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2018, 2. Advent

*******day Frau
14.275 Beiträge
Themenersteller 
2018, 2. Advent
Guten Morgen, Ihr Lieben,

ich wünsche uns allen einen geruhsamen 2. Advent. Der Protagonist der heutigen Geschichte hat allerdings sehr mit seiner Umwelt zu kämpfen. Ich hoffe, Ihr habt (trotzdem) Freude beim Lesen. Die Geschichte ist letztes Jahr entstanden.

Sylvie *nikolaus*


Und die 2. Kerze brennt

Der Wunschzettel

„Das geht so nicht, Frau Lehmann!“ Leise zischend kamen die S-Laute aus Elisabeths Mund. Mühsam hatte sie sich das Lispeln abtrainiert, aber wenn etwas ein Herzensanliegen war, und dazu gehörten selbstverständlich Elterngespräche, dann sprudelten die Wörter schneller heraus als sie sie kontrollieren konnte. Elisabeth hasste sich dafür, aber in all den Jahrzehnten war es ihr nicht gelungen, diese Ausrutscher abzustellen. Innerlich zählte sie bis fünf, straffte sich und atmete tief aus.

„Fördern und fordern, Frau Lehmann! Linus geht in die dritte Klasse. Er ist alt genug um zu begreifen, dass das Leben nicht nur aus Malen, Spielen und Toben besteht. Er muss sich auf den Hosenboden setzen und üben, üben, üben!“

Elisabeth merkte selbst, dass ihre Stimme immer spitzer wurde. Mit einer Geste, die begütigend wirken sollte, fuhr sie fort, „ich weiß, es ist hart. Aber ich spreche da aus eigener Erfahrung. Es gibt keinen Unterrichtsstoff, denn man sich nicht durch üben, üben und nochmals üben aneignen könnte. Er muss es nur wollen. Und da kommen Sie ins Spiel, Frau Lehmann. Es nützt gar nichts, wenn wir hier konsequent mit ihm sind. Solange Sie ihn zuhause gewähren lassen, wird er sich immer durchmogeln. Wollen Sie einen Durchmogler als Sohn?“

„Aber er ist acht Jahre alt. Und er gibt sich wirklich Mühe mit den Hausaufgaben.“ Hanna merkte selbst, dass die Antwort sehr lahm herauskam. Dabei hatte sie vor dem Spiegel das Gespräch geübt. Aber jedes Mal wenn sie vor der burschikosen Endfünfzigerin stand, vergaß sie ihren Text. Es war als wäre sie wieder neun Jahre alt und hätte ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Dabei war sie nicht faul, wie ihre Lehrerin immer behauptete, sie hatte nur andere Sachen gemacht. Wäsche gewaschen, für die Kleinen gekocht, Dinge eben, die ihre eigene Mutter nicht konnte. „Es ist unser Geheimnis“, hatte sie immer gesagt. „Wenn das Jugendamt herausfindet, dass ich MS habe, nehmen sie euch mir weg und stecken euch in ein Heim. Vermutlich nicht mal zusammen.“ Also hatte Hanna nie etwas gesagt, wenn es hieß, sie sei faul gewesen. Mühsam riss sie sich zusammen.

„Er ist nicht faul. Er hat Stunden um Stunden an dem Wunschzettel gemalt, damit das Christkind auch erkennt, was er sich wünscht. Und er ist bescheiden, er hat keine Wünsche, die wir ihm nicht erfüllen könnten.“

„Aber die Hausaufgabe war, einen Wunschzettel zu schreiben, nicht einen zu malen. Das hat er nicht gemacht, also muss ich ihm eine Sechs geben. Vielleicht,“ Hanna meinte einen süffisanten Unterton zu bemerken, „sollte ich das lieber mit seinem Vater besprechen. Ihr Mann kam mir bei unserem letzten, gemeinsamen Gespräch sehr einsichtig vor.“

Hanna bemerkte, wie Panik in ihr aufstieg. Wenn Paul mitbekam, dass sie schon wieder einen Stellungsbefehl erhalten hatte, würde er durchdrehen. Es war natürlich nicht seine Schuld, er stand beruflich sehr unter Stress. Und er meinte es ja nur gut.

„Das wird nicht nötig sein“, sprudelte Hanna eilig hervor. „Es ist doch nur der Wunschzettel. Können Sie denn nicht eine klitzekleine Ausnahme machen? Ich meine, es geht doch um Weihnachten, das Fest der Liebe. Da soll man doch nachsichtig miteinander sein, oder nicht?“

Elisabeth unterdrückte mühsam ein abschätziges Grinsen. Dass diese Mütter immer meinten, alles besser zu wissen. Tagein, tagaus bemühte sie sich, die Erziehungsfehler der Eltern auszubügeln. Und alles, was sie erntete, waren lahme Ausreden, warum der kleine Engel dieses oder jenes nicht konnte, machte oder wollte.

„Schreiben ist eine Grundkompetenz und kein lästiges Nebenfach, bei dem es nicht so drauf ankommt.“

„Ja, schon. Aber dafür kann er doch andere Sachen. Er merkt sich alle Details, wenn ich mit ihm eine Dokumentation gucke. Was er so alles über Ritter weiß, ist erstaunlich. Und in Musik ist er doch begabt, das haben sie selbst gesagt. Wenn seine Großmutter ihm am Klavier etwas vorspielt, dann kann er es nachspielen. Ohne Noten. Als hätte er es jahrelang geübt.“

Elisabeth verspürte plötzlich rasende Kopfschmerzen. Das Pochen links vorne am Übergang von der Stirn zu den Schläfen war kein gutes Zeichen. Sie musste sich beeilen, ins Bett zu kommen, bevor die Migräne richtig wütete.

„Hören Sie“, Erschöpfung schwang in ihrer Stimme mit, „ich kann mir vorstellen, dass es eine hübsche Partyattraktion ist, wenn Linus Klavier spielt. Aber das ist doch keine Basis für eine Lebensplanung. Selbst wenn er der neue Mozart wäre, müsste er doch die deutsche Sprache beherrschen.“ „Genau wie Ritterforscher“, fügte sie in Gedanken hinzu. „Aber gut, es ist Advent. Ich gebe ihm noch eine Chance. Wenn er morgen früh in der ersten Stunde einen Wunschzettel abgibt, auf dem etwas geschrieben steht, ist die Sechs vom Tisch. Und wehe, sie schreiben ihm den Text vor, damit er ihn abmalt. Das würde ich sofort sehen. Und dann ist Schluss mit lustig.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte Elisabeth sich um und verließ den Raum. Hanna blickte ihr fassungslos und mit hängenden Schultern nach. Die Gedanken rasten in ihr, Flashbacks aus der Vergangenheit tauchten auf, sie hörte Paul schimpfen und Linus weinen.

Linus! Sie schreckte hoch. Da stand ihr Sohn fertig angezogen in der Tür und sah mit großen und unendlich traurigen Augen durch sie hindurch. Früher hatte er geweint und geschrien, aber inzwischen sagte er nichts mehr. Hanna riss sich zusammen. Sie ging auf den Jungen zu, strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und sagte mit schlecht gespielter Fröhlichkeit, „komm, wir gehen heim. Wir machen die Hausaufgabe einfach noch einmal. Müssen wir Papa ja nicht sagen. Das ist unser Geheimnis.“

Das kleine Gesicht zeigte keinerlei Regung, aber Linus ergriff sie Hand seiner Mutter und ging mit ihr aus der Schule. Das Lied von der stillen und heiligen Nacht hatte sich in seinem Kopf eingenistet und erfüllte seinen ganzen Körper, aber sie drang nicht nach draußen. Er konzentrierte sich auf die Töne und summte sie innerlich nach. Nur das tiefe C brummte zuweilen nach außen.

Daheim angekommen setzte er sich mechanisch an seinen Schreibtisch, nahm ein weißes Blatt Papier und legte die Stifte hin.

„Du darfst ruhig etwas zeichnen“, sagte Hanna. „Aber es müssen Wörter drauf stehen. Papa kommt in einer Stunde von der Arbeit. Es wäre gut, wenn es dann fertig ist. Ich muss in die Küche und das Essen vorbereiten. Musik darfst du hören, wenn der Wunschzettel fertig ist.“

Müde ging sie in die Küche. Es kam ihr falsch vor, das Kind dazu zu zwingen, aber gegen Paul und die Lehrerin kam sie einfach nicht an. Beide waren studierte Leute. Was wusste sie schon mit ihrem Realschulabschluss und der Frisörlehre? „Jetzt denke ich schon, wie Paul redet“, dachte sie flüchtig, während sie die Kartoffeln schälte. „Aber mein Kind soll es ja einmal besser haben als ich.“

Das Bild habe ich selbst gemalt, mit der linken Hand, zwei Tage nachdem ich mit der Rückschulung auf Links angefangen hatte.

*******inde Frau
42.280 Beiträge
Gruppen-Mod 
Danke für die Geschichte *g*

Sie hat mich sehr berührt und nachdenklich gestimmt.
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