Bemerkenswert an diesem Konzept ist, dass der IWF nicht sagt, eine Steuer müsse erhoben werden, um die Wirtschaft anzukurbeln. Oder in Bildung zu investieren. Oder die maroden Schulen, Kindergärten oder Straßen zu sanieren. Oder den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, mehr Mitarbeiter zu beschäftigen. Oder Innovation zu fördern............
Nein, dies ist weder bemerkenswert noch erstaunlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wann, wie, von wem der IWF gegründet wurde und welche Ideologie hier zugrunde liegt:
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Der IWF wurde 1944 zusammen mit seiner Schwesterorganisation Weltbank infolge der Konferenz in Bretton Woods gegründet. Beide Organisationen werden daher als Bretton-Woods-Institution bezeichnet.
Der IWF hat zurzeit 188 Mitgliedstaaten, deren Stimmrecht sich an ihrem Kapitalanteil orientiert. Die Mitgliedstaaten mit den größten Stimmanteilen sind: USA 16,75 %, Japan 6,23 %, Deutschland 5,81 %, Frankreich 4,29 %, Vereinigtes Königreich 4,29 % und China 3,81 %. Da die Beschlüsse im IWF mit einer Mehrheit von 85 % getroffen werden müssen, verfügen jeweils die USA allein und die EU-Staaten gemeinsam de facto über eine Sperrminorität.
Der IWF vergibt unter bestimmten Auflagen befristete Kredite an Staaten, die unter wirtschaftlichen Problemen leiden .
Bedingungen für die Gewährung von Krediten sind zum Beispiel: Kürzung der Staatsausgaben, niedrige Inflation, Steigerung des Exports sowie Liberalisierung des Bankenwesens.
Die den Staaten auferlegten Bedingungen in Form von Strukturanpassungsprogrammen (SAP) können zum Beispiel Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen wie Sparkassen, Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Telekommunikation usw. sowie Entlassung von bestimmten Gruppen von Mitarbeitern vorsehen.
Quelle: Wikipedia
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European unity und Marshall-Plan
Nach 1945 bauten die USA ein möglichst einheitliches Westeuropa als Bollwerk gegen die sozialistischen Staaten Osteuropas auf, verbunden mit der „kulturellen" Offensive für den American way of life und für Hollywood.
Sie retteten damit zugleich die westeuropäischen Eliten in Banken, Konzernen, dann auch in Politik, Verwaltung, Medien und Wissenschaft, die mit den Nazis kollaboriert hatten, vor Anklagen - insbesondere in den ehemals von den Nazis besetzten Staaten (vor allem Frankreich, Belgien, Niederlande, Italien, Luxemburg, auch Dänemark, Norwegen, Griechenland). Die wichtigsten Instrumente waren Marshall-Plan, NATO, CIA, Investitionen und Kulturindustrie.
Quelle: Werner Rügemer - Die Wertegemeinschaft der lupenreinen Hurensöhne
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Vergleiche hierzu auch:
Dienstbereit - Nazis und Faschisten im Auftrag der CIA
(ausgestrahlt auf Arte TV, 16.10.2013):
Sie waren Verbrecher, manche von ihnen sogar Folterer und Massenmörder: Hochrangige Nationalsozialisten und überzeugte Faschisten waren seit 1945 angeblich europaweit auf der Flucht vor der Justiz der Alliierten. Doch den Siegern ging es weniger um Moral und Gerechtigkeit. Im Kalten Krieg zwischen Ost und West war der Kommunismus für den Westen der Feind - und machte die alten Nationalsozialisten zu willkommenen Mitkämpfern.
Die CIA rekrutierte zahlreiche ehemalige Nazigrößen und italienische Faschisten als Agenten für ihre weltweiten Operationen gegen den Kommunismus. Sie organisierten Folter, Todesschwadronen und Geheimdienste in den pro-amerikanischen Militärdiktaturen Südamerikas. Sie waren beteiligt an Putschversuchen in Italien und sie etablierten Machtstrukturen in Europa. Das offiziell verschwundene Gold des "Dritten Reiches" finanzierte einen Teil dieser Arbeit. Wie weit reichte die Zusammenarbeit der CIA mit den Henkern der Nazis?
Der Dokumentarfilm rekonstruiert eine bisher unbekannte Dimension des Bündnisses zwischen Nazis und der CIA im Kalten Krieg. Anhand jüngst freigegebener Akten skizziert er zum ersten Mal ein perfides, weltumspannendes Netzwerk, das weit in die Machtstruktur der Bundesrepublik reicht. In "Dienstbereit - Nazis und Faschisten im Auftrag der CIA" schreiben Experten die offizielle Geschichtsschreibung des Kalten Krieges um. Es kommen hochrangige Vertreter aus Politik, Presse und der Wissenschaft zu Wort - ebenso wie Stefano Delle Chiaie, ein italienischer Faschist, der heute seine Mittäterschaft bei geheimen CIA-Operationen zugibt. Er berichtet aus dem Innern der unheilvollen Verbrüderung zwischen Verbrechern und Demokratien.
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European unity und Marshall-Plan
Nach 1945 bauten die USA ein möglichst einheitliches Westeuropa als Bollwerk gegen die sozialistischen Staaten Osteuropas auf, verbunden mit der „kulturellen" Offensive für den American way of life und für Hollywood.
Sie retteten damit zugleich die westeuropäischen Eliten in Banken, Konzernen, dann auch in Politik, Verwaltung, Medien und Wissenschaft, die mit den Nazis kollaboriert hatten, vor Anklagen - insbesondere in den ehemals von den Nazis besetzten Staaten (vor allem Frankreich, Belgien, Niederlande, Italien, Luxemburg, auch Dänemark, Norwegen, Griechenland). Die wichtigsten Instrumente waren Marshall-Plan, NATO, CIA, Investitionen und Kulturindustrie.
Der Marshall-Plan brachte entgegen der Legende wenig konkrete Hilfen (Anmerkung: … das Reichsbankgold deklarieren die Amerikaner einfach um ; es wird zu „Naziraubgold“ - dies wurde von den Amerikanern abtransportiert) ---- Karl Bernd Esser hält dies für Diebstahl! ihren Teil des Mashall-Plans hätten die Deutschen somit zweimal bezahlt … - vergl. hierzu den Bericht auf „Arte“: „Dienstbereit“) aber mit ihm wurden unter dem Slogan „European unity" und „single market" Institutionen geschaffen, die Vorstufen der Europäischen Union wurden: Europäische Zahlungsunion, CEEC, OECD, CoCom. Die Handelsbeziehungen wurden liberalisiert. US-Unternehmen investierten in westeuropäische Unternehmen - diese Summen lagen um ein Vielfaches höher als die Marschall-Plan-Gelder. Kredite wurden nur unter der Bedingung gezahlt, dass linke und neutralistische Parteien aus den Regierungen, Parlamenten und Gewerkschaften ferngehalten wurden. Marschall-Gelder flossen heimlich zur Finanzierung neu gegründeter „christlicher" und „konservativer" Parteien. Das American Committee an United Europe förderte und finanzierte über die CIA sowie mithilfe der Ford Foundation und des Rockefeller Institute neue Medien, Kongresse „Freiheit der Kultur", die Europäische Bewegung und die Bilderberg-Konferenz
Quelle: Werner Rügemer - Die Wertegemeinschaft der lupenreinen Hurensöhne
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Faschisten gehörten nur für kurze Zeit zum Feindbild der USA. Im Zuge des “Kalten Krieges rückten Kommunisten in den Fokus der Sicherheits- und Nachrichtendienste. In ihrer Untersuchung Angriff und Abwehr sprechen Klaus Eichner und Gotthold Schramm deshalb von einem “Pakt zwischen den Geheimdienstlern der geschlagenen Wehrmacht und der siegreichen US-Army. Dass die Gründergeneration des bundesdeutschen Geheimdienstsystems von ehemaligen Mitarbeitern des faschistischen Sicherheitsapparates geprägt war, rechtfertige Harry Rositzke, der für die Central Intelligence Agency (CIA) ein operatives Referat gegen die Sowjetunion aufbaute, später mit den Worten: “Es war unbedingt notwendig, dass wir jeden Schweinehund verwendetetn, Hauptsache, er war ANTIKOMMUNIST”.
Es waren”Schweinehunde” wie Reinhard Gehlen. Der hatte seine Geheimdienstkariere unter Hitler begonnen, als Chef der Fremden Heere Ost. Seine durch Folter, Verhöre und Morde erlangten Daten über die UdSSR erchienen den USA so nützlich, dass er 1946 zum Chef des ersten westdeutchen Geheimdienstes gemacht wurde, welcher nach ihm Organisation Gehlen (ORG) genannt wurde.
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Die Tendenz der Geschichte lief nach dem Ende des Nationalsozialismus und der Schwächung der traditionellen Kolonialmächte (Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Belgien) auf Demokratisierung und Entkolonialisierung hinaus, teilweise auf Sozialismus. In West- und Osteuropa wie in Asien hatten die meist sozialistischen und neutralistischen Widerstandsbewegungen gegen die faschistische Achse die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheiten. Die USA machten es sich zur Aufgabe, die Entwicklung mit allen Mitteln aufzuhalten und umzudrehen. Nicht zufällig war es Walter Lippmann, der Vater des Neoliberalismus, der 1946 den Begriff „Kalter Krieg" prägte.
Quelle: Werner Rügemer - Die Wertegemeinschaft der lupenreinen Hurensöhne
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Lippmann ehnte den Kommunismus strikt ab. Lippmann prägte für Journalisten den Ausdruck gatekeeper. Die Gatekeeper würden entscheiden: Was wird der Öffentlichkeit vorenthalten, was wird weiterbefördert? „Jede Zeitung ist, wenn sie den Leser erreicht, das Ergebnis einer ganzen Serie von Selektionen …“ Indem die Auswahlregeln der gleichgeschalteten Journalisten weitgehend übereinstimmen, kommt so eine Konsonanz der Berichterstattung zustande, die auf das Publikum wie eine Bestätigung wirkt (alle sagen es, also muss es stimmen) und jene oben beschriebene Stereotypen-gestützte Pseudoumwelt in den Köpfen des Publikums installiert. Im August 1938 lud Lippmann in Paris zu einem Colloque über die Entwicklung des Liberalismus ein, der angesichts des Versagens der neoklassischen Wirtschaftstheorie während der Weltwirtschaftskrise und des Aufstiegs totalitärer Systeme ins Hintertreffen geraten war. Dieses prägte den Begriff des
Neoliberalismus und ist heute als Colloque Walter Lippmann bekannt.
Zudem prägte Walter Lippmann in seinem Werk The Cold War im Jahre 1947 den von Bernard Baruch ausgesprochenen Begriff „Kalter Krieg“ maßgeblich. Heute ist der Begriff „
Kalter Krieg“ in nahezu allen Sprachen bekannt.
Quelle: Wikipedia
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Die Kennzeichen der neoliberalen Bewegung
Bourdieu macht die
neoliberale Bewegung für die Aufkündigung des Gesellschaftsvertrags und die daraus resultierenden Folgen verantwortlich. Er charakterisiert den Neoliberalismus als konservative Revolution, die ebenso wie die konservativen Revolutionen früherer Zeiten – er erinnert dabei unter anderem an die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts – Restaurationen mit dem »Schein des Revolutionären« zu umgeben weiß. Der Neoliberalismus als konservative Revolution unserer Tage zeigt sich allerdings in veränderter Gestalt. Es geht nun nicht mehr wie früher, um die Beschwörung einer verklärten Vergangenheit, die Feier von Blut und Boden oder die archaischen Themen alter Agrarmythologien. Diese konservative Revolution neuen Typs nimmt den Fortschritt, die Vernunft, die Wissenschaft (in diesem Fall die Ökonomie) für sich in Anspruch, um eine Restauration zu legitimieren, die umgekehrt das fortschrittliche Denken und Handeln als rückschrittlich erscheinen lässt. Sie gibt sich diesen wissenschaftlichen Anstrich, indem sie sich auf eine ökonomische Theorie – eben den Neoliberalismus – beruft und verleiht sich damit die Fähigkeit, als Theorie wirksam zu werden und nicht als Ideologie. Im Namen dieses zum politischen Aktionsprogramm gewandelten wissenschaftlichen Ansatzes vollzieht sich eine ungeheure politische Arbeit, die darauf zielt, die Betriebsbedingungen der »Theorie«, auf die sie sich gründet, herzustellen. Bourdieu bezeichnet es als ein Programm der planmäßigen Zerstörung der Kollektive, die der »Logik des reinen Marktes« Steine in den Weg legen könnten. Das neoliberale Programm bezieht seine soziale Macht aus der politisch-konomischen Macht eben jener, deren Interessen es ausdrückt, der Aktionäre, Finanzleute und Industriellen, die sich geschickt der Mitwirkung verschiedenster Komplizen bedienen, um so schnell wie möglich den Sozialstaat zu begraben, da ihre Kapitalanlagen mit dessen sozialen Errungenschaften als nicht vereinbar angesehen werden. Zu den wichtigsten Strategien der konservativen Revolution, die Bourdieu ausmacht, gehören die Erzeugung von Wettbewerb auf individueller bis hin zur internationalen Ebene sowie die Erzeugung von Prekarität. Beide bedingen einander, auf eine künstliche Trennung soll daher hier verzichtet werden. Durch die Erleichterung der Kapitalmobilität und durch die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer, in denen die Arbeitskosten niedriger liegen, hat man laut Bourdieu die Ausweitung der Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmern auf Weltmaßstab möglich gemacht. Dabei schwächt die Herrschaft weniger Nationen über die Gesamtheit der weltweiten Finanzmärkte die Unabhängigkeit nationaler Finanzplätze. Angriffe des Großkapitals auf einzelne Staaten tun ein Übriges. Die Verteilungsstruktur des Finanzkapitals bestimmt auf diese Weise – je nach Teilhabe – die Politik der einzelnen Staaten und deren Handlungsfähigkeit. Die Zwänge dieser Struktur, die häufig auch als Zwänge der Globalisierung dargestellt werden, geben solchen Mechanismen einen schicksalhaften Anstrich. Der so erzeugte globale Wettbewerb erscheint einerseits als Ursache für die immer mehr um sich greifende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, indem er die Handlungsfähigkeit der Regierungen in Bezug auf den Arbeitsmarkt einschränkt – andererseits ist er aber auch deren Folge, denn er bewirkt »dass die Arbeitnehmer nicht mehr nur der Konkurrenz mit ihren Landsleuten oder gar, wie Demagogen glauben machen wollen, mit den auf dem eigenen Staatsgebiet niedergelassenen Ausländern aussetzt werden, die ja ganz offenkundig die ersten Opfer der Prekarisierung sind, sondern in Wirklichkeit mit den zur Annahme von Elendslöhnen gezwungenen Arbeitern vom andern Ende der Welt«.Zugleich hegt Bourdieu jedoch den Verdacht, dass Prekarität gar nicht das Produkt der mit der Globalisierung gleichgesetzten ökonomischen Fatalität ist, sondern vielmehr das »Produkt eines politischen Willens«. Er sieht sie als Teil einer neuartigen Herrschaftsform an, die auf der Errichtung einer zum allgemeinen Dauerzustand gewordenen Unsicherheit beruht und so das Konzept der »Flexploitation« – Ausbeutung durch »Flexibilisierung« – begünstigt, indem sie unter dem Deckmantel vermeintlich »naturgegebener Mechanismen« Gehorsam und Unterwerfung bei den betroffenen Arbeitnehmern erzwingt. Prekarität als Ausbeutungsstrategie in den privaten und zunehmend sogar in den öffentlichen Unternehmungen erlegt Bourdieu zufolge der gesamten Arbeitswelt, insbesondere auch im Bereich der Kulturproduktion, eine erdrückende Zensur auf, die eine Mobilisierung und das Vorbringen von Forderungen untersagt. Durch die Arbeitslosigkeit wurde die allgemeine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen möglich gemacht oder sogar gefördert. Die Folgen der zirkulär wirkenden Doppelstrategie ›Wettbewerb erzeugt Prekarität erzeugt Wettbewerb‹ werden von Bourdieu in vielen seiner Beiträge namhaft gemacht. Sie wirken so weitreichend und tiefgreifend auf die Gesellschaft und die sie konstituierenden Akteure ein, dass ihre Folgen noch einmal an späterer Stelle behandelt werden (siehe den vierten Abschnitt). Zuvor sollen jedoch noch einige weitere Themenkreise besprochen werden, die in engem Zusammenhang mit den Machtstrategien des neoliberalen Denkens zu sehen sind. Das neoliberale Denken beruft sich laut Bourdieu auf eine ökonomische Theorie, die den Darwinismus als Grundlage jener Fähigkeit der Nutzenabwägung ansieht, die auch den ökonomischen Akteuren immer zugeschrieben wird. Durch die Projektion des biologisch begründeten Darwinismus auf das Gesellschaftliche wird der politisch gewollten Ordnung der Deckmantel eines unwandelbaren Naturgesetzes verliehen, dem sich alles unterzuordnen hat. Diese Wiederbelebung des Sozialdarwinismus ist sicherlich auch als eine wesentliche Begründung Bourdieus zur Charakterisierung des Neoliberalismus als konservativer Revolution zu sehen, denn mit ihr wird der Versuch unternommen, ein Gedankengut zu restaurieren, das bereits vor mehr als hundert Jahren schon einmal sein reaktionäres Potential entwickeln konnte und in die bitteren Erfahrungen zweier Weltkriege mündete. Das Prinzip des survival of the fittest , das den entfesselten Wettbewerb begründet, wird gestützt durch die »Soziodizee der Kompetenz«: die Fähigsten lenken den Staat, die Fähigsten haben eine Arbeit. Diese Ideologie der Kompetenz sieht Bourdieu als » bestens geeignet, eine Gegenüberstellung zu rechtfertigen, die ein wenig der von Herren und Sklaven gleicht: auf der einen Seite Bürger im vollen Wortsinne, die gefragte Kenntnisse besitzen und überbezahlte Tätigkeiten verrichten, die sich ihren Arbeitgeber selbst aussuchen können (während die anderen bestenfalls von ihrem Arbeitgeber ausgesucht werden), die auf dem internationalen Arbeitsmarkt höchste Einkommen erzielen, die überbeschäftigt sind, Männer wie Frauen (...) und auf der anderen Seite jene Masse von Menschen, die dauernd von Entlassung bedroht sind oder der Arbeitslosigkeit überantwortet werden.« Die vor allem in der angelsächsischen Sichtweise getroffene Unterscheidung zwischen »unmoralischen« und »verdienstvollen« Armen, die der Mildtätigkeit für würdig erachtet wurden, wird damit aufgehoben: »Die Armen sind nicht nur unmoralisch, verdorben, Säufer, sie sind dumm und unfähig.« Die Soziodizee der Kompetenz bildet somit eine Rechtfertigung der Sonderrechte, die die Nutznießer der neoliberalen Weltordnung für sich in Anspruch nehmen – wobei sie jedoch völlig außer Acht lassen, dass die Ausbildung, der sie ihr Ansehen und Gewicht verdanken, das Produkt von gesellschaftlichen Ungleichheiten ist. Sie befördert auch die Konstruktion eines Gegensatzes zwischen der »weitsichtigen Perspektive einer aufgeklärten Elite« und den »kurzsichtigen Beweggründen des Volkes oder seiner Repräsentanten«. Die Konstruktion des Gegensatzes war laut Bourdieu schon immer und überall typisch für das reaktionäre Denken, das Vernunft, Modernität, Wandel und Veränderung der Seite der Herrschenden, der Minister, der Arbeitgeber oder der »Experten« zurechnet, Unvernunft, Rückständigkeit, Unbeweglichkeit und Konservatismus hingegen der des Volkes, der Gewerkschaften und der kritischen Intellektuellen. Letztere scheinen »auf eine dunkel verschwommene Art und Weise« nicht an der Soziodizee der Kompetenz teilzuhaben – eine Unlogik, der sich nach Bourdieus Auffassung viele Intellektuelle trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb unterwerfen. Eine weitere ideologische Begründung der Weltsicht des Neoliberalismus sieht Bourdieu in der Wiederkehr des Individualismus – jener Art sich selbst verwirklichender Prophezeiung, die seiner Auffassung nach darauf abzielt, »die philosophischen Fundamente des welfare state und, vor allem, den Begriff von kollektiver Verantwortung (im Fall eines Arbeitsunfalles, bei Krankheit oder Not) zu zerstören, der eine grundlegende Errungenschaft gesellschaftlichen (und soziologischen) Denkens ist. Es ist auch die Rückkehr zum Individuum, die es ermöglicht, ›das Opfer zu tadeln‹, das für sein Unglück allein verantwortlich ist, und ihm die selfhelp zu predigen, und dies alles unter dem Deckmantel der endlos beschworenen Notwendigkeit, die Unternehmenskosten zu senken.« Die Vorstellung vom einsamen aber freien Individuum trägt zum Wettbewerb eines Jeden gegen den Anderen bei: Individualisiert werden Beschäftigungsverhältnisse, deren Zielvorgaben, ihre Bewertungsverfahren, Lohnerhöhungen oder Leistungszuschläge sowie Beförderungen. Nach Bourdieu handelt es sich dabei um Strategien der »Delegation von Verantwortung«, die die Selbstausbeutung der Angestellten gewährleisten sollen. Sie stehen zwar wie einfache Lohnempfänger in einem streng hierarchischen Abhängigkeitsverhältnis, werden aber gleichzeitig für ihre Verkaufszahlen, ihre Außenstelle, ihr Geschäft verantwortlich gemacht als seien sie Selbständige. Diese Art der Individualisierung stellt sich für Bourdieu daher ebenfalls als eine der Unterwerfungstechniken dar, die auf eine Schwächung oder Beseitigung des kollektiven Zusammenhalts und kollektiver Solidarität abzielt. Es hat sich gezeigt, dass die oben erläuterten Schwerpunkte neoliberaler Weltsicht einen guten Teil dazu beitragen, die angestrebte »Zerstörung der Zivilisation« zu begründen.
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Der Neolibaralismus vereint zwei Einsichten:
„Das Vertrauen auf die Freiheit der Märkte und die Einsicht, dass diese Freiheit einer umfassenden Politik bedarf, die das Feld der wirtschaftlichen Freiheit wie ein Spielfeld streng absteckt, ihre Bedingungen – sozusagen die Spielregeln – sorgfältig bestimmt und mit unparteiischer Strenge für die Respektierung dieses Rahmens der Marktwirtschaft (des Spielfeldes wie der Spielregeln) sorgt.“
Gegen die Entwicklung des liberalen Rechtsstaats zum Sozialstaat melden die neoliberalen Theoretiker zahlreiche Bedenken an. Nicht, dass die staatliche Fürsorge für die Ärmsten und sozial Schwächsten ihnen überflüssig erscheint. Ein Minimum an staatlicher Zwangsvorsorge ist nach neoliberaler Ansicht aufgrund der Lösung sozialer Bindungen in der Marktwirtschaft unbedingt notwendig. Aber die neoliberale Theorie anerkennt nur dieses eine Ziel des Sozialstaats, die Milderung akuter Not. Das andere Ziel des Sozialstaates, die gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, akzeptiert sie hingegen nicht und lehnt daher den Wohlfahrtsstaat ab. Er gilt als „revolutionär“ und „sozialistisch“. Wohlfahrtsstaatliche Massnahmen interpretiert der Neoliberalismus als neue Taktik des Sozialismus in den kapitalistisch-demokratischen Systemen des Westens. Die Neoliberalen betonen, dass durch sozialstaatliche Massnahmen der Tüchtige und Erfolgreiche um den Ertrag seiner Arbeit gebracht wird. Das Wesen des Wohlfahrtsstaates ist es „dass einzelne konsumieren, ohne zu produzieren, während andere produzieren, aber vom Staat gezwungen werden, einen Teil des von ihnen erzeugten nicht zu konsumieren ... Den einen ... kann nur gegeben werden, wenn den anderen genommen wird, und wenn wir vom Staat sprechen, der uns helfen soll, so haben wir es immer auf das Geld eines anderen abgesehen, auf den Ertrag seiner Mühen oder auf seine Ersparnisse.“
Das Instrument der Redistribution, die Steuerprogression, wird daher als sozialistischer Angriff auf die hohen Einkommen abgelehnt. Die progressive Ausrichtung widerspricht ihrer Ansicht nach dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz und schwächt die Anreize zu sozialem Aufstieg. Zudem befürchten sie, dass die Progression über die Zeit stetig verstärkt wird, da es keinen objektiv optimalen Wert der Progression gibt. Besonders stossend finden die Neoliberalen aber, dass eine Mehrheit einer Minderheit (denjenigen mit hohen Einkommen) eine Regel aufzwingen kann, die für die Mehrheit selbst nicht gilt.
Im Weiteren kritisieren die Neoliberalen, dass der Wohlfahrtsstaat die individuelle Freiheit über das Oktroyieren einer Zwangsmitgliedschaft in der Sozialversicherung bedroht. Was als Dienstleistung erscheint, ist ihrer Ansicht nach ein totalitärer Anspruch des Staates. Die staatliche Kranken- und Altersversicherung verhindert in der Regel individuelle Selbstverantwortlichkeit und private Vorsorge. Es kommt zu einer „Politisierung der Lebensvorsorge“.
Die politischen Gefahren des Wohlfahrtsstaates sieht der Neoliberalismus in den Versuchen, faktische Gleichheit und soziale Gerechtigkeit herzustellen. Er kann diesen Versuchen nur ablehnend gegenüberstehen, da er Gleichheit nur als Gleichheit vor dem Gesetz gelten lässt, deren Resultat notwendig gesellschaftliche Ungleichheit ist, weil die Menschen in Anlagen und Fähigkeiten ungleich sind. Um faktische Gleichheit zu verwirklichen, muss das Prinzip der gleichen juristischen Behandlung der Menschen verletzt werden.
Nach den Neoliberalen ist auf die Dauer das freie Gesellschafts- und Wirtschaftssystem und der Wohlfahrtsstaat nicht miteinander zu vereinbaren, da die Abhängigkeit der Individuen von der staatlichen Vorsorge die Macht des Staates erhöht. Der totale Wohlfahrtsstaat ist ein totaler Zwangsstaat; er ist die Form, „in der sich in der nichtkommunistischen Welt die Unterwerfung des Menschen unter den Staat vornehmlich vollzieht.“
Die Neoliberalen warnen auch davor, dass sozialstaatliche Massnahmen irreversibel sein können. Wenn den Massen in einer Rezession die sozialen Sicherungen wieder entzogen werden müssen, kann die Unzufriedenheit darüber in politische Unruhe umschlagen und das kapitalistische System selbst gefährden. Der Wohlfahrtsstaat wird mit einer Einbahnstrasse verglichen, die keine Umkehr zulässt. Der Neoliberalismus deutet den Wohlfahrtsstaat als Systembedrohung. Von aussen gefährden sozialistische und kollektivistische Tendenzen die liberale Gesellschaftsordnung und die Marktwirtschaft. Die Ablehnung sozialstaatlicher Massnahmen als Korrektiv der Marktwirtschaft heisst aber keineswegs, dass sich die Neoliberalen nicht mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen, welche die Entwicklung dieses Korrektivs provozierten, beschäftigen. Auch die Neoliberalen Konzepte werden von Überlegungen geleitet, wie die Massen in die bürgerliche Gesellschaft und Wirtschaftsordnung integriert werden können. Geeigneter als die vom Sozialstaat angestrebte Eingliederung der Massen durch staatliche Sicherheitsgarantien erscheint den Neoliberalen Theoretikern indessen ein Programm, das die ‚Vitalsituation‘ der Menschen verändert, indem zu „menschlichen“, das heisst bäuerlichen und kleingewerblichen Lebensformen zurückgekehrt wird. Ausgangsüberlegung ist, dass es die Sozialpolitik nicht mehr mit dem klassenbewussten Arbeiter, sondern mit dem ‚anlehnungs- und eingliederungsbedürftigen‘ Menschen zu tun hat. ‚Vitalpolitik‘ soll daher die traditionelle Sozialpolitik ersetzen. Sie beinhaltet Massnahmen zur Entproletarisierung und Verbäuerlichung sowie Massnahmen zur Dezentralisierung der Industrie.
Quelle: Otmar Gächter und Reto Nyffeler
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Vertreter dieser neolibralen Anschauung waren nicht nur Ronald Wilson Reagan, Margaret Hilda Thatcher (diese von ihren Anhängern verehrt - für Angela Merkel war Thatcher wohl immer ein Vorbild - und von ihren Gegnern gehhaßt. So tanzten diese an Thatcher's Todestag und verkündeten munter und lautstark: "Hurra, hurra, the witch is dead, the old witch is dead - hurra!"), sondern auch Tony Blair und auch Gehard Schröder waren Sympathisanten dieser Theorie!
Bis dato richtet die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ihre Wirtschaft nach dieser Theorie aus (die eifrigsten Verfechter ist wohl hier die "Boston Tea Party").
Aber auch die EU folgt(e) (?!) dieser Idee:
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Die USA erweiterten ihre Investitionen in der EU, ebenso ihre Militärbasen in Europa und weltweit auf etwa 800. Deutsche und andere europäische Konzerne und Banken gründeten Niederlassungen in den USA, erschlossen sich den dortigen Markt und folgten in die eroberten Gebiete. Während der politischen und militärischen Zerschlagung Jugoslawiens und der Privatisierung seiner Unternehmen und Ressourcen kam es zu gelegentlichen Differenzen zwischen USA, EU und der BRD bei der Strategie und bei der Verteilung der Beute (1991-1999).
US-Investmentbanken gründeten Niederlassungen in der EU und in der BRD. Sie leiteten die großen zentralstaatlichen Privatisierungen und Börsengänge. Sie setzten die Anerkennung ihrer Finanzpraktiken durch, etwa Cross-Border Leasing (seit 1995), Verkauf von Krediten (Verbriefung, Forfaitierung), steuerbefreite Wohnungsholdings (Real Estate Investment Trusts, REIT) und die Zulassung von Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds.
Europäische Banken übernahmen diese Praktiken, ebenso das lukrative Geschäftsfeld Mergers & Acquisitions, das heißt kreditfinanzierte Fusionen und Übernahmen von Unternehmen. EU und BRD unterwarfen sich dem US-Rating-system und den drei führenden US-Ratingagenturen.
Die USA initiierten in dieser Phase diverse Gremien, die als eine Art Nebenregierungen, Ersatz und Alternative zur UNO agieren. 1995 wurde die internationale Handelsorganisation GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) zur Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) umstrukturiert. Die G7 als Treffen der von den USA ausgesuchten wichtigsten Kapitaldemokratien wurden 1998/99 erweitert auf die G20, wobei IWF, Weltbank und Europäische Zentralbank dazugenommen wurden und Russland bei Finanz- und Wirtschaftsentscheidungen ausgeschlossen ist. Wenn den USA die UNO nicht passt, dann ziehen sie diffuse Konstrukte wie die „Gemeinschaft der Willigen" und die „Weltgemeinschaft" aus der Tasche. Auch die immer stärker von der BRD geführte EU entwickelt sich zu einer Investoren-Schutzgemeinschaft. So wurde die westliche Kapitaldemokratie zur „besten Demokratie, die man kaufen kann".
Aus der sogenannten Finanzkrise gehen die Verursacher und Profiteure gestärkt hervor. Auf die aktive Zustimmung von Bevölkerungsmehrheiten wird mehr denn je verzichtet.
Deshalb kann die Ausbeutung der Volkswirtschaften - nicht nur derer am Rande wie die der südeuropäischen EU-Staaten, sondern auch die der Kernstaaten USA und der reicheren EU-Staaten - verschärft werden. Städte in den reichsten westlichen Staaten gehen bankrott resp. ihre Haushalte werden zu Tode gekürzt. Teile der Infrastruktur verfallen. Die Arbeitslosigkeit bleibt bei allen Schwankungen strukturell auf hohem Niveau. Die Degradierung der Arbeit und die Möglichkeiten der privaten Bereicherung werden staatlich weiter befördert. Die strukturelle Ausbreitung der „working poor" (derjenigen, die Arbeit haben und dennoch arm bleiben), die sich in den USA bereits in den 1970er Jahren etablierte, greift folgerichtig auch in der EU.
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Den neuen „Kalten Krieg" führt die US-dominierte Kapitalmacht gegen die Staaten, die nicht, nicht mehr, noch nicht oder erst teilweise für das „westliche" Kapitalsystem geöffnet sind. Der heftigste „Kalte Krieg" gilt China und Russland sowie den widerspenstigen lateinamerikanischen Staaten.
Die westliche Kapitalmacht will nicht die Demokratie verbreiten, aber auch nicht den Kapitalismus (der fremden Kapitalisten gehört), sondern sie will die einzige Kapitalmacht werden.
Entdemokratisierung und Ausbeutung
Bisher ist die US-geführte internationale Kapitalmacht sicher. Sie hat sich mithilfe eines breiten Spektrums an Macht- und Einflussinstrumenten gefestigt, auch in und durch sogenannte Krisen, wobei alle Instrumente und ihre Handhabung wohl erst in heftigeren Konfliktsituationen sichtbar würden. Diese Macht wurde und wird allerdings erkauft durch Entdemokratisierung, durch systematische Verletzung der zentralen Menschenrechte sowie durch vielfältige Formen der Ausbeutung, Enteignung und moralischen Degradierung. Die politisch und wirtschaftlich Mächtigen wissen längst, dass sie die Zustimmung der Bevölkerungsmehrheiten nicht mehr haben. Wissen das aber auch Letztere, und können sie dies nachhaltig und damit auch wirkungsvoll zum Ausdruck bringen?
Quelle: Werner Rügemer - Die Wertegemeinschaft der lupenreinen Hurensöhne