Mein Traumberuf war Richter gewesen. Richter haben "freie Dienstzeiteinteilung" - ausserhalb ihrer Termine können sie kommen und gehen, wann sie wollen. Es gibt in der Justiz so einen Spruch über die "Eingangsbesoldungsgruppe R1": "Ich bin R1, ich bleib R1 - und ich geh um Eins!" (R1 sind heute regelmässig immerhinque ca. 4.500 Euro !)
Dafür habe ich Jura studiert (in Saarbrücken, meiner Heimat-Uni), was ziemlich Scheisse zu studieren ist. Während die Soziologen beispielsweise mit der Immatrikulation den "Durchblickerschein" kriegen, müssen Jurastudenten ihr Gehirn im Dekanat abgeben: man darf erst ab Referendar aufwärts denken. Vorher darf man nur büffeln, pauken ... total stumpfsinnig.
Im Referendardienst bin ich dann irre geworden an diesem Traumberuf, weil ich gesehen habe, was der öffentliche Dienst im allgemeinen und die Justiz im besonderen aus den Menschen macht. Wer's genau wissen will, der lese "Ballmanns Leiden - oder: Lehrbuch für Konkursrecht" von Herbert Rosendorfer, die beste und ätzend realistische Satire über die BRD-Justiz, die ich kenne. Die Leute vergreisen, kriegen "Psychosklerose", werden eingesargt in ihren Reihenhäusern ...
Während des Studiums, daß ich mir als "Werkstudent" selbst verdient habe, war ich zuerst Nachtwächter, dann hat mir 1 Freund einen Job als Hilfsbibliothekar im soziologischen Institut besorgt - das war ein schöner Job gewesen für den Büchernarr in mir. Und er war "der Fuß in der Tür", um nach dem 1. Examen Assistent zu werden. Diese Assistentenzeit war die schönste Zeit meines früheren Lebens gewesen, Dozent - das war ne coole Sache und Professor kurzzeitig auch ein Traumberuf ... aber das ist bald verflogen.
Den Anwaltsberuf habe ich stets verachtet, bis ich im Referendardienst merkte, daß es auch ein sehr schöner Beruf sein kann, für den ich mich auch geeignet fühlte und dann 15 Jahre bis zu meinem Zusammenbruch mit großer Freude ausgeübt habe ...
Aber als ich mich dann nach dem Zusammenbruch zu analysieren begonnen habe, da habe ich zu meinem leisen Erschrecken und gelindem Entsetzen feststellen müssen, daß mein "heimlicher" Traumberuf ein ganz anderer gewesen war:
ich wäre am liebsten Nutte geworden.
So isses halt: auch den Traumberuf kann man sich nicht aussuchen: "Der Mensch kann tun, was er will, aber leider nicht wollen, was er will." (S. Freud)