Weihnachten ist für mich sehr vielschichtig...
zunächst einmal ist Weihnachten auch die hoch-Zeit für die professionelle Lust. Denn alle Männer, die sich einsam fühlen, suchen verzweifelt nach Nähe. Früher habe ich um diese Zeit auch in der Regionalzeitung inseriert und war überrascht über die Resonanz. Da kam dann der Witwer, der im Laufe dieses Jahres die Frau verloren hatte.... und dem es vielleicht gelungen war, sich eine Zeitlang mit vielen Aktivitäten über die Leere in seinem Herzen hinweg zu lügen - aber spätestens am Zweiten Feiertag fiel ihm die Decke auf den Kopf. Denn auch wenn Kinder da sind: irgendwann möchten die dann AUCH unter sich sein...
Da kam dann der Frisch Geschiedene, den das heulende Elend packte, weil er auf einmal Sehnsucht nach seinen Kindern bekam...
Da kam dann der überzeugte Single, dem auf einmal die Decke auf den Kopf fiel, weil alle aus seinem Bekanntenkreis in Familie machten...
Und einmal stand ein ganz junger Hüpfer vor meiner Tür, der sich an Weihnachten mit seiner Freundin gezofft hatte. DEN habe ich dann an den Schultern gepackt, umgedreht und gesagt, er soll dahin gehen, wo er hergekommen ist und sich entschuldigen. An Weihnachten zankt man sich nicht...
Irgendwann im Laufe dieses Nachmittags rief dann seine Freundin an und bedankte sich. Sie hätten zum ersten Mal seit langem wieder mit einander geredet... ich meine RICHTIG und ERNSTHAFT. Und sie würde mir am liebsten einen Blumenstrauß schicken. Ich bin eben manchmal eine verdammt schlechte Geschäftsfrau... Und deswegen habe ich eben KEINE Zweitwohnung in Florida, KEIN Auto der gehobenen Mittelklasse -und es hat noch nicht einmal zu einer Rolex für meinen Mann gereicht... aber damit kann ich leben...
DAS ist die EINE Seite der Medaille...
Die ANDERE Seite... heißt zum Beispiel: Heiligabend gemütlich mit meinem Mann beim Käsefondue sitzen und spät abends in die meditative Weihnachtsandacht in die Kirche um die Ecke gehen. Im Garten eine Kerze für meinen lieben Freund anzünden und an ihn denken, wenn er mit seiner großen Familie Weihnachten feiert. Am Ersten Feiertag mit meinem Mann irgendwo zum Weihnachtsbrunch gehen und vielleicht auch ein bisschen in Kultur machen. Und dann zwischen den Jahren in einem Kloster mit vielen gescheiten Leuten zusammen sein und auf einer Silvstertagung viel über Gott und die Welt reden...
Dieses Jahr ist es allerdings ein bisschen anders als in den Jahren zuvor...
Denn mein lieber Freund ist Ende Oktober bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und die Lücke die er in meiner Seele hinterlassen hat, ist immer noch sehr groß...
Aber ich glaube, ich bin dabei, die Krise langsam zu überwinden: heute waren wir bei meinem großen Bruder und seiner Freundin zum Frühstück - wir sind geblieben bis 18.00, haben gegessen, getrunken, geredet... und ich habe das erste Mal über meinen verunfallten Freund reden können, ohne weinen zu müssen...
Ansonsten: den vorweihnachtlichen Trubel ignoriere ich weitestgehend. Um Weihnachtsmärkte mache ich einen großen Bogen - weil es dort nichts gibt, was mich interessiert. Mein Glühwein ist besser und an Dingen die die Welt nicht braucht, habe ich keinen Bedarf.
Aber ich beziehe seit Jahren einen Adventskalender vom "Andere Zeiten-Verlag" - und freue mich jedes Jahr auf die leicht widerborstige Art, mit der dort mit dem Thema umgegangen wird.
Und am Vorabend des Ersten Advent gehe ich immer in meiner Kirchengemeinde zum Segnungs- und Salbungsgottesdienst. Ich bin dort schon seit Jahren im Vorbereitungsteam und ich merke, dass mir das einfach gut tut...
Weihnachtsdeko gibt es nicht viel... als wir eine Zeitlang sehr wenig Geld hatten, hat mein Mann einen Fichtenzweig aus dem Garten geholt, ans Treppengeländer gehängt - und den haben wir dann dekoriert. Statt Weihnachtsbaum. Das ist dieses Jahr unterblieben, denn ich hatte einfach keine Lust darauf. Aber wir haben es auch nicht vermisst. Aber dafür steht jedes Jahr an Heiligabend ein Siebenarmiger Leuchter auf unserem Esstisch. Und früher habe ich manchmal einen kleinen Buddha dazugestellt.
Zeit haben für sich und andere, mit sich und anderen ins Reine kommen... und vielleicht auch mal einen Paradigmenwechsel im eigenen Leben zulassen... Und in diesem Jahr habe ich für die Enkelin meines toten Freundes eine Adventsgeschichte geschrieben... vielleicht wird sie sie mal lesen, wenn sie größer ist und auch verstehen...