Erst mal danke an Tatjana_DA für den Thread. Ich nutze den mal um ein paar Gedanken rund um das Thema Chaos los zu werden. Das ist für mich begriffliche Arbeit, die ich für sehr wichtig halte.
Im Übrigen gehe ich mal davon aus, dass der Thread auch gut ohne persönliche Anpissereien auskommt. Insofern bitte .
Zunächst mal möchte ich hervorheben, dass Chaos nicht das Gegenteil von Ordnung ist. Das Gegenteil von Ordnung ist Unordnung. Wikipedia sagt
Ein bisschen Unordnung ist also noch kein Chaos.
Sehr richtig. Ergebnis einer vollständigen Entropie ist eine vollständige Gleichförmigkeit. Es ist nichts mehr voneinander unterscheidbar - also wirklich nichts. Das ganze Universum ist eine einzige, völlig homogene Sphäre.
Es ist offensichtlich, dass ein solcher Zustand mit dem Leben nicht vereinbar ist. Ich würde sogar sagen, dass das Leben die einzige bekannte Kraft im Universum ist, die der Entropie entgegen wirkt.
D.h. um den Begriff Chaos zu verstehen, müssen wir uns mit den Begriffen Ordnung und Unordnung auseinandersetzen. Ich würde es noch ein wenig anders, m.E. deutlicher formulieren mit dem Begriff Struktur. Diese Begriffe wiederum kommen ohne den Begriff der Regel nicht aus.
Vorsichtig sein müssen wir hier übrigens mit der menschlichen Wahrnehmung. Der menschliche Wahrnehmungsapparat ist darauf ausgelegt Strukturen zu erkennen - auch dann wenn sie vielleicht unvollständig sind. Deswegen können wir auch ohne große Mühe Gesichter oder anderes in simple Tintenkleckse hineininterpretieren. Mit der Wahrnehmung von Struktur und deren tatsächlicher Anwesenheit ist es also so eine Sache.
Eine Regel ist eine Vorschrift, wie Dinge angeordnet sein sollen oder Handeln ablaufen soll. Die Anwendung von Regeln schafft Ordnung und Strukturen. Werden in einem Bereich keine Regeln angewandt, so entsteht Unordnung.
Eine Regel schafft damit auch immer Grenzen. Eine Struktur ist nichts anderes als eine Sammlung von Grenzen. Wenn das physikalische Chaos sich durch Gleichförmigkeit präsentiert, dann ist das genau die Abwesenheit von Grenzen.
Regeln gibt es jetzt in zwei Geschmachsrichtungen. Die eine Geschmacksrichtung nennen wir Naturgesetze. Naturgesetze "regeln" wie sich die Elemente der Natur verhalten und daraus folgend Strukturen bilden. Naturgesetze sind ungeheuer mächtig, denn sie setzen sich einfach so durch - dafür braucht es keinen menschlichen Eingriff. Deswegen macht es übrigens auch keinen Sinn sich gegen Naturgesetze aufzulehnen.
Die andere Geschmacksrichtung sind Regeln, die von Menschen gemacht werden. Die gibt es in verschiedenen Darreichungsformen als Gesetz, Norm, etc. Im Gegensatz zu Naturgesetzen müssen Regeln durchgesetzt werden um wirksam zu werden. Das kann unspektakulär sein wenn sich einfach alle dran halten und das kann spektakulär sein wenn die Handelnden das nicht tun und andere für die Einhaltung sorgen.
Werden Regeln nicht durchgesetzt, so können sie ihre ordnende Wirkung nicht entfalten. Regeln ohne Durchsetzung machen also keinen Sinn. Schärfer: Regeln müssen immer zusammen mit ihrer Durchsetzung gedacht werden.
Grenzen sind ein eigen Ding. Sie schaffen z.B. Grenzfälle, über die sich trefflich streiten lässt, was aber selten weit führt. Grenzen haben auch eine seltsame Ambivalenz. Auf der einen Seite können sie einengend sein, auf der anderen Seite bieten sie aber auch eine definierte Sphäre in der ich mich sicher bewegen kann.
So mag die Schwerkraft zwar mich zwar dahingehend einengen, dass ich eben nicht einfach abheben kann, gleichzeitig gibt sie mir die Gewissheit, dass ich stets auf dem Boden bleibe .
Diese Schaffung einer definierten Sphäre, in der ich mich dann frei und sicher bewegen kann ist m.E. die Rechtfertigung für Regeln.
Chaos in einem gesellschaftlichen Zusammenhang kann also mit der völligen Regellosigkeit gleich gesetzt werden. Dabei ist es unerheblich, ob es gar keine Regeln gibt oder ob Regeln regelmäßig (sic!) nicht eingehalten bzw. durchgesetzt werden. Auch die Variante, in der jeder eigene Regeln macht fällt in dieser Kategorie.
Chaos macht auf gesellschaftlicher Ebene ungeheuer unfrei. Ich kann mich ja auf nichts mehr verlassen und muss für alles selbst sorgen. An Chaos können dementsprechend nur die Interesse haben, die große Macht haben.
Um nach diesem längeren Exkurs nochmal zur konkreten Frage zu kommen. Kreativität besteht ja zu einem wesentlichen Teil daraus keine (bekannten) Regeln anzuwenden, sondern gerade Neues zu schaffen. Damit ist es logisch, dass Kreativität per Definition nicht funktionieren kann, wenn sämtliche Regeln (gedanklich) eingehalten werden.
Chaos hingegen ist für Kreativität nicht förderlich, denn im Chaos kann nichts (nachhaltig) geschaffen werden, weil alles sofort von der Zerstörung bedroht ist. Und um das Erschaffen geht es ja bei Kreativität.
LG
Stefan
Im Übrigen gehe ich mal davon aus, dass der Thread auch gut ohne persönliche Anpissereien auskommt. Insofern bitte .
Zunächst mal möchte ich hervorheben, dass Chaos nicht das Gegenteil von Ordnung ist. Das Gegenteil von Ordnung ist Unordnung. Wikipedia sagt
******dia:
Das [...] Chaos [...] ist ein Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung
Ein bisschen Unordnung ist also noch kein Chaos.
*********13AB:
In der Physik gibt es den Begriff der Entropie, d.h., das Bestreben von Materie, in einen zunehmend größer werdenden Zustand von Unordung zu geraten und dabei Energie abzugeben.
Sehr richtig. Ergebnis einer vollständigen Entropie ist eine vollständige Gleichförmigkeit. Es ist nichts mehr voneinander unterscheidbar - also wirklich nichts. Das ganze Universum ist eine einzige, völlig homogene Sphäre.
Es ist offensichtlich, dass ein solcher Zustand mit dem Leben nicht vereinbar ist. Ich würde sogar sagen, dass das Leben die einzige bekannte Kraft im Universum ist, die der Entropie entgegen wirkt.
D.h. um den Begriff Chaos zu verstehen, müssen wir uns mit den Begriffen Ordnung und Unordnung auseinandersetzen. Ich würde es noch ein wenig anders, m.E. deutlicher formulieren mit dem Begriff Struktur. Diese Begriffe wiederum kommen ohne den Begriff der Regel nicht aus.
Vorsichtig sein müssen wir hier übrigens mit der menschlichen Wahrnehmung. Der menschliche Wahrnehmungsapparat ist darauf ausgelegt Strukturen zu erkennen - auch dann wenn sie vielleicht unvollständig sind. Deswegen können wir auch ohne große Mühe Gesichter oder anderes in simple Tintenkleckse hineininterpretieren. Mit der Wahrnehmung von Struktur und deren tatsächlicher Anwesenheit ist es also so eine Sache.
Eine Regel ist eine Vorschrift, wie Dinge angeordnet sein sollen oder Handeln ablaufen soll. Die Anwendung von Regeln schafft Ordnung und Strukturen. Werden in einem Bereich keine Regeln angewandt, so entsteht Unordnung.
Eine Regel schafft damit auch immer Grenzen. Eine Struktur ist nichts anderes als eine Sammlung von Grenzen. Wenn das physikalische Chaos sich durch Gleichförmigkeit präsentiert, dann ist das genau die Abwesenheit von Grenzen.
Regeln gibt es jetzt in zwei Geschmachsrichtungen. Die eine Geschmacksrichtung nennen wir Naturgesetze. Naturgesetze "regeln" wie sich die Elemente der Natur verhalten und daraus folgend Strukturen bilden. Naturgesetze sind ungeheuer mächtig, denn sie setzen sich einfach so durch - dafür braucht es keinen menschlichen Eingriff. Deswegen macht es übrigens auch keinen Sinn sich gegen Naturgesetze aufzulehnen.
Die andere Geschmacksrichtung sind Regeln, die von Menschen gemacht werden. Die gibt es in verschiedenen Darreichungsformen als Gesetz, Norm, etc. Im Gegensatz zu Naturgesetzen müssen Regeln durchgesetzt werden um wirksam zu werden. Das kann unspektakulär sein wenn sich einfach alle dran halten und das kann spektakulär sein wenn die Handelnden das nicht tun und andere für die Einhaltung sorgen.
Werden Regeln nicht durchgesetzt, so können sie ihre ordnende Wirkung nicht entfalten. Regeln ohne Durchsetzung machen also keinen Sinn. Schärfer: Regeln müssen immer zusammen mit ihrer Durchsetzung gedacht werden.
Grenzen sind ein eigen Ding. Sie schaffen z.B. Grenzfälle, über die sich trefflich streiten lässt, was aber selten weit führt. Grenzen haben auch eine seltsame Ambivalenz. Auf der einen Seite können sie einengend sein, auf der anderen Seite bieten sie aber auch eine definierte Sphäre in der ich mich sicher bewegen kann.
So mag die Schwerkraft zwar mich zwar dahingehend einengen, dass ich eben nicht einfach abheben kann, gleichzeitig gibt sie mir die Gewissheit, dass ich stets auf dem Boden bleibe .
Diese Schaffung einer definierten Sphäre, in der ich mich dann frei und sicher bewegen kann ist m.E. die Rechtfertigung für Regeln.
Chaos in einem gesellschaftlichen Zusammenhang kann also mit der völligen Regellosigkeit gleich gesetzt werden. Dabei ist es unerheblich, ob es gar keine Regeln gibt oder ob Regeln regelmäßig (sic!) nicht eingehalten bzw. durchgesetzt werden. Auch die Variante, in der jeder eigene Regeln macht fällt in dieser Kategorie.
Chaos macht auf gesellschaftlicher Ebene ungeheuer unfrei. Ich kann mich ja auf nichts mehr verlassen und muss für alles selbst sorgen. An Chaos können dementsprechend nur die Interesse haben, die große Macht haben.
Um nach diesem längeren Exkurs nochmal zur konkreten Frage zu kommen. Kreativität besteht ja zu einem wesentlichen Teil daraus keine (bekannten) Regeln anzuwenden, sondern gerade Neues zu schaffen. Damit ist es logisch, dass Kreativität per Definition nicht funktionieren kann, wenn sämtliche Regeln (gedanklich) eingehalten werden.
Chaos hingegen ist für Kreativität nicht förderlich, denn im Chaos kann nichts (nachhaltig) geschaffen werden, weil alles sofort von der Zerstörung bedroht ist. Und um das Erschaffen geht es ja bei Kreativität.
LG
Stefan