Mein Sohn...
...wird morgen 16 Jahre alt. Ich kann ihn anrufen wie ich will, er wird für mich nicht zu sprechen sein.
Vor 3 Jahren zog er zu seinem Vater, weil es ihm bei mir "zu streng" war. Dort klappte es 1,5 Jahre, dann ist er abgehauen und begann seine Drogenkarriere. Ist auf eigenen Wunsch in einem "Notfallheim" des Jugendamtes untergekommen, dann wurde in Abstimmung mit dem Kind, den Eltern (wir verstehen uns prima) und dem JA ein Platz für "auswärtige Betreuung" gesucht. Nach dem dritten Hospitieren fand sich eine Einrichtung. Weihnachten habe ich ihn das letzte mal gesehen, da habe ich einen lustigen Spruch gebracht, über den jeder gelacht hat, nur er nicht. Er fühlte sich kritisiert und seitdem gibt es keinen Kontakt mehr.
Als er auszog, war es zum einen eine wundervolle Erleichterung für mich (er selber ADS, das jüngere Kind ADHS, der Partner ADHS), aber sein Grinsen vergesse ich nie. Eine Woche danach startete meine Mutter-Kind-Kur, geplant mit beiden Kindern, so nur mit einem. Ich habe mein Gefühl des Befreit-seins mit der Psychologin besprochen, weil es mich irgendwie schockiert hat, denn so ein gefühlskalter Mensch bin ich nicht, das ich das so weg stecken würde. Sie sagte mir, und damit hatte sie völlig Recht "Sie sind sich der Bindung zu Ihrem Sohn so sicher, dieses Gefühl ist so stark, das Sie das aushalten.". Und es ist so. Natürlich tut es weh, aber er macht seinen Weg. Es dauert halt ein paar Jahre länger, bis er wieder "in der Spur" ist, wie auch immer die aussehen mag. Dann werden wir gute Freunde sein, dessen bin ich mir sicher. Und wenn das nicht so ist, dann weiss ich, dass ich alles - und zwar wirklich alles mir mögliche gemacht habe. Das das vielleicht nicht immer richtig war oder kontraproduktiv oder pädagogisch nicht sehr wertvoll - das mag sein. Aber ich habe, wie sagt man so schön? "Nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt und im Rahmen meiner Möglichkeiten agiert.
Kinder müssen sich abnabeln. Bei meinem Sohn war es heftig. Aber sehen wir es mal andersrum:
Ich selber habe jetzt, mit über 40, einen lockeren Kontakt zu meinen Eltern, die nicht sehr weit weg wohnen. Aber sie gehen mir manchmal soooo sehr auf den Zeiger, weil sie mich (vor allem meine Mutter) sehr bevormunden. Ich melde mich dann einfach nicht. Aber sie machen es nicht extra, sie sind so. Weil sie es so gelernt/vorgelebt/erfahren haben. Ich sage es allerdings auch, ich sage meiner Mutter "es nervt, mich zieht Dein ewiges negativ-Denken runter, ich mach mal ne Pause". Dann ist es gut. Wenn sie es nicht respektiert, dann hat SIE Pech, nicht ich. Ich komm ja wieder, weil ich meine Eltern liebe. Und mein Sohn liebt mich auch.
Manch einer denkt bestimmt, man müsse den Eltern dankbar sein, was sie alles für einen getan haben. Das haben meine Eltern auch getan, und ich kann mich wirklich über nichts beklagen, es mangelte mir an nichts (das wiederum ist manchmal genau das Problem), außer an der Tatsache, daß für mich gedacht wurde. Ich hätte manchmal lieber einen Urlaub weniger gemacht, wenn meine Eltern mit mir auf den Spielplatz gegangen wären. Das weiss ich jetzt, und ich versuche das bei meinen Kindern anders zu machen.
Zum Glück erwarten meine Eltern im Alter keine Pflege von mir, und ich auch nicht von meinen Kindern. Ich versuche, meine Kinder auf den richtigen Weg zu bringen, gehen müssen sie ihn selber. Wenn sie dazu die Eltern nicht brauchen, dann ist es schmerzhaft, aber wenn sie es schaffen, dann weiss ich doch, dass ich doch irgendwas richtig gemacht haben muß, was aus ihnen genau diesen tollen Menschen gemacht hat, der da alleine in der Welt klar kommt.
Vieles läuft einfach gnadenlos scheiße ab - aber wir alle, da bin ich sicher, tun immer unser bestes. Und wir sollten stolz drauf sein, auch wenn die Kinder komisch sind. Sie lieben uns dennoch. (Ausnahmen natürlich, wenn Eltern ihren Kindern was schlimmes angetan haben, dann würde ich das niemals so "pauschalieren", das ist eine andere, ganz schlimme Sache).
Liebe Grüße,
Kerstin