Interessant
Da meckert eine Abiturientin in knackig kurzen Hauptsätzen, dass sie "nur" in der Lage ist, Gedichte in 4 Sprachen zu interpretieren.
Ich würde jede Wette eingehen, dass sie nicht die erste ist, die die Frage aufwirft, wozu man die Dinge lernt, die in der Schule gelehrt werden. Sie wird vermutlich auch nicht die letzte sein.
Aus meiner Sicht (Berliner Gymnasium, Abschluss 2006) ist die Schule kein Ort, an dem über Vertragswesen geredet werden sollte - zum einen ist es ein Thema, das selbst Juristen ein Studium lang beschäftigen kann, zum anderen ist die Kultur dafür nicht mehr gegeben.
Angesichts der heutigen pädagogischen Wertvorstellungen stellen sich mir die Nackenhaare auf - ein ehemaliger Kommilitone hat von Mathe auf Lehramt gewechselt, verstand sich binnen 3 Monaten als erleuchtet und befähigt, andere Nachhilfelehrer zu beurteilen, da er ja "richtig Unterrichten lernt".
Was ich mitgenommen habe ist, dass die Schüler heute viel diskussionsfreudiger sind. Das ist per se nichts schlechtes, auch das ist eine Fertigkeit, die unter anderem durch Interpretationen geschult wird.
Allerdings verhandle ich mit meiner Cousine nicht darüber, ob ein Reflexivpronomen groß oder klein geschrieben wird, ob man nicht einfach "informations" schreiben und der Lehrer ein Auge zudrücken kann.
Stellt euch mal die Diskussion im Klassenimmer vor, wenn über AGBs, Kreditraten und Schufa-Einträge philosophiert wird.
Dies sind alles Realitäten, mit denen Bürger sich befassen müssen und die nun einmal sind wie sie sind.
Ich finde es gut, dass offen darüber gesprochen wird, welche Qualifikationen die Schule eigentlich vermitteln sollte, wo die Eltern sich einbringen müssen und ob die Lehrpläne nicht überarbeitet werden sollten.
Dann bitte ich allerdings auch zu klären, wann, wo und wie die Lehrer entsprechend ausgebildet werden sollen - in der neunten hatten wir "Bewerbungstraining", die Vorlagen für Lebenslauf und Anschreiben waren aus den frühen 90er Jahren und schon lange nicht mehr aktuell.
Meine Erfahrung - ich habe meine Eltern (Bänker und Versicherungskauffrau) gefragt, worauf ich bei einem Verischerungspaket, einem Girokonto und dem Mietvertrag achten sollte, wo ich mich informieren kann.
Meine erste Steuererklärung habe ich an einem Mittwoch im Sommer 2008 mit der Sachbearbeiterin zusammen gemacht und siehe da, sie hat mir kurz und bündig erklärt, was sich hinter dem Beamtendeutsch verbirgt.
Dass die EKS-Erklärung für die meisten Angestellten ohnehin eine Option ist und nur "Freelancer" verpflichtet sind, sollte man Naina bei der Gelegenheit vielleicht auch erklären.
Sollte die Schule den Unterricht praktischer gestalten? Sicherlich, Beispiele sind immer anschaulicher als dröge Theorie.
Allerdings macht sich das in den MINT-Fächern deutlich besser, als in den Sprachen. Die müssen eben gelernt werden, auch wenn die Themen nicht immer spannend sind.
Letztlich ist Naina eine von vielen Schülerinnen unserer Generation - sich beschweren ist immer einfach, aber begründet Kritik zu üben würde ja erfordern, dass man Verbesserungsvorschläge hat.