Identitäre Bewegungen (Teil 2)
Identitäre Bewegungen inszenieren sich als Retter des Abendlandesvon: Susann-Witt-Stahl
Kulturrevolution von rechts
Lehrmeister der Identitären (das gilt für den Großteil der Neuen Rechten) ist der französische Philosoph Alain de Benoist, der 1968 als Antithese zu der revoltierenden marxistisch geprägten Studentenbewegung eine Gruppe rechter Intellektueller ins Leben rief. De Benoist folgte zentralen Thesen des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci - für die Durchsetzung einerneuen Weltanschauung bedürfte es der Erlangung einer "kulturellen Hegemonie" und ihrer Übersetzung in das Alltagsbewusstsein -, sagte der Theoriearmut im eigenen Lager den Kampf an und versuchte, eine "Kulturrevolution von rechts" in Gang zu setzen. Mit einigem Erfolg. So sind beispielsweise in den vergangeneu Jahrzehnten europaweit ästhetisch ansprechende Publikationen, wie die Zeitschrift Sezession, für den gehobenen neu-rechten Diskurs entstanden. Diesem Milieu entstammen auch die Propagandisten der Identitären. Sie geben sich alle Mühe, ihre Bewegung als etwas noch nie Dagewesenes, als völlig frei und unabhängig von historischen Altlasten darzustellen. "Nicht links, nicht rechts: identitär!", suggeriert eine ihrer zentralen Parolen eine Äquidistanz zu allen "Extremisten". Wo genau die Identitären sich politisch verorten, erklären sie nicht, ebenso wenig, was ihr von ihren Anhängern fetischisierter Name politisch beinhaltet: "Identität ist kein intellektuelles Konstrukt, beruht nicht auf Gesetzestexten und wohlfeilen abstrakten Bekenntnissen, sondern auf Gefühl und Willen", ist in der Jungen Freiheit zu lesen, die in Deutschland hinter dem neu-rechten Magazin Blaue Narzisse - das die Identitären als "europäische Avantgarde einer neuen Generation" feiert - zu den wichtigsten Verlautbarungsorganen der Identitären gehört. So historisch unbefleckt und "unideologisch" die Identitären auch daherkommen mögen - wie die English oder German Defence League, CasaPound (eine rechte Hausbesetzer-Szene) in Italien und andere Bewegungen mit "straßenaktivistischem Impetus" in Europa -, weisen sie "Schnittmengen sowohl mit dem Neofaschismus als auch mit dem Rechtspopulismus auf', meint der Sozialwissenschaftler Phillip Becher.