Verantwortung und (keine) Enteignung
*******rPur:
Letztlich findet keiner das vor, was er braucht, wenn nichts niemandem gehört und sich infolge dessen keiner verantwortlich fühlt.
Trigon hatte schon geantwortet, aber ich möchte das auch nochmal tun. De facto ist es heute mitnichten so, dass Eigentum dazu führt, dass sich jemand auch für das Eigentum verantwortlich fühlt. Wäre das so gäbe es nämlich keine heruntergekommenen Mietshäuser um ein offensichtliches Beispiel zu nennen.
Gerade wenn du Eigentum im großen Sinne nimmst, dann dient Eigentum heute auch schon mal gerne dazu, die gerade aufgekaufte Firma auszupressen wie eine Zitrone, und die Schalen anschließend der Gesellschaft als Konkursmasse wieder hinzuspucken. Oder das Stück Natur, an dem du gerade den Eigentumstitel hältst.
Also ist deine These falsch: Eigentum verpflichtet überhaupt nicht zu verantwortlichem Umgang. Eher gilt: Eigentum verpflichtet zur Profitmaximierung.
Beim Besitz ist dagegen die Verantwortlichkeit sehr viel naheliegender. Es ist ja die Sache, die ich selbst nutze und die ich auch weiter nutzen will - also kümmere ich mich auch um deren Pflege. Klar ist das auch nicht zwingend, aber jedenfalls sehr viel naheliegender als im Falle von Eigentum.
*******ombo:
Das nicht-monetarisierte-System geht aus dem bestehenden System hervor.
Keine Gesellschaft entsteht aus dem Nichts.
*******ombo:
Das bedeutete, dass es zu einer Enteignung käme, richtig?
- jedenfalls nicht als Grundlage.
Vielmehr würde das Eigentum
überflüssig gemacht -
abgeschafft klingt so gewaltsam, aber das meine ich gar nicht.
Beispiele für überflüssiges Eigentum kennen wir alle: Das sind die kostenlosen Gemeingüter wie z.B. die Atemluft. Erst wenn Arbeit und damit Geld hinzutritt, wird das ein Thema für Eigentum. Klassisches Beispiel: Die Atemluft ist kein Eigentum, die Pressluft aber wohl - weil in der Pressluft menschliche Arbeit steckt.
Die zentrale Idee hinter der Abschaffung des Geldes - genauer: der Überwindung des Geldes - liegt ja nun darin, dass die gesellschaftlich notwendige Tätigkeit eben nicht mehr über Geldzahlung strukturell erzwungen wird (vulgo: Arbeit), sondern dass die Tätigkeiten so befriedigend sind, dass sie auch ohne extrinsische Motivation erledigt werden.
Auch das kennen wir übrigens zur Genüge: Die Tätigkeiten, die in einer Familie / mit Kindern erbracht werden, sind solche die intrinsisch motiviert sind. Oder was im Rahmen von Hobbies getan wird. Das ist also gar nichts ungewöhnliches.
Was aber historisch neu ist, ist die Chance, dass solche Tätigkeiten global relevant werden und die tauschbasierte Wirtschaft mindestens teilsweise ersetzen. Wieder ziehe ich Open-Source-Software oder Wikipedia als Beispiel heran. Ohne Open-Source-Software wäre das Internet nicht vorstellbar und die Verleger von Lexika können beredt darüber Auskunft geben, wie Wikipedia sich in ihren Bilanzen niederschlägt.
Und noch etwas wichtiges: Diese Dinge setzen sich
nicht deswegen durch, weil sie
billiger sind, sondern weil sie
besser sind. Das wiederum liegt daran, dass moderne Produkte unter Einsatz von Herzblut einfach besser werden als wenn sie nur strukturell erzwungen werden. Und hier liegt
eigentlich der zündende Gedanke in der ganzen Story, weil
das historisch wirklich neu ist!
Ich gebe ja zu, dass das momentan alles noch kleine Keime sind. Aber die Prinzipien, die diesen Keimen zugrunde liegen haben das Potential die Gesellschaftsformation für Bad Weisheit zu bilden.
Das Herzblut ist es übrigens auch, was zur Verantwortung führt: Wenn du dein Herzblut in eine Sache steckst, dann fühlst du dich auch dafür verantwortlich. Und das hilft dann auch mal über Durststrecken hinweg. Na klar, ist das Leben auch in Bad Weisheit kein Ponyhof, aber wenn's wenigstens netter wäre und Raum für das ließe, was einem wirklich wichtig ist, dann wäre doch schon viel gewonnen.
*******ombo:
Ich gehe aber davon aus, dass Du zumindest die Industrie, aber auch die Wohnungseigentümer enteignen möchtest, nicht wahr?
Nein. Es ginge darum, dass dieses Eigentum nach und nach überflüssig gemacht wird. Maker-Szene wäre z.B. ein weiterer Begriff, der gerade beginnt die materielle Produktion auf neue Grundlagen zu stellen.
Ein wenig Enteignung sehen wir aber in der Tat in der Musik- und Filmindustrie. Die, die dort im Copyright-System arbeiten, geben ihre Werke ja nicht frei, wie es sonst über Freie Lizenzen geschieht. Ja, das sind Raubkopien, die gegen den Willen der Eigentümer angefertigt werden. Da ist in der Tat ein Stück Enteignung drin.
Ich heiße das gar nicht unbedingt gut, weil das weniger Raum für Freie Produkte lässt
. Aber das von der Copyright-Industrie so beklagte
fehlende Unrechtsbewusstsein verweist schon darauf, dass sich da gesellschaftlich etwas verändert.
Liebe Grüße
Stefan