man nicht im Kindergarten und dort um Freunde zu machen, sondern man muss „nur“ miteinander arbeiten können. Ich muss mein Gegenüber nicht lieben, ich muss es nicht einmal leiden können, um mit ihm zu arbeiten. Ich erwarte Professionalität und die beinhaltet einfach ein Mindestmaß an Respekt und Höflichkeit..... doch ich bin offensichtlich zu starr in meinen Ansichten und erwarte „zu viel“.

Mein Kollege hat mir gezeigt, dass beides geht: Professionalität und Akzeptanz – auch derer, die eigentlich durch ihr Verhalten wenig Anlass dazu geben und Sand im (Arbeits-)Getriebe sind!

Sein Verhalten hatte für mich absoluten Vorbildcharakter und ich frage mich heute noch oft: “Wie würde F. die Situation jetzt handhaben?!“
Für mich war er damals ein Held des Alltags ;-)))
******ana Frau
1.996 Beiträge
Themenersteller 
ups tschuldigung das urheberrecht...
einfach auf der homepage der zeit nachsehen, ressort karriere- männliche hebamme

lg su
gesellschaftlicher Wandel
interessant, dass mittlerweile als Erstes Männer in typischen Frauenberufen genannt werden. Noch vor wenigen Jahren wäre es anders herum gewesen. Ist es jetzt also an der Zeit, dass die Männer aus den klassischen Rollen ausbrechen?
Ich bin Altenpfleger.....einer von insgesamt 4 bei einem Personalbestand von annähernd 100 Mitarbeiter. Die PDL ist, na klar, männlich. Die Heimleitung auch. Die "Schwestern" hingegen alle weiblich-außer den 4 Exoten. Nett: werde von einigen ebenfalls mit "Hallo Schwester" begrüßt *g*
Wanderschäfer
Vor ca. 2 Tagen lief eine Dokumentation über den letzten, einzigen Wanderschäfer Österreichs. Seit über 30 Jahren zieht er mit über 1000 natürlichen Rasenmähern durch die Republik. Im Grunde obdachlos, nicht sozialversichert, minderbegütert(er kann seinen Besitz ja nicht ständig mit sich herumschleppen!), dennoch akzeptiert, wenn auch belächelt. Ein Idealist, gegen den (Zeit)Strom, nicht gegen, aber vor allem nicht mit der Gesellschaft, dafür ständig am Mobiltelephon. Verrückt. Faszinierend!
******ana Frau
1.996 Beiträge
Themenersteller 
Plastik
Nachdem die österreichische Physiotherapeutin Sandra Krautwaschl den Film "Planet Plastic" (Werner Boote) gesehen hat, begann sie mir ihrer Familie das Experiment, möglichst plastikfrei zu leben.
Tupperware, Plastikspielsachen, Plastikverpackungen... all dies verbannt die Familie aus ihrem Alltag. Wo es möglich ist, wird auf andere Materialen umgestiegen. Weidenkorb statt Plastikkorb, Glas statt Plastikbehälter etc.

Mir wurde erst beim Lesen des Artikels über die Familie auf der taz hp (Autor Alexander Musik) richtig bewusst, wie voll unser Leben mit diesem Material ist. Und wie hoch unsere Abhängigkeit

Sandra Krautwaschl führt einen Blogg. Einfach mal googlen. Ja, der PC ist sicherlich auch aus Plastik...

lg su
**********abund Mann
1.031 Beiträge
Schmunzelnd lese ich das Thema unter 'Leichte Kost'. Betrachtet man das Leben von Menschen, die 'anders' leben, nonkonform, so ist deren Alltag seltenst eine leichte Kost.

Ich lebe in einem ländlichen Raum mit etwa 150 Einwohnern je km². Da ticken selbst die Uhren noch anders. Das Wort 'mainstream' hat hier noch keine Wurzeln geschlagen.

Beispiele werde ich hier nicht darbieten: wer Anders-Menschen sehen will, wird es.

Doch, da sie mir gerade in die Hand fiel, möchte ich auf einen interessanten Artikel in der GEO 2/2010 hinweisen: QUERDENKER - Ein Aufruf zum gedanklichen Ungehorsam.
Hierin geht es um AndersForscher - Eigensinnige, Eigenbrötler, Wichtigtuer, Unbeirrbare usw....nonkonforme Menschen, also keine Herdentiere wie das Schaf, also ohne (neudeutsch) 'Teamgeist'.
lebt nicht jeder mensch anders als ein anderer?
zum "querdenken" benötigt es einer intelligenz, anders, als irgendeine schöpfungsinstanz dem durchschnitt zugedacht hat. ich sage bewußt "einer" statt etwa "mehr", denn ich denke an menschen mit geistiger behinderung, deren iq-stand debil genannt und mit unter 80 punkten gezählt wird. diese menschen denken kreuz und quer, grad- und schräglinig, aber anders als der mainstream- verglichen mit nicht-behinderten menschen. innerhalb ihrer "community" sind sie individualisten, viel mehr, als nichtbehinderte es sein könnten.
"anders ist normal", heißt es als ein statement der "lebenshilfe".
ich finde, das sagt alles.
es geht nicht darum, sich als querdenker zu isolieren und sich über eine masse zu stellen uns sich durch sein anderssein zu definieren, sondern vielmehr darum, sich und sein anderssein zu integrieren.
**********abund Mann
1.031 Beiträge
@ Arsene
'Querdenker' führte ich nur als ein Beispiel für 'anders' an.
Sie werden sich selbst seltenst als 'anders' oder Individualisten feiern. Nicht sie isolieren sich, sie werden isoliert. Bitte nicht verdrehen! Wie du in einem NachbarThread sehr gut beschreibst, gehört immens viel Mut dazu, sich entgegen der Masse der Gesellschaft zu bewegen. Sie sind Teil der Gesellschaft, sogar ein notwendiger.
@dschaeff
Sich nicht als "Individualist" oder "anders" zu bezeichnen, obwohl man es an allen Ecken und Enden bemerkt, wie sehr man sich von der Masse unterscheidet-grenzt das nicht an Selbstverleugnung, und ist das nicht ein Massenphänomen *gruebel* ?
Höflichkeit ist garantiert kein Massenphänomen, doch höflichst seine Individualität zu verschweigen, empfinde ich als falsch-als falsche Bescheidenheit.
Zum Isolieren widerum gehören mindestens zwei, nicht wahr?
Wenn ich mich isolieren lasse, habe ich die Arschkarte genauso wie wenn ich isoliert werde; unnötig also Deine Unterscheidung in passiv-aktiv.
**********abund Mann
1.031 Beiträge
@ Arsene

Danke für die interessanten Betrachungen.
Es heißt "BetrachTungen", dschaeff.
Im übrigen: Gern geschehen *g*
@ Arsene+dschaeff
Wir sind alle furchtbar individuell! *g*
******ana Frau
1.996 Beiträge
Themenersteller 
anders normal
erinnert mich an meine lieblingsszene aus "life of brian"

als brian zum religiösen führer erwählt wird und des morgens die fensterläden öffnet und eine rede hält. genau hab ich s nicht mehr im kopf, aber er weist darauf hin, dass alle individuen sind
"ihr seid alle verschieden!"
aus der menge ertönt
"ich nicht!"

das ist wahre individualität *g*

lg su
******ana Frau
1.996 Beiträge
Themenersteller 
Ärztin der Ungeduschten

Jenny De la Torre ist Deutschlands bekannteste Obdachlosenärztin. Aus einer ABM-Stelle wurde ihre Lebensaufgabe, aufhören will sie nicht mehr.

Als Erstes musste sie neu atmen lernen. Das ist wichtig, wenn man am Bahnhof als Ärztin arbeitet – flach durch den Mund atmen oder kurz die Luft anhalten, wenn ein Patient ganz schlimm riecht. Damit sie nicht umkippt. Zu Jenny De la Torre kommen Menschen, die manchmal jahrelang keinen Arzt gesehen und monatelang nicht geduscht haben. Die gebürtige Peruanerin arbeitet als Obdachlosenärztin in Berlin. Zufällig ist sie da reingerutscht, und jetzt will sie nicht mehr damit aufhören.

De la Torre ist 56 Jahre alt, eine kleine, energische Frau mit Perlenohrringen und Sommersprossen. Eine Hand steckt in der Hosentasche, die Schultern sind leicht nach vorn gebeugt wie bei jemandem, der schnell zupackt und nicht lang zaudert. Sie redet ruhig, ohne zu bevormunden. Es wirkt, als spräche sie mit einem Kumpel, nicht mit einem Obdachlosen.

Heute sitzt ein Mann vor ihr, Mitte 50, sein Gesicht ist rot, und seine Augen wirken glasig. Er hat blonde Haare, vorne kurz, hinten lang, er trägt eine Krücke und ein gestreiftes T-Shirt, das sich über seinen Bierbauch spannt. »Sie haben ein Loch im Fuß«, sagt die Ärztin. Ihre Mitarbeiter waschen dem Obdachlosen die Füße, cremen sie ein, verbinden sie und geben ihm frische Socken. Als der Mann am Tag zuvor zum ersten Mal in der Praxis aufgetaucht war, mussten sie ihn erst in die Dusche stellen und von Kopf bis Fuß gründlich waschen. Er hatte zuvor mehrere Wochen unter freiem Himmel geschlafen, kaum gegessen, aber viel getrunken, die Kleidung nicht gewechselt. Sie wollte ihn eigentlich sofort ins Krankenhaus schicken. Aber er weigerte sich: »Nicht ohne Geld«, hatte er gesagt. »Soll ich da schon wieder betteln müssen?«

Er ging stattdessen in eine Notunterkunft für Obdachlose. Doch heute Morgen wurde er hinausgeworfen. »Ich war gestern wieder alkoholisiert, das gebe ich zu«, sagt er. Aber nett und höflich sei er gewesen. »Ich will nicht wieder auf dem Friedhof schlafen.« Ob Frau Doktor nicht ein gutes Wort für ihn einlegen könnte?

Eine Viertelstunde später ruft sie in der Notunterkunft an. Der Patient zeige sich kooperativ, sagt sie am Telefon. Und: »Ich bin ein bisschen zuversichtlich. Wir dürfen jetzt nicht aufgeben.« Dann legt sie auf. Ihr Patient hat wieder ein Bett. »Ich bedanke mich ganz herzlich«, sagt der und verbeugt sich leicht.

Jenny De la Torre bietet ihren Obdachlosen vieles – aber keine Betten. Bei ihr arbeiten ein Augen-, ein Haut- und ein Zahnarzt, ein Orthopäde, ein Internist, ein Psychologe, ein Anwalt und ein Friseur. Unter dem Dach werden Essen und Kleider verteilt. Die meisten Mitarbeiter kommen ehrenamtlich in das Gesundheitszentrum für Obdachlose, das Jenny De la Torre im September 2006 eröffnet hat. Mit Preisgeldern und Spenden hat sie die gemeinnützige Jenny De la Torre Stiftung gegründet und in Berlin-Mitte ein denkmalgeschütztes Haus mit einem großen Garten für das Zentrum gekauft. Das Haus und ihr Gehalt finanzieren sich vollständig durch Spenden.

In der Straße parken die BMWs, Smarts und VWs der Anwohner, in der Nachbarschaft hat die Werbeagentur Scholz & Friends ein Büro. Im Treppenhaus stehen Kakteen im Übertopf, die Wände sind frisch gestrichen, im kleinen Wartezimmer liegen die Berliner Zeitung und eine alte Ausgabe der Bahnzeitschrift Mobil. Wenn ein Patient vom Stuhl aufsteht und Schmutz kleben bleibt, kommt ein Mitarbeiter mit Desinfektionsspray.

Angefangen hat alles vor 18 Jahren im Wartezimmer einer Organisation für arbeitslose Ärzte. Dort lernte Jenny De la Torre zufällig eine Frau vom Hilfsprojekt »Schwangere und Mütter in Not« kennen, die für eine ABM-Stelle eine Ärztin suchte. De la Torre sagte: »Hier bin ich!« Doch die Frau wollte eine Gynäkologin, und Jenny De la Torre wollte lieber als Kinderchirurgin im Krankenhaus arbeiten. Schließlich hatte sie das einst gelernt. »Außerdem, ABM-Stelle? Was ist das? Kenne ich nicht.« Doch eine Woche später bekam sie dann überraschend einen Anruf von der Hilfsorganisation: »Wir möchten Sie unbedingt haben. ABM erkläre ich Ihnen. Machen Sie das!«

Also arbeitete Jenny De la Torre zunächst in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei dem Schwangerenprojekt. Dabei kümmerte sie sich auch erstmals um obdachlose Menschen. Um schwangere Frauen ohne Schuhe beispielsweise. Seither hat sie kaum noch Kinder operiert. »Kinderchirurgie ist aber immer noch so eine Art Heimat«, sagt sie. »Ich bekomme schon manchmal etwas Heimweh.«

Im Jahr 1994 landete sie schließlich als Obdachlosenärztin am Ostbahnhof im Keller. Ein Raum, zwölf Quadratmeter, ohne Telefon, ohne Fenster, direkt neben der Küche. Es roch nach Erbsen- und Kartoffelsuppe. »Manchmal habe ich mich nicht getraut, die Tür aufzumachen«, sagt sie. »Die Leute saßen vor der Tür und aßen, und ich hatte einen Patienten da, dem die Socken eingewachsen waren, der sich monatelang nicht gewaschen hatte.«

Anfangs träumte sie oft von ihren Patienten. Und von Läusen, Würmern und Milben. »Einmal habe ich geträumt, das Ungeziefer würde mich auffressen«, erzählt sie. »Ich habe mich gefragt: Wie lange wirst du das ertragen können, jeden Tag so einen Menschen zu sehen?« Anfangs wollte sie noch weglaufen. »Aber das hätte mich nie wieder losgelassen«, sagt sie. »Ich hätte trotzdem immer an diese Menschen gedacht und mir Vorwürfe gemacht, dass ich ihnen nicht geholfen habe.«

Im Jahr 2008 lebten in Deutschland etwa 20.000 Menschen auf der Straße, schätzt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. In Berlin waren es nach Angaben des Berliner Senats rund 2000. Einige hat Jenny De la Torre schon von der Straße geholt. 15 bis 20 Prozent schaffen den Absprung, schätzt sie. Einen ihrer ehemaligen Patienten hat sie vor Jahren zufällig getroffen. »Ich habe ein Bild von Ihnen an der Wand hängen«, sagte er. »Da hängt meine Tochter, und da hängen Sie.« Und einmal rief eine frühere Patientin an. Jenny De la Torre hatte sie und ihren drogenabhängigen Freund lange behandelt, dann aber jahrelang nicht mehr gesehen, weil sie in einer eigenen Wohnung lebten. Die Patientin reichte den Telefonhörer weiter an ihre sechsjährige Tochter. »Tante Jenny«, sagte die, »ich wollte dir nur sagen, mein Papa ist jetzt im Himmel.«

Seit 16 Jahren betreut sie jeden Tag bis zu 30 Patienten. Dafür hat Roman Herzog sie 1997 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und im Mai dieses Jahres erhielt sie von der Berliner Charité die Ehrendoktorwürde verliehen. Als Gastdozentin bringt sie dort seit zwölf Jahren den jungen Studenten bei, wie sie Obdachlose richtig behandeln müssen. Patienten, die sich nur einmal untersuchen lassen, die vier Monate lang ihren Verband nicht wechseln oder eine ganze Packung Antibiotika auf einmal schlucken. Einige der Studenten haben nach dem Seminar bei Jenny De la Torre hospitiert oder ehrenamtlich gearbeitet.

Geboren wurde De la Torre in einem kleinen Dorf in den Anden im Süden Perus. Sie habe immer schon Ärztin werden wollen, erzählt sie. Anfang der siebziger Jahre begann sie dann mit ihrem Medizinstudium in der Hauptstadt Lima. Sie wollte ihr eigenes Geld verdienen, schließlich wollten ihre drei Geschwister auch studieren. Deswegen strickte sie nachts Babysachen und verkaufte sie tagsüber auf dem Markt.

Eines Tages las eine Kommilitonin im Seminarraum eine Grußkarte aus Deutschland von einer Mitstudentin vor: »Schöne Grüße aus Rostock, ich studiere hier Medizin«, stand da. »Da habe ich gehört, dass es diese Stipendien gibt, und meine drei besten Freundinnen und ich haben gesagt: Das machen wir auch. Einfach so, ganz spontan.« Letztlich ging Jenny De la Torre als Einzige in die DDR. Sie dachte an Robert Koch und Albert Einstein und dass es fantastisch sein muss, in Deutschland zu studieren. Als sie ankam, verstand sie kein Wort. »Ich konnte nur ›Milch‹. Ich dachte, dass ist ja wie Englisch – milk.«

Nach dem Studium folgte eine Facharztausbildung zur Kinderchirurgin, dann eine Promotion an der Charité, abgeschlossen summa cum laude. Mitte der achtziger Jahre wollte sie zurück nach Peru, doch dort wurde ihr DDR-Abschluss in Medizin nicht anerkannt. Also kam sie zurück, arbeitete hier und da, war irgendwann arbeitslos. Dann traf sie die Frau vom Schwangerenprojekt.

Den Patienten mit der Krücke und dem Loch im Fuß kennt »Frau Doktor« noch vom Ostbahnhof. Er schwärmt von ihr. Kein Arzt sei so gut wie sie. Ein wahrer Engel! Da lacht sie verlegen und schaut auf den Boden. So viel Lob hört sie nicht gern. Ob er denn schon gegessen habe, fragt sie. »Ihr Körper verträgt den Alkohol viel schlechter, wenn sie so wenig essen.« Essen sei nebensächlich, sagt er. »Ich lebe von Alkohol. Es stellt sich nur die Frage, wie lange noch.«

Jenny De la Torre hofft, dass irgendwann keine Obdachlosen mehr auf Berlins Straßen leben. »Zumindest nicht in diesem Zustand«, sagt sie. Was ihr Hoffnung macht, sie durch den Alltag trägt? »Ich kann nicht nur die Patienten behandeln, sondern ein bisschen auch die Gesellschaft.«

Frauke Lüpke-Narberhaus, DIE ZEIT, 20.08.2010

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