Es ist ja schon viel gesagt worden...
...aber ich schreibe noch ein paar Gedanken auf, weil ich das Thema über die letzten 6 Monate aus ganz kurzem Abstand verfolgen durfte (und noch darf). Betrifft nicht mich selbst, aber eine sehr gute Freundin.
Und vielleicht noch vorneweg: ich habe keinerlei einschlägige Vorbildung oder beruflichen Bezug. Habe nur im letzten halben Jahr viel erlebt und gelernt...
• Das JA sieht sich nicht als Sachwalter deiner Interessen, sondern derer des Kindes
Solange das Kindeswohl nicht in Gefahr ist (und das sehe ich in diesem Fall nicht, wieviele Kinder laufen mit imaginären Schießprügeln herum...), wird das JA eher versuchen, zwischen euch zu vermitteln und das Kind nach seinen Bedürfnissen zu fragen. Wie gut das klappt, hängt von euch ab, aber auch von der MitarbeiterIn des JA.
Was das Jugenamt auch noch macht, ist, die gesetzlichen Regelungen zu erklären, falls die nicht bekannt sein sollten (z.B. minimales Besuchsrecht alle 2 WE und Hälfte der Ferien, Details zur Vereinbarung von Terminen). Sie überstellen z.B. auch Kinder vom einen zum anderen Partner, falls eine direkte Übergabe wegen Zerrüttung des Verhältnisses nicht möglich ist.
Auf jeden Fall werden aus meiner Sicht deine Argumente nicht ausreichen, das JA zum Einschreiten zu bringen. Der Fall, den ich kenne, war noch viel härter (mit tätlichem Angriff auf die Mutter im Beisein des Kindes, wird gerade vom Staatsanwalt von Amts wegen verfolgt) und das war kein Grund, Zweifel an der Eignung des Vaters in der Vater-Rolle zu haben. Das Kind (11 Jahre) darf dort nun bis in die Puppen unbeaufsichtigt beliebige Sendungen sehen, das interessiert keinen Schwanz.
Sei also nicht enttäuscht, wenn dir das JA nicht dabei hilft, deine Vorstellungen durchzusetzen...
• Einmal weg ist immer weg (etwas flapsig, ich weiss)
Wenn das Kind mit deiner Zustimmung erst einmal beim Vater ist, bekommst du es, wenn es hart auf hart kommt, nur noch über das Familiengericht zurück. Dieses würde sich dann eine eigene Meinung bilden, die beim Alter deines Kindes den Willen des Kindes zumindest zum Teil mit berücksichtigen würde. Da müsste der Vater schon eine sehr fragwürdige Persönlichkeit haben, damit er ernste Schwierigkeiten bekäme, vor allem, wenn das Kind bei ihm bleiben möchte. Es hängt aber auch ganz stark vom RichterIn ab. Es ist dann übrigens egal, was im Rahmen des JA vereinbart wurde.
• das Umziehen hat sofortige finanzielle Kosequenzen (siehe Düsseldorfer Tabelle)
Du wirst dem Vater Unterhalt für das Kind zahlen müssen. Idealerweise sollte Geld ja keine Rolle spielen, tut es aber leider fast immer. Sollte man also berücksichtigen, weil das bedeuten kann, dass man sich selbst einschränken muss, z.B. auch billigere Wohnung, in der dann gar kein Platz mehr für das Kind wäre (das JA besteht darauf, dass das Kind ein eigenes Zimmer hat). Ein solcher Schritt kann also evtl. den Rückweg versperren.
• Schreib dir deine Position auf und geh das mit einer guten Freundin während des WE durch
Im Eifer des Gefechts wirst du Sachen vergessen, die dir wichtig sind. Überlege dir jetzt in Ruhe, was du gerne möchtest und welche Situation für dein Kind und für dich gut wäre.
Versuche, die Emotionen aus dem Spiel zu lassen (ja, ich weiß, leicht gesagt) und konzentriere dich darauf, im vernünftigen Umgangston das zu erreichen, was dir wichtig ist. So sehr du dich im Recht fühlst - der Vater wird es genau umgekehrt empfinden. Wenn er nicht auch die Möglichkeit hat, an einer konstruktiven Lösung mitzuwirken, wird er sich ziemlich sicher verweigern und seine Seite stur weiterverfolgen.
Die Tatsache, dass er sich bisher nicht viel um die Kinder gekümmert hat, bedeutet nicht viel. Alle JA wissen, dass dies oft aus der Familiendynamik entsteht. Manche Väter laufen zur Höchstform auf, wenn es darum geht, das Kind zu "retten"
Wenn es dir hilft, verbringe das Wochenende damit, deinen Ex virtuell anzuschreien (stell dir vor, er stünde an der Wand ;), damit der Hass rauskommt und dich zum Termin nicht belastet.
• Das Wechselmodell wird generell abgelehnt (hat mich sehr überrascht)
Falls ihr mit dem Gedanken spielt, das Wechselmodell zu leben (Kind zu gleichen Teilen bei beiden, keine Unterhaltszahlung), solltest du wissen, dass in Deutschland noch sehr viele Richter und auch FamilienanwältInnen dieses mit sehr viel Skepsis betrachten. Ihr habt das Recht, so etwas zu vereinbaren, aber es wird wahrscheinlich sehr schwierig, dies gerichtlich zu erzwingen. Finde ich schade, wir leben das seit über einem Jahr mit großem Erfolg.
Natürlich macht ein Wechselmodell überhaupt nur Sinn, wenn das Kind mindestens Schule, idealerweise Freundeskreis behalten kann.
• Salbungsvolle Worte
Die Situation, in der du bist, ist nicht lustig. Du wirst Kraft und Ehrlichkeit (auch dir selbst gegenüber) brauchen, um das durchzustehen. Ich wünsche dir diese Kraft und auch die Fähigkeit, in all den Kämpfen nicht zu übersehen, dass euer Kind euer Kind ist und euch beide braucht. Und dass zwei unterschiedliche Ansätze in der Erziehung vielleicht langfristig gar nicht so schlimm sind, weil das Kind ein Gefühl dafür entwickeln kann, was für seine eigene Persönlichkeit das richtige ist. Und - in 10 Jahren ist alles vorbei, das geht schneller, als man denkt und dann soll das Kind ja als ausgeglichener Erwachsener selbstbewußt und selbstbestimmt im Leben stehen
Halte durch!