*********poet:
Find ich meistens nicht schön, muss ich aber nicht kritisieren.
Aber genau das ist Kritik. Kritisieren heißt würdigen, werten. „Nicht schön“ ist eine Wertung. „Klasse Bild“ ist auch eine Wertung; es gibt auch positive Kritik, wenn sich das auch manche nicht vorstellen können.
Gotthold Ephraim Lessing hat einen Essay geschrieben »Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt«. Er unterscheidet dabei zwischen dem Mann von Welt und dem Rezensenten (Kritiker) und der Unterschied besteht seiner Meinung nach darin, dass der Kritiker sein Geschmacksurteil begründen muss. Er drückt auch klar aus, dass es nicht die Aufgabe des Kritikers sei, es besser zu machen, noch nicht mal, dem Künstler Vorschläge für Besserungen zu liefern.
*****alo:
An einem von mir besuchten Workshop … Der Meister besprach jedes einzelne Bild (vor allen) und gab dann danach Tipps, was man wie verbessern kann.
Das ist keine Situation, wie sie Lessing schildert oder wie wir sie im Forum erleben. Das war ein Lehrer-Schüler Verhältnis, und dazu gehört, dass Lehrer und Schüler sich gegenseitig als solche anerkennen. Hier im Forum sind Fotografen und Kritiker auf einer Ebene und wechseln ihre Positionen. A bewertet B, B bewertet A.
Was kann man bewerten, kritisieren? Der Fotograf ist für sein Werk verantwortlich, für das Model, die Kulisse, die Technik, die Lichtführung, die Vorbereitung und die Nachbearbeitung. Last but not least ist es seine Entscheidung, ob er das Bild veröffentlicht. Daher darf all das auch bewertet, für gut oder für schlecht befunden werden.
Streitereien bei der Bildkritik entstehen meiner Meinung nach oft, weil die persönliche Wertung als absolutes Urteil ausgegeben wird. Da heißt es nicht, ich „empfinde das Bild als zu dunkel“, sondern „das ist zu dunkel“. Es gibt in der Kunst keine absoluten Werte, sondern nur Meinungen. Was für den einen zu dunkel wirkt, kann für einen anderen genau passend sein. Völlig schräg wird die Diskussion für mich, wenn der Fotograf darauf mit Rechtfertigungen antwortet, oft mit Rechtfertigungen, die auf Unzulänglichkeiten basieren. „Ich habe nicht genug Zeit gehabt“ oder besser „so viel Aufwand ist mir zu viel“, aber auch technische „Erklärungen“ wie „die Lichtanlage war für das Motiv nicht ausreichend“.
Der Fotograf sollte bei der Form der Kritik auch berücksichtigen, wo er das Foto veröffentlicht. Wenn ich ein Aktfoto, also ein Foto mit erotischem oder eindeutig-sexuellem Motiv, in einer erotischen Community zeige, wäre es imho heuchlerisch, nur Bemerkungen zu Schärfesetzung und Lichtführung zu erwarten. Wenn ich vor einem Kommentar wie „geile Titten, die Maus würde ich gern mal poppen“ zurückschrecke, sollte ich mich vielleicht fragen, ob ich auf der richtigen Plattform publiziere (oder ob ich nicht besser dezentere Bilder zeige).