Sinn und Unsinn der Psychologie?!
Bereits seit geraumer Zeit aber auch immer wieder aus aktuellem Anlass mache ich mir Gedanken zur immer weiter fortschreitenden Durchdringung unserer Gesellschaft durch Psychologie, Psychotherapie, Psychoanalyse.Es ist nun über ein Jahrhundert her, dass die Grundlagen der Wissenschaft der Psychoanalyse von ihrem Pionier Sigmund Freud erforscht und dargelegt wurden. Trotz aller im Lichte der modernen Wissenschaft auch umstrittenen Thesen und der Entwicklung immer neuer Theorien, Strömungen und wissenschaftlicher Schulen bleibt ihm eine Leistung unbenommen: die, zu erkennen, dass ein Mensch nicht nur am Körper sondern auch an der Seele erkranken kann und dass es oftmals ein Wechselspiel zwischen beidem gibt. Viele der vormals und bis in die Sechziger Jahre als unheilbar geltenden Störungen können nun therapiert werden und zumindest gelindert oder medikamentös behandelt werden. Über Sinn und Zweck, welche Methoden richtig oder eher falsch sein könnten, mögen Berufenere - nämlich die fach-Menschen diskutieren.
Mir geht es in diesem Thema um eine andere Fragestellung, von der ich mir wünsche, dass sie zwar kontrovers und engagiert aber bitte mit Respekt vor den Ansichten des Gegenübers und vor allem vor der jeweils sprechenden Person geäußert werden.
Mir fallen gesellschaftlich zwei Tendenzen auf:
Die psychischen Erkrankungen wie Burn out, Depressionen im klinisch relevanten Grad, psychosomatische Störungen nehmen zu aufgrund der Anforderungen einer Post-modernen kaum noch industriell sondern eher digital-bestimmten Gesellschaft. Auch die Konflikte, die jeder einzelne individuell zu lösen hat oder jene zwischenmenschlicher Art in Beruf (Mobbing, bossing, etc.) und Privatleben eskalieren oft in einem Maße, das vielleicht "früher" nicht so erkannt wurde aber vielleicht auch aufgrund des Potentials der Selbstheilung in einer Großfamilie eher gelöst und damit unüblicher war. Das vormals Private wird durch ständige Pseudo-Prominenten-Präsenz in den Medien zum gewohnheitsmäßigen Öffentlichen, womit der arme Habermas und die Frankfurter Schule endgültig widerlegt scheinen, und auch Krethi und Plethi wollen seit Erfindung des Internet täglich ihre "15 Minutes of Fame" und teilen der desinteressierten Welt ihre intimsten Details mit.
Die Bereitschaft, diese Probleme und Anliegen in professioneller Hand therapeutisch beleuchten zu lassen, ist jedoch minimal bis nicht vorhanden, denn dadurch gäbe Mann oder Frau sich ja den Anschein der Schwäche und "ich bin doch nicht verrückt!"
Mancher muss erst dramatisch zusammenbrechen, bis er seine Schwierigkeiten tatsächlich lösen will und kann - bis zu diesem Zeitpunkt prävaliert Jammern! (auf hohem Niveau)
Der zweite Aspekt, der mich oft erschreckt, ist die Durchdringung des Alltags mit psychologisierenden Komponenten, Aspekten und Kommentaren. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in Themen, die medial aufbereitet werden, in Diskussionen im Internet, im persönlichen Gespräch nicht Bemerkungen von erkennbar nicht professionell vorgebildeten sondern nur maximal eingebildeten "ZeitgenossInnen" fallen, die vor-schnell zur Stelle sind mit Einschätzungen, die zwar maximale Ahnungslosigkeit erkennen lassen aber ebenso maximale Anmaßung, alles zu wissen, pseudowissenschaftlich analysieren zu können und auch noch den Patenten Rat für jedwedes Problem zu wissen.
Da wird in fünf Sätzen ein Problem anal-üsiert, jedweder Beteiligte mit griffigen angelesenen Begriffen aus den in jeder Buchhandlung in 1001 Ratgebern zu findenden Laienliteratur belegt und am Ende folgt die im Brustton der Überzeugung als wissenschaftliche Tatsache verkaufte Diagnose und ein Lösungsvorschlag.
Ich persönlich habe - in eigener Therapieerfahrung und in zahlreichen Schulungen durch professionelle Psychologen und durch Supervisionen nach Situationen, bei denen ich selber als beratende nicht-professionelle Nicht-expertin aber erste Ansprechpartnerin bei Problemen im beruflichen Umfeld gefragt war, gelernt, dass
1) Laien sich tunlichst mit psychologisierenden Diagnosen zurückhalten sollten
2) Laien zwar durchaus im Freundeskreis engagiert zuhören können und sollen und von ihren eigenen Erfahrungen berichten als mögliches Modell für eine eigene Einschätzung der Betroffenen
3) kein professionell ausgebildeter Therapeut sich anmaßt, die Probleme eines Ratsuchenden mit vorgefertigten Meinungen und Espresso-kurzen Ratschlägen für diesen zu lösen sondern die Klientel durch Gespräche über das Anliegen selbst zu einer Lösung kommen lässt.
Nur wenige der AkademikerInnen hier (oder auch nicht-verbildete im allgemeinen Forum) werden die einschlägige Ausbildung besitzen - viele hier oder auch anderorts gerieren sich aber so.
Ich wollte nun diese meine Wahrnehmung schildern und über Erfahrungen anderer zu diesen Einschätzungen meinerseits diskutieren.
Und auch ein Bewusstsein dafür wecken, dass es vielleicht oftmals unangebracht oder sogar schädlich sein kann, andere mit der als psychologische Weisheit verkauften eigenen Meinung zu klassifizieren und mit unerbetenen Ratschlägen und zu überrollen.
beautydankendfürIhroaufmerksamkeitundeinespannendeDiskussionwünschend