Mythen betreffend Prostitution
Vielen Dank für Eure Antworten!
Ich antworte in einem Text auf mehrere Aussagen.
>Wenn ich dann aber höre, dass 90% der Frauen eben nicht freiwillig arbeiten, wenn ich das Schicksal von Opfern von Frauenhandel und Zwangsprostitution anschaue
Moran erklärt, dass wir Menschen immer denken, Zwang könne nur durch Menschen entstehen. Es gibt aber auch Umstände, die zwingen. Und wenn Du jung und ohne Ausbildung und aus einer dysfunktionalen Familie kommst, ist letztlich nur noch der Körper das Kapital. Aber auch andere Situationen können in die Prostitution führen, sie hat auf der Straße immer vor Schulanfang und vor Weihnachten Frauen getroffen, die offensichtlich für Schuluniform und Geschenke für die Kinder anschaffen gingen.
> selber im Gewerbe, schreibt aber als Journalistin, also sind es nicht nur die Erinnerungen einer Person. Leider ist es wohl nicht auf Deutsch erhältlich ?
Nein, sie ist inzwischen auch Frauenrechtlerin und -aktivistin und hat daher Einblick in die aktuelle Industrie und in die aktuelle Forschung. Auf Deutsch wird es derzeit übersetzt, aber es gibt noch keinen Verlag, der es veröffentlichen möchte. Weiß ich zufällig sehr genau, weil ich von der Übersetzerin das Buch zu Weihnachten bekommen habe.
> Frauen aus Afrika kümmert, die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution geworden sind
Letztlich ist es egal, ob man geraubt wird und in unwürdige Arbeitsbedingungen kommt, oder ob man dort seiner Würde beraubt wird. Beiden gemeinsam ist, dass die Frauen zur Ware werden. Diese Sicht auf das Geschlecht ist das eigentliche Problem. Das führt dazu, dass z.B. ein Vater seinem Sohn eine Prostituierte mietet, um dessen Jungfräulichkeit zu beenden. Welche Partner, Ehemänner, Väter werden Jungen, die als ersten Sexualkontakt erleben, dass eine Frau für Geld zu haben ist?
Und das ist das schlimme an einer legalisierten Prostitution. Sie macht diesen Weg zu einem für ALLE Frauen prinzipiell denkbaren. Für keine ist er erstrebenswert.
> Aber das dürfte ein verschwindend geringer Prozentsatz sein - 10% halte ich für eine sehr optimistische Schätzung!
Das ist sicherlich eine Überschätzung. Moran sagt, es geht um drei essentielle skills, um in dem Geschäft zu überleben:
Die Fähigkeit, den Würgereflex zu unterdrücken.
Die Fähigkeit, das Bedürfnis zu weinen zurückzuhalten.
Die Fähigkeit, sich vorzustellen, dass die aktuelle Realität nicht wirklich passiert.
> Allerdings sehe auch ich eine Kriminalisierung der Prostitution kritisch - denn sind die Frauen erst mal entrechtet, geht es ihnen noch schlechter!
Wenn schon Kriminalisierung, dann die der Freier; das Anbieten der "Dienstleistung" sollte aber weiterhin straffrei bleiben.
Beides muss strafbar sein, allerdings mit einem härteren Strafmaß für die Freier. Und mit einem echten und ehrlichen Programm zur Resozialisierung der Frauen. Sie müssen eine Möglichkeit zur Ausbildung und in einen Beruf bekommen. Sonst werden die Umstände sie wieder zwingen. Diese Feinheit an der schwedischen Gesetzgebung war mir nicht bewusst. Ich war auch überzeugt, dass Frauen besser aufgehoben wären, wenn sie nicht auf der Straße arbeiten, sondern in warmen Zimmern. Aber die Bordelle schaffen eine eigene Schattenwirtschaft und erzeugen Raum für kriminelle Machenschaften. Und sie schützen keinesfalls. Bei einer Razzia im Pascha waren von 19 Prostituierten 4 unter 16 Jahren. Da muss meines Erachtens nicht mehr diskutiert werden.
> das Herstellen und Verkaufen von Waffen ist legal - die Nutzung derselben und das Töten von Menschen jedoch nicht!
Das hinkt tatsächlich. In diesem Fall bedeutet es, dass es legal ist, eine Vagina zu haben. Es ist auch legal, sie selbstbestimmt zu nutzen. Aber es darf nicht legal sein, einen Menschen in eine Situation zu bringen, in dem die Vagina (und alle anderen Körperöffnungen) von Menschen benutzt werden. Das Kommerzialisiert den Körper, das hat mit Emanzipation nichts zu tun, sondern mit einer seriellen und millionenfachen Verletzung von Menschenrechten. Es ist eine Schande für unser Land und unsere so hohe Kultur, dass wir das Rauchverbot in Gaststätten und in Zügen mit dem Argument bekommen haben, dass die dort arbeitenden sonst Lungenschäden bekommen - und gleichzeitig eine ganze Gruppe arbeitender Frauen dem Gesetzgeber völlig am Arsch vorbei geht, obwohl sie täglich körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt werden. Die Lungen der Schaffner sind mehr wert als die Seelen der Prostituierten. Das schmeckt mir nicht.
Allerdings ist unsere Gesellschaft, wie die taz neulich auch mal schrieb, von diesen Leuten hier geprägt (und anderen):
"(...) am 15. Mai 1997 unter anderem folgende Abgeordnete gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt: Dr. Norbert Blüm, Norbert Geis, Dr. Burkhard Hirsch, Volker Kauder, Karl-Josef Laumann, Dr. Peter Ramsauer, Horst Seehofer, Erika Steinbach, Dr. Theodor Waigel, Dagmar Wöhrl."
Sehr Ihr die Gleichheit in der Sicht auf Frauen? Wie bitter, dass hier auch zwei Frauen mit abgestimmt haben...
Lese jetzt noch die letzten Seiten und schreibe dann meiner Schwester, dass sie Recht und ich unrecht hatte in der Kriminalisierungsdebatte. Verdammt, gebe das immer so ungern zu.
Louis