Selbstbilder
Vermutlich hängt die Frage, mit wem man/frau gern vögelt oder nicht, auch mit dem eigenen Selbstbild zusammen.
Wie sehe ich mich selbst? Das ist die schwierigste Frage, die ich mir seit langem gestellt habe. Dennoch will ich den Versuch einer Antwort machen. Wie fange ich an? Vielleicht am besten mit Beschreibungen früherer Selbstbilder, an die ich mich erinnern kann.
Also zunächst eine kleine Geschichte der Selbstbilder: Als Kind habe ich mir vorgestellt, ich bin ein Indianer und heiße
Einsamer Wolf. Ich bin so ähnlich wie Winnetou, der Häuptling der Apachen, den ich auch in Kohle großformatig an meiner Zimmerwand porträtiert habe. Ich bin edel und hilfsbereit, ein Beschützer der Schwachen, tapfer im Kampf, aber ansonsten nicht sonderlich gesellig.
Als junge Frau und Mutter in einer unglücklichen Ehe gefangen, habe ich mich während einer Gruppentherapie als Kaninchen in einem Baum gemalt. Vom dichten Laub verborgen, wollte ich möglichst unsichtbar sein.
Während des Kollegbesuchs und Studiums habe ich mich als Indianerin
Walks-Far, Die-weit-geht gesehen und mich auch so gefühlt.
In einer Lehrerfortbildung sollten wir zeichnerisch darstellen, wie wir uns als LehrerIn sehen. Ich malte mich, wie ich auf dem Lehrerpult stehe und einen Stuhl, wahlweise auch eine Peitsche, zur Verteidigung vor mich halte. Sehr lustig, trotzdem konnte ich nicht lachen.
Heute ist mein Selbstbild zweigeteilt. Auf der einen Hälfte sehe ich eine zielbewusste Powerfrau, die spät das Abitur nachgeholt hat, um ihren Traum vom Studieren zu verwirklichen. Das Studium erschien mir immer wie ein Erbteil, das mir zusteht, mir aber lange vorenthalten wurde und auf das ich jetzt den legitimen Anspruch erhebe.
Auf der anderen Hälfte taucht das Bild einer sympathischen, vor allem aber empathischen Lateinlehrerin auf, die sich ihrer Rolle nicht gewachsen fühlte und jederzeit darauf gefasst sein musste, als Hochstaplerin entlarvt zu werden.
Nachgedanken:
Zum ersten Selbstbild, dem
Einsamen Wolf, der Winnetou nachgebildet ist, fällt mir als Erstes auf, dass es ein männliches Selbstbild ist. Ich kann mich auch noch gut erinnern, dass ich mich lange gegen die weibliche Rolle gewehrt habe. Als jüngeres Kind habe ich sogar noch gehofft, dass dies nur ein Irrtum sei und sich irgendwann aufklären würde. Dann würde ich endlich mein wahres Geschlecht zurückbekommen und ein Junge werden.
Als sich in der Pubertät diese Hoffnung zerschlagen hat, habe ich prompt mit langanhaltenden Depressionen und einer Art Selbsthass reagiert. Lebhaft im Gedächtnis ist mir auch noch, dass das Gefühl eines unverdienten Unglücks, nämlich ein Mädchen zu sein, durch viele negative Erfahrungen unterstrichen und immer wieder neu bestätigt wurde.
So durfte ich zum Beispiel nicht draußen im Garten im Zelt übernachten, aber meine Brüder durften das. Ich durfte nicht allein oder mit Freundinnen in den Großen Ferien eine Radwanderung unternehmen, aber ein Junge aus meinem Freundeskreis fuhr mit dem Rad ganz allein rund um den Bodensee. Ich kann mich noch genau an das Gefühl von Neid und Empörung erinnern, das ich damals verspürt habe.