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Aufshrei! Mord am Intellekt

Aufshrei! Mord am Intellekt
ich möchte euch die sichtweisen von christian schüle nicht vorenthalten, ein wunderbares politisches feuilleton!! :

"Im Furor des Verschwindens ist in der gegenwärtigen Epoche des totalen Entertainments auch etwas sehr Deutsches verloren gegangen: intellektuelle Tiefgründigkeit. Geblieben ist nur die flächendeckende Flachheit, meint Christian Schüle.
Weit davon entfernt, reaktionären Kulturpessimismus betreiben zu wollen, muss an dieser Stelle dennoch mit größtem Bedauern konstatiert werden: Die Austreibung des Niveaus im Namen der Unterhaltung, die Verbannung der Intellektualität im Auftrag marktgängiger Simplifizierung, die Vernichtung des Anspruchsvollen zugunsten süffiger Konformität hat, aufs Ganze betrachtet, zu einer schamlosen Trivialisierung des öffentlichen Geistes geführt.

Konstruktive, komplexe, langfristig angelegte Debatten über ethische, moralische und soziale Grundlagen, über Wertewandlungen, Gesellschaftsverträge, Visionen und Revisionen des bundesdeutschen Selbstverständnisses finden im öffentlichen Raum nicht mehr statt.

Diskurse werden als "elitär" diskreditiert, dialektische Sophistik ist geradezu ein soziales Ausschlusskriterium, und die Kunst der Rhetorik scheint weitestgehend verkümmert. Stattdessen zwitschert und schwätzt, bramarbarsiert und schwadroniert es in höchster Erregung, während Nachdenklichkeit als Bedenkenträgerei denunziert und die Forderung nach hohem Stil wie hoher Qualität unter Arroganzverdacht gestellt wird.

Geblieben ist flächendeckende Flachheit von Lifestyle, Sexyness, Coolness, die wohlfeile Mixtur aus Psycho-Wellness, Promi-Glamour, Star-Kult, Heroen-Hype, Voyeurismus und primitiver Niedertracht. Kurzum: Festzustellen ist die grassierende Ent-Intellektualisierung der Gegenwart; mehr noch: ein Zeitgeist des Anti-Intellektuellen. Selbst Günter Grass ist verstummt. Und Jürgen Habermas gilt dieser Tage als Exot aus sehr fernen Zeiten.

Zweifelsohne, Intellektualität als solche ist mühsam, unbequem, zeitaufwendig. Angewandte Intellektualität hieße ja, das Verhältnis von Grund und Folge, Ursache und Wirkung innerhalb eines Kontextes stets mitzudenken. Es hieße, Thesen durch Begründungen zu untermauern und Zusammenhänge aufzudecken. Es hieße: Geschichte zu wissen und Strukturen und Muster zu erkennen.
Kultivierung der Abgründe
Statt Gründen aber werden Abgründe kultiviert: Die Bücher-Beststellerlisten strotzen vor Krimis, im privaten wie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird geblutet, gemordet und getötet, was das Zeug hält. 50 Morde die Woche, 50 Tote, 50 Kommissare, 50 mal die Frage: "Wo waren Sie gestern zwischen dann und dann?" Schlimmer noch: Im Circus Maximus des Politikbetriebes ersetzen Soundbites durchdachte Aussagen und Statements Zusammenhänge; die Berufspolitik reduziert sich selbst konsequent auf die Frage, welche Partei welcher Gruppierung welchen Beitrag um wie viel erhöht beziehungsweise senkt, als sei das Geschäft des Politischen statt diskursiver Selbstverständigung der Gesellschaft nichts weiter als eine futterneidische Angelegenheit von Be- und Entlastung.

Deutschlands hohe Literatur wird gleichgesetzt mit handwerklich versierten, harmlosen Unterhaltungsschriftstellern; journalistische Qualität geht peu à peu insolvent, und die heiß als "Zukunft" beschworenen Onlinemedien erziehen den Nutzer zum Klick ohne jede Vertiefung.

Und waren die führenden Frauenmagazine in den 80er- und selbst 90er-Jahren noch politisch, frauenpolitisch, ja gesellschaftspolitisch, sind sie seit etwa einem Jahrzehnt nur noch dämlich.

So kristallisiert sich das Paradigma unserer Tage heraus: Konsumtrip ersetzt Aufklärung, Stilkritik Kritik, Kenntnis Erkenntnis, Klärung Erklärung und Korrelation Kausalität. Den Rest erledigt die Marktforschung. Entstanden ist ein Betriebssystem der allgemeinen Banalität.

Bange wird es einem also nicht allein vor Eurokrise, Altersarmut, demografischem sowie Klimawandel, sondern vor allem vor der inneren Aushöhlung: Wenn Fußballer-Statements zu Weisheiten verklärt und Fußballspiele zu abendfüllenden National-Epen werden, wenn in der öffentlichen Wahrnehmung Models, Moderatoren und Marketingexperten zu nichts weiter als Hype und Hyperventilation führen: dann, Deutschland, gute Nacht!

Eine Gesellschaft hat nicht nur die Fürsorgepflicht ihrer Wohlfahrt gegenüber, nicht nur gegenüber ihrer Wirtschaftskraft, sondern in Zeiten allgemeiner Verfußballerung auch gegenüber ihrer Reflektions-Qualität. Kein Wunder, dass es wahre Partizipation an der Gestaltung des Gemeinwesens nicht gibt, wenn der Bürger schon seine intellektuelle Entmündigung so klaglos hinnimmt - da sich doch, notabene!, rein gar nichts von selbst versteht!"
******117 Mann
358 Beiträge
Schlimmer als eine "Fußballweisheit" finde ich die Unterwerfung aller öffentlichkeitswirksamen Institutionen unter die Zensur der politische Korrektheit

Wie will man tiefgründig sein, wenn man zensiert wird oder mit Repressionen rechnen muss wenn man noch nicht einmal eine Meinung vertritt sondern nur Fakten benennt?
*******use Mann
3.197 Beiträge
Tiefgründigkeit
könnte Wahrheiten ins Bewußtsein rücken, die niemand sagen will, der Verantwortung trägt und -was noch schlimmer ist- viele nicht hören wollen.

Wer will sich schon das Paradies (Deutschland geht es gut) madig machen
lassen, in dem er es sich schön eingerichtet hat ?

Dies gilt nicht nur in der großen Politik ( zB. Euro -Krise), sondern auch im
schnöden Alltag.
******117 Mann
358 Beiträge
nur wird das Paradies nicht mehr lang Paradies sein
sondern zur Hölle mutieren

Alterarmut
steigende Kriminaltät
wirtschaftlicher Niedergang
Staatsbankrott
..

aber noch kann man die Augen davor verschließen
*********handy Paar
1.202 Beiträge
Bevor nun hier das große Jammern auf "hohem Niveau" beginnt,

nur wird das Paradies nicht mehr lang Paradies sein
sondern zur Hölle mutieren

Alterarmut
steigende Kriminaltät
wirtschaftlicher Niedergang
Staatsbankrott
..

sei kurz darauf hingewiesen, dass es sich in Deutschland vom sowohl politisch, klimatisch und wirtschaftlich sehr kuscheligen Sofa aus trefflich nörgeln lässt.

Natürlich gibt es hier vieles, das kritik- und verbesserungswürdig ist. Es muss einen Grund geben, wenn nicht wenige Menschen in der Welt in Kauf nehmen, ihr Leben zu lassen, um in Deutschland leben zu können...
*******na57 Frau
22.281 Beiträge
JOY-Angels 
Tja
Zweifelsohne, Intellektualität als solche ist mühsam, unbequem, zeitaufwendig. Angewandte Intellektualität hieße ja, das Verhältnis von Grund und Folge, Ursache und Wirkung innerhalb eines Kontextes stets mitzudenken. Es hieße, Thesen durch Begründungen zu untermauern und Zusammenhänge aufzudecken. Es hieße: Geschichte zu wissen und Strukturen und Muster zu erkennen.

Der Untergang dieser Fähigkeiten/Fertigkeiten läst sich z.B. vortrefflich in so manchem "Akademiker" Thread beobachten.

(nur ein bisschen *ironie*)
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Das schöne an diesem Thema ist
unter anderem, dass es den Fokus mal endlich wieder auf anderes als eine "Endzeitstimmung" richtet!
Denn: die gab es ja schon immer wieder über die Jahrzehnte.
Intellekt und anders denkende Menschen aber auch. Und die haben oft aufgerüttelt.

Das "Paradies" ist ja schon lange kein Paradies mehr sondern ein Land und eine Gesellschaft mit vielen Stärken und Schwächen.
Aber eben auch keine ausweglose Hölle.

Was wirklich besorgt machen kann ist die "Gleichmacherei". Und ich denke dagegen steht dieser Thread.

Tiefgründig sein, aufrütteln, zum selbständigen denken anregen, kritisch nachfragen, aufmerksam sein und eigene Meinungen entwickeln und vertreten. Visionär sein und neue Wege wagen..........so verstehe ich das!
*********handy Paar
1.202 Beiträge
@Katharina57
Du sprichst das aus, was unser zweiter Gedanke dazu war *g*
**********aften Frau
8.068 Beiträge
@Katharina und Tristam_Shandy
Lach:-) und Zustimmung!

Aber: es wäre sooo schön wenn auch mal wieder andere Gedanken in diesem Forum Raum fänden als reine Pseudorechenbeispiele und Schlichtdiskussionen.......

Wie war das mir der Bildung? Zeigt sie sich nicht auch im Mut zum anders und komplexer
denken?
*******na57 Frau
22.281 Beiträge
JOY-Angels 
Ja
*sorry* ... ich konnte nicht widerstehen, aber das ist eigentlich nicht das Thema hier.

Es ist aber auch eine Frage der Bildungsdiskussion. Ist das Ziel unserer Bildung ein kritisch und selbständig denkender Bürger ... oder der geistlose Konsument ?
****imu Mann
1.296 Beiträge
Intellekt und Geist
Vielleicht haben die Intellektuellen durch ihre zunehmend mathematisch materialistische Fixierung viel zu dieser Entwicklung beigetragen.
Reine "Intellektualität" ist nämlich eine sehr einseitige Angelegenheit, die viele Aspekte des Daseins ausblendet.
Da gibt es in einer speziellen Bedeutung den viel weiteren Begriff "Geist". Menschen wie Goethe waren keine Intellektuellen sondern "Geistesgrößen". Sie erfassten noch metaphysische, spirituelle Seiten des Daseins. Die zunehmende Verengung der "Geistgeswissenschaften" auf mathematisch-materialistisch-naturwissenschaftliche Denkweisen hat sie vom Leben abgespalten, das sich dann in anderen Bereichen manifestiert.
Ich sehe das aber sehr gelassen, denn Oberflächlichkeit und Show-Business gab es vermutlich zu allen Zeiten, nur hat dieses Affentheater durch die modernen Medien eine Ausdrucksfähigkeit wie niemals zuvor und erscheint deshalb so bedrohlich.

Eine wirklich tiefgründige und ausführliche Auseinandersetzung mit den wesentlichen Fragen unseres Daseins blieb immer nur einigen Wenigen vorbehalten. Und die wird es immer geben, auch wenn sie sich nicht so lautstark bemerkbar machen wie die lärmende Masse.
*********handy Paar
1.202 Beiträge
Och, ganz so schwarz und provokant wie Christian Schüle - im Übrigen ein Autor, der u.a. für die Zeit schreibt - den Untergang der kulturellen Bildung sieht, ist sie u. E. nicht.

Sofern man willens und in der Lage ist, die zugegeben vorhandene Reizüberflutung mit jedweder Art der Information zu filtern und zur eigenen Meinungsbildung gesunden Menschenverstand und Reflexion benutzt, kann da so viel nicht schiefgehen *zwinker*
****000 Mann
19.043 Beiträge
die Kultur geht übrigens schon seit mind 2000+ Jahren unter, das haben schon die alten Griechen beklagt.
*********d_fix Mann
1.936 Beiträge
ja, das stimmt
Zitat
[Jugend]


Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.


Sokrates
griechischer Philosoph (um 469 vChr - 399 vChr)
Rücksicht. Feine Formen
********hoto Mann
151 Beiträge
Es gibt...
...halt sehr viele 'Problembewunderer'. Diese meckern gegen fast alles, halten Niveau für eine Hautcreme und Stil für das Ende vom Besen.
Die heutigen Medien, sie sind Fluch UND Segen, machen es denen natürlich leicht ihren geistigen Schwachsinn sofort zu verbreiten.
Wir sollten jetzt nicht den Fehler machen und unsere Welt, ggfs. unser Land oder unser direktes persönliches Umfeld ebenfalls schlechtzureden.
Wer wirklich etwas positiv anpackt (Familie, Vereine, Lokalpolitik, Religion, Ehrenamt, Sport, usw.) und sich dort aus Überzeugung einbringt hat gar keine Zeit in den vielstimmigen Chor der Problembewunderer einzustimmen.
Meiner Meinung nach sind diese Menschen zum Glück in der (stillen) Überzahl!

In diesem Sinne - eine schöne Restwoche!
Gruß aus Düsseldorf *huhu*
Der Text von Sokrates
Diese Textpassage von Sokrates verlese ich jedes Jahr zu beginn meiner Didaktikvorlesung.
Dann frage ich die Studenten, wer dies wohl gesagt habe und zu welche Zeit.....alle sind erstaunt, dass die Problem wohl seit Jahrhunderten die gleichen sind, nur die Maßstäbe haben sich verschoben.
Danke für den Beitrag.
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