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Ich verstehe Liebe ja als Gefühl, das in mir ist. Das kann ich jederzeit fühlen - da brauche ich mich danach zu sehnen.
Ich glaube sogar, dass Liebe eine Energieform ist, eine überlebenswichtige, die überall einfach vorhanden ist, zur Verfügung steht. So, wie die Erdanziehung. Wir können sie nicht erzeugen oder geben oder nehmen. Nur fühlen, so wie wir Sonne auf unserer Haut wahrnehmen.
Liebe hat erstmal nichts mit Beziehungen zu tun. Es ist ein universelles Phäomen, wie die Luft zum Atmen. In der Kindheit lernen wir aber, dass es besser ist, einige unserer Bedürfnisse und Gefühle nicht zu haben, sie zu unterdrücken. Erziehung und Sozialisation stehen in großem Widerspruch zu unseren wirklichen Bedürfnissen. Bei den meisten Menschen ist der Sensor für die Fähigkeit, Liebe zu spüren, irgendwann völlig verstellt.
Wenn wir junge Erwachsene sind, können wir unseren Selbstwert und unsere Liebenswürdigkeit nur noch an Maßstäben abmessen, die außerhalb unseres eigenen Empfindens liegen. Und plötzlich kommt der Sex ins Spiel, der dafür sorgt, dass wir uns kurz ganz großartig fühlen, überirdisch. Und das auch noch mit einem Gegenüber, das uns braucht, um gleichermaßen fühlen zu können.
Plötzlich erscheint es ganz einfach, dieses Gefühl von Liebe richtig doll spüren zu können. Man braucht nur einen anderen Menschen dafür, "der mich liebt". Dabei ist es nicht der andere, der uns Liebe gibt, er hilft uns nur, sie zu fühlen. Dabei ist das nicht mal Liebe, es ist etwas hormongesteuertes, ein Liebes-Surrogat. Fortan suchen wir das Gefühl von Liebe aber immer in einem anderen Menschen.
Weil Sex oft ein so außerordentlich großartiges Gefühl in uns hervorruft, Beziehungen zu Menschen aber meist auch negative Gefühle mitbringen, hoffen wir, im Sex allein unsere Sehnsucht nach Liebe stillen zu können. Wie ein Junkie.
Das ist meine kleine, große Religion, daran glaube ich. Die Anfänge dieser Gedanken liegen in einem Buch für junge Eltern "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück". Es beschreibt das Trauma der Geburt, das Abgetrenntsein, die Isolation, den Schmerz von Neugeborenen, und zeigt, wie wichtig das Am-Körper-Tragen von Säuglingen ist.
Bislang haben mich noch keine klugen und durchdachten Thesen von anderen an der Richtigkeit meiner Gedanken zweifeln lassen. Aber ich forsche weiter. Übrigens sind all meine Gedanken zu dem Thema noch aus einer Mangel-Perspektive, aus dem Ist-Zustand. Wie ein Mensch fühlt und wie er Sex hat, wenn er wirklich liebesfähig ist, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Das würde sicher sehr tantrisch aussehen, oder man braucht Sex dann gar nicht mehr, außer zu Fortpflanzung.