Nun meine Frage: wie erlebt ihr das? Nehmt ihr stärker strukturelle Ungleichbehandlung (also z.B. den fehlenden Zugang zu verantwortungsvollen und damit besser bezahlten Stellen) wahr, oder ist die Ungleichbehandlung okkulter (also z.B. arbeitet ihr in Positionen, die gleich bezahlt sein sollten wie die eurer männlichen Kollegen, aber eben nicht sind trotz gleichem Arbeitsaufwand und Verantwortung), oder ist das ein Phänomen, dass in Eurem Leben gar keine Rolle spielt und ihr kennt es nur aus der Zeitung?
Wie ich das erlebe???
Ich habe mich jetzt die ganze Zeit darum gedrückt, es zu schreiben.
Es ist:
BITTER.
Immer.
Ich hab schon per CM an den Eröffner geschrieben, daß ich es toll finde, daß er diese Frage stellt.
Ich habe die Antwort hinausgezögert, weil ich fürchtete, daß niemand meine unbequeme Antwort will.
Und weil ich es einfach nicht schaffe, den Aspekt der ungerechten Bezahlung alleine zu betrachten.
Ich hatte in der Zeit, in der die Leute sich um eine Ausbildung bemühen, Depressionen. Allerdings wusste ich nichts davon, die Wissenschaft war noch nicht soweit fortgeschritten. Ich konnte mich nur von einem Tag zum anderen schleppen.
Mit Müh und Not habe ich es geschafft, die Ausbildung in einen schlechtbezahlten Frauenberuf durchzuziehen, zum Glück konnte ich verkürzen, länger hätt' ich es nicht ertragen.
Die Depressionen haben nicht nur, aber auch, mit einem saublöden Frauenbild zu tun, daß damals noch rings um mich herum lebendig war.
Die waren ein wirklich massives Hindernis. Ich habe erst mit 30 Jahren etwas Licht gesehen, ab 34 war's dann so wie bei normalen Leuten.
In dieser Zeit bin ich umgezogen. Zum Glück war ich damals schlau genug, den schlechtbezahlten Frauenberuf unter den Tisch fallen zu lassen (er hatte auch noch extrem schlechte Arbeitsbedingungen).
Ich hab dann als unqualifizierte Quereinsteigerin in einem anderen Frauenberuf langsam immer etwas bessere Bedingungen oder etwas besseres Gehalt rausgeholt.
Als ich die Frage hier gelesen hatte, hab ich erstaunt festgestellt, daß ich seit ein paar Jahren nicht unbedingt weniger verdiene als ein Mann, manchmal sogar mehr.
Die Arbeit ist ein so wesentlich wichtiger Bestandteil meiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit, daß sie trotz der himmelschreienden Ausbeutung immer noch der Alternative vorzuziehen ist:
Heiraten und Kinder kriegen wie meine Mutti.
Ich hab es mit 16 Jahren schon kapiert, daß es nicht möglich ist, Kinder in die Welt zu setzen ohne sich na, abhängig zu machen ist eigentlich nicht das Wort, aber "prostituieren" will ich Euch nicht zumuten. Es gab nur ein ganz kurzes Zeitfenster, in dem ich bereit gewesen wäre, Kinder zu bekommen: als ich meinen Mann kennengelernt hatte. Das will wirklich was heissen.
Ich habe noch niemals den Eindruck gehabt, daß diese Gesellschaft wert legt auf meine Existenz oder meinen Beitrag.
Es ist bekannt, daß Frauen aus der Arbeitswelt ferngehalten werden (die Zuverdienstmöglichkeiten bei Hartz IV z. B. halten die Frauen am Herd, die Besteuerung...) und daß Sie trotz Familienarbeit im Alter verarmen. Die gläserne Decke. Die Kindererziehung ...
Daß das geduldet wird - unfaßbar, wie kann das sein?? Was steht im Grundgesetz?
Überhaupt die Frage zu stellen, wie das für mich ist, kommt mir so vor, wie jemanden, dem gerade ohne Narkose ein Arm amputiert wurde, zu fragen, wie er sich jetzt fühlt.
ABER BESSER, ALS SO ZU TUN, ALS OB NICHTS WÄRE !!