Trotzdem - es muss und wird ein morgen geben
Ich kann deine Wut und Trauer gut nachfühlen, auch wenn ich es als Mann vielleicht nie ermessen kann, wie es einer Mutter dabei geht. Die von dir beschriebenen Diskussionen habe ich in den letzten Wochen und Monaten oft erlebt und bin damit leider nur allzu vertraut.Lass mich, ohne dich hier irgendwie vereinnamen zu wollen, dennoch ein paar Gedanken zu deinen Zeilen schreiben.
Ich bin nicht sicher, dass du deiner Tochter gerecht wirst, wenn du sagst, dass sie vor Problemen wegläuft. Es ist ganz typisch, dass sich Kinder (und das gilt auch für deutlich ältere) solchen Problemen nicht stellen wollen und wahrscheinlich auch nicht können. Wie sollen sie auch? Sie wollen sich nicht entscheiden! Für sie ist die Trennung (wie gerechtfertigt sie auch immer sein mag) nicht selbst gewählt, sondern aufgezwungen! Sie lieben euch beide!
Leider ist es auch so, dass Kinder Opportunisten sind. Sie gehen den einfachsten Weg und laufen dem hinterher, der ihnen am meisten bietet. Deswegen warnen wir sie ja immer vor den bösen schwarzen Männern mit den Süßigkeiten... Das ist für uns Erwachsene erst einmal sehr nervig, aber es ist die größte Stärke, die Kinder überhaupt haben. Man kann sie irgendwo reinstecken und sie werden, aufgrund ihres Opportunismus, überleben und ihren Weg bei gegebenen Rahmenbedingungen finden. Ich weiß, das hilft dir jetzt nicht weiter, aber für mich drückt es eher eine gesunde kindliche Einstellung aus, dass deine Tochter die Diskussion verweigert.
Deine Trauer ist gut und richtig und es ist wichtig, dass du sie zuläßt. Wenn du durch das Tal der Tränen gegangen bist, vergiß nicht, dass deine Tochter wieder eine stabile, handlungsfähige und liebevolle Mutter brauchen wird. Du wirst sie weder beeindrucken, noch ihr helfen können, wenn du dauernd in Tränen zerfließt. Das klingt hart, ist aber aus meiner Sicht wichtig. Deine Tochter braucht dich als Mutter, auch wenn sie dich weniger sieht. Vielleicht schaffst du es zumindest längerfristig, deine Trauer, Wut und Frustration über die Situation aus der Beziehung mit deiner Tochter rauszuhalten. Nicht nur vordergründig, sondern auch in der Tiefe deiner Emotionen.
Vielleicht kannst du der Sache ja so etwas abgewinnen: manche Leute sagen, dass unsere Kinder sich ab ihrer Geburt jeden Tag ein wenig von uns weg bewegen und das dies gut so ist. Schließlich geht der Weg von einem völlig handlungsunfähigen Säugling bis zum alleinverantwortlichen Erwachsenen. Vielleicht macht deine Tochter mit dem Wechsel einfach nur einen größeren Schritt, den sie irgenwann sowieso machen würde.
Manchmal ist es im Leben wichtig, loszulassen, um schlimmeres Unheil (z.B. eine weitere Entfremdung zwischen dir und deiner Tochter) zu vermeiden. Wenn wir das nicht schon aus unseren eigenen Beziehungen wüßten, würde es uns zumindest ganz plakativ die Legende zum Urteil des Königs Salomo lehren
Zum Schluß noch eine Frage. Ich finde den Standpunkt deines Partners sehr überlegenswert. Es hilft sicher allen Beteiligten, wenn man statt des Schönwetterpapas den manchmal müden, genervten und überforderten Papa erleben muß. Wenn man statt des Engels auch mit dem nervigen Kind zurechtkommen muss. Wenn Geld keine Rolle spielt und ein Transport in die Schule organisiert werden kann, wäre es dann nicht ein Weg, eine Zeit (z.B. die anvisierten 2-3 Monate) ein wochenweises oder 14-tägiges Wechselmodell zu fahren? Du könntest dann für dich erleben, wie es ist, Zeiten ohne deine Tochter zu haben (und ich verspreche dir, da werden auch schöne Momente dabei sein) und deine Tochter und ihr Papa könnten ausprobieren, ob wirklich alles so toll wird, wie es jetzt aussieht... vielleicht für alle Beteiligten eine wertvolle Phase, die es dann erlaubt, mit weniger Emotionen und Befürchtungen und stattdessen mehr belastbarem Erlebten eine längerfristige Entscheidung zu treffen?
Viele Grüße, viel Mut und viel Kraft, diesen neuen Lebensabschnitt zu gestalten und nicht nur zu erdulden!