Selbstwert
Hallo,Neulich hatte ich ein ziemlich einschneidendes Erlebnis. Ich bekam den Auftrag ein Konzept zu schreiben und es meiner Vorgesetzten vorzulegen, was ich auch tat. Sie gab es mir mit den üblichen Korrekturen, wie z.B. zwei Tippfehler und Satzbauveränderungen zurück. Ich bearbeitete die Korrektur und legte das Konzeptmeiner Chefin wieder vor. Es kam diesmal mit noch mehr Korrekturen zurück. Doch dieses Mal waren ganze Passagen umformuliert worden. Jetzt sah ich mir die Umformulierungen genauer an. Sie gefielen mir ganz gut, aber es handelte sich eigentlich nur um eine Sache des Geschmacks und hatten mit dem Inhalt rein gar nichts zu tun. Ich war wütend und hatte mit einen Knoten in der Magengegend zu kämpfen. Da ich weiß, wie ich reagiere, wenn ich sauer bin, nahm ich mir ein paar Tage Zeit, um runter zu kommen. In dieser Zeit fiel mir ein Buch in die Hand. Hier wurde an eine der Romanfiguren folgende Frage gestellt: „Was genau ärgert Dich?“ Diese Frage gefiel mir und ich wandte sie auf mein Ärgernis an. Ärgerte mich das Verändern meiner Formulierungen oder die Tatsache, dass sie immer weitere Veränderungen vornahm. Fühlte ich mich in meinem Stolz verletzt? Wieso hat ein anderer Mensch die Macht, mich so aus der Bahn zu werfen? Ich kam zu dem Schluss, dass die Veränderungen, die sie vornahm, eigentlich mir weitere Möglichkeiten der Formulierung Dinge auszudrücken gezeigt hatten. Was mich aus der Bahn warf, war die Tatsache, dass ich mir selbst nicht sicher war, dass das Konzept so wie es war schlüssig und verständlich war. Doch wie kann man erwarten, dass andere mich ernst nehmen, wenn ich selbst so viel Zweifel an mir habe. Ich ging daraufhin vollkommen ruhig und gelöst zu meiner Chefin und legte ihr das Konzept ohne ihre letzten Änderungen vor, sagte ihr, dass ich ihre Änderungen interessant fand, diese aber nicht zwingend für den Inhalt des Konzeptes notwendig seien. Dann fragte ich sie im ruhigen Ton, was sie an mir in letzter Zeit so geärgert hat. Sie sah mich etwas verwirrt an und es entstand eine längere Pause. Dann sagte sie: “ Sie wirken oft bei allem was sie tun, so selbstsicher und scheinen selten an sich zu zweifeln. Da hat mich geärgert, weil ich mir nicht immer so sicher bin, bei dem was ich tue.“ Ich erzählte ihr darauf hin, dass ich mich über sie und die wiederholten Korrekturen geärgert hatte, weil ich mir wiederum entgegen ihres Eindruckes gar nicht so sicher war, wie sie meine Arbeit fand. Ich erzählte ihr auch von der Frage, die ich mir gestellt hatte. Sie lächelte mich an und es musste nichts mehr gesagt werden. Ja, so ist es mit dem Ärger. Ich persönlich habe daraus gelernt mich erst einmal zu fragen: „Was genau ärgert mich denn an dieser oder jener Sache so?“
Liebe Grüße Chris