Für mich war und ist der christliche Glaube seit Kindesbeinen an - jedenfalls der Glaube, dass Gott existiert, oder ein Größeres über und in uns oder ein umfassendes, universales Bewusstsein immer selbstverständlich. Ich wuchs wie selbstverständlich auf in den beiden Konfessionen meiner Großeltern, wurde evangelisch getauft, ging mit der katholischen Großmutter zum Grab meines katholischen Großvaters und in die Heilige Messe, war als Kind immer damit auch beschäftigt, dass der Liebe Gott in mir und um mich herum ist und ärgerte mich später über meine atheistische Mutter, die den Sozialismus schärfer verteidigte als der Papst seine Dogmen und alle jenseits der Sozialdemokratie waren verlorene Revisionisten der Freiheit, dass sich irgendwann der Sozialismus auf der Welt durchsetzen muss. Ich konnte jedenfalls mit 10 Jahren das Parteiprogramm genauso gut runterbeten wie das Vater-unser oder das Ave-Maria.
Trotzdem entschied ich mich, in der evangelischen Kirchengemeinde und deren Jugendarbeit - die war evangelikal geprägt, weiter aufzuwachsen und sozusagen den Pfarrer dort als meinen Wahlvater zu adoptieren, weil mein sozialdemokratischer Stiefvater ein Idiot war. Ich fand dort Freundschaften, die bis heute halten, wobei einer davon heute zu Chefideologen der säkularen Humanismus in Deutschland gehört und trotz Doktortitel in Theologie sich als Agnostiker, manchmal auch Atheist bezeichnet. Ein anderer ist Pfarrer in der Schweiz, der nächste im Bunde ist Privatdozent für Philosophie in Wien und München, wieder ein anderer arbeitet im Callcenter ...
Wir bildeten innerhalb der sehr frommen Gemeinde eine Art "Club der toten Dichter", lasen die Bibel, Kant, Wittgenstein, Hegel ... Latein und Griechisch am Gymnasium - waren also eine Nerd-Gruppe in Kirchenräumen ähnlich wie in der Serie "Big-bang-Theory", zu dem übrigens Frauen nur einen eingeschränkten Zugang erhielten, sich aber doch einem allgemeinem Interesse freuen dürften. Zudem wurden wir einmal aus der Gemeinde ausgeschlossen, weil wir ein Manifest formuliert, worin wir die Jungfrauengeburt bezweifelten.
Vier aus dieser Gruppe von 8 Mitglieder studierten dann Ev. Theologie und Philosophie, darunter auch ich und zogen das auch durch. Zwei wurden nach dem Studium als Pfarrer ordiniert, darunter auch ich. Die anderen gingen andere Wege.
Noch heute treffen wir uns einmal im Jahr in einem Ferienhaus an der Mosel, tauschen Jugenderinnerungen aus, diskutieren neue Tendenzen in Gesellschaft, Theologie und Philosophie - und eines unserer Lieblingsthemen ist das sog.
Gödel-Theorem (die Neuauflage des ontologischen Gottesbeweise, der heutzutage mit Hilfe des Computers durchgerechnet wird). Wir lachen sehr viel!
Ich selbst bin der einzige Mystiker in der Gruppe. Während des Studiums war ich in Japan und studierte dort an der Quelle den Zen-Buddhismus. Das eröffnete mir eine neuen Zugang zu den Religionen, "meiner" Theologie und Philosophie, z.B. dass ich Gott sowohl persönlich wie überpersönlich (transpersonal) denken kann und das ich die Bibel gemeinhin noch anders lese als historisch-kritisch oder bloß fromm und naiv.
Ich bin zwar ordinierter Theologe und examinierter Philosoph, der auch heute noch in seiner Kirche aktiv ist, aber ich lebe von der Publizistik (wie man auch hier unschwer erkennen kann).
Allerdings bin ich auch in der Hospiz-Bewegung aktiv und begleite Menschen dort beim Sterben. Dort werden religiöse Fragen an der Grenze des Lebens noch anders relevant als in einem Gottesdienst oder in der Diskussion mit meinen atheistischen Freunden oder frömmelnden Geistern.
Ich mag übrigens keine Fundamentalisten oder Kreationisten oder sonst was, - ich kriege jedes Mal Pickel, wenn mich einer anspricht. Und sollte hier jemand zu dieser Gruppe gehören, bitte ich höflichst, mich auf solche Themen nicht anzusprechen. Danke im Voraus!
Ansonsten stehe ich jedoch gerne für Fragen und Diskussionen - ernsthafte und erkennbar humoristische zur Verfügung.
Ich halte übrigens Gott - wie auch immer man ihn erkennen mag - immer noch für das Selbstverständliche und Geheimnis der Welt. Daran hat sich für mich seit meiner Kindheit nichts geändert.