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Ist Beziehungsanarchie (relationship anarchy) ein Zukunftsmodell ? Oder bleibt es bei serieller Monogamie mit wenigen Nischen der Non-Monogamie?
Vor ein paar Tagen habe ich im TV eine Folge der Sendereihe „Make Love“ gesehen, die sich mit dem Thema Polyamorie und am Rande auch mit Relationship Anarchy beschäftigte. Nur ein paar Tage davor sah ich bereits in der ZDF-Mediathek die Buchvorstellung "Wie wir lieben. Vom Ende der Monogamie" von Friedemann Karig.
Das Thema scheint also in der Tat gesellschaftlich immer relevanter zu werden. Dennoch glaube ich, dass diesem hier im Joyclub eine höhere Bedeutung beigemessen wird, als es das in der Gesellschaft hat. Die Gruppe derjenigen, die in einer glücklichen, monogamen Zweierbeziehung leben, dürfte auf einer Erotikplattform eher unterrepräsentiert sein. Naheliegend, dass sich hier eher Singles, Menschen, die nach einer Affäre suchen oder alternative Beziehungsmodelle in Betracht ziehen, einfinden. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Es geht in diesem Thread nicht darum, das Konzept der Beziehungsanarchie zu bewerten. Die Frage lautet stattdessen, ob Beziehungsanarchie ein Zukunftsmodell ist.
Statistiken zufolge, werden heute (schwankend) ca. 50% aller Ehen geschieden (aktuell ist der Trend sogar rückläufig). Daraus wird m.E. immer ein wenig vorschnell geschlossen, dass die Ehe ein Auslaufmodell ist. Denn umgekehrt bedeutet es auch, dass etwa die Hälfte aller Verheirateten zusammenbleibt, bis dass der Tod sie scheidet. Ein erfolgreicheres Beziehungsmodell ist mir nicht bekannt.
Unsere Gesellschaft unterliegt dem permanenten Wandel (wie alles im Leben). So wird sich auch die Art und Weise wie wir lieben und unsere Beziehungen gestalten verändern. Privat habe ich jetzt schon mehrfach erlebt, dass Paare aus einem eher konservativen Umfeld, nachdem das Häuschen abbezahlt war und die Kinder ausgezogen waren, alternative Beziehungsformen für sich fanden, ohne sich komplett zu trennen. Hier im Joyclub gibt es solche Konstellationen ohnehin zuhauf. Diese Beziehungsalternativen sind völlig unterschiedlich und sehr individuell gestaltet. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie alle aus einer ehemals monogamen Zweierbeziehung hervorgingen. Ich glaube, diese Art von „Beziehungsanarchie“ wird in unserer Gesellschaft künftig eine bedeutendere Rolle spielen.
Diejenigen, die in Kommunen oder anderen verbindlichen polyamoren Strukturen leben und hierbei auch gemeinsam Kinder erziehen, lasse ich mal außen vor, da diese Gruppe in unserer Gesellschaft einen kaum nennenswerten Anteil ausmachen sollte.
Darüber hinaus gab es aber auch schon immer Menschen, die dem Leben in einer festen Zweierbeziehung nichts abgewinnen konnte und von Beginn an alternativ lebten – ohne Kinder, ohne Familie! Auch dagegen ist nichts einzuwenden. In unserer Gesellschaft sollte jeder sein Leben so gestalten können, wie es ihm zuspricht. Wenn man den Gedanken jedoch zu Ende führt, kann das aber niemals ein Zukunftsmodell sein.
Die Zukunft unserer Gesellschaft wird vielmehr davon bestimmt sein, welche Erziehungsmodelle sich durchsetzen, als davon, wie wir unsere sexuelle Beziehungen gestalten. Falls dem nicht so sein sollte, kann unsere Kultur keine Zukunft haben.